Tanzschritte in ein besseres Leben
Als sie 2008 unter dem Namen "The Namibian Odysseus" gegründet wurde, hatte keiner damit gerechnet, dass das Konzept "Geschichten-Tanzen" derart einschlagen würde. Inzwischen haben die Tänzer auf den Bühnen in England, Südafrika und Deutschland gestanden und sind zu Profis herangewachsen. "Keiner von uns hat eine klassische Tanzausbildung", sagt Dennis, "für uns war das alles völlig neu." Jetzt ist es ihr Leben. Jeden Tag trainieren sie zwei Stunden, um für ihre Auftritte fit zu sein. Eine physische Herausforderung. "Es ist harte Arbeit", sagt Choreograf Philippe Talavera, "unser Stil ist eine Mischung aus Tanz und Theater. Der Körper muss sich bewegen und schauspielern können. Beides gleichzeitig." Er hat die sechs jungen Namibier aus allen Ecken des Landes zusammengesucht. Sie alle hatten Talent, konnten mit ausreichend Training bühnenreif performen. West, Dennis, Jessica, Chris, El-Juanita und Amoritha sind zwischen 21 und 26 Jahren alt. Jeder von ihnen kommt aus einer anderen Region, heute leben sie in Windhoek, kriegen für ihre Begabung ein monatliches Gehalt ausbezahlt.
Die OYO-Truppe lebt von Aufträgen der Regierung. Sie tanzen in Dörfern, Schulen und vor Politikern, standen natürlich auch schon auf der Bühne des namibischen Nationaltheaters. Doch unabhängig vom Publikum ist für sie nur eins wichtig: Dass sie verstanden werden.
"Wir tanzen, um etwas zu verändern", sagt Dennis. Auf der Bühne wird er während der Stücke leidenschaftlich: Dennis wechselt den Partner, greift erst nach der Einen, dann nach der Anderen. Als eines der Mädchen schwanger wird, wird sie ausgegrenzt zurückgelassen. Eine Geschichte, die auch ohne Sprache auskommt. Gerade in einem Land wie Namibia ist das wichtig. "Die Menschen vor denen wir auftreten, könnten unterschiedlicher nicht sein. Anzugträger in der Stadt, Bauern auf dem Land, Kinder in der Schule. Dann sprechen sie alle auch noch unterschiedliche Sprachen." Aber wenn jemand auf der Bühne langsam stirbt, weil er sich mit Aids infiziert hat, versteht das jeder.
"Tanz ist Kommunikation der schönsten Art", sagt der Choreograf, "wir wollen die Menschen nicht mit lehrreichen Phrasen langweilen. Ich denke, was die Leute unterhält, merken sie sich besser." Das Publikum gibt ihnen Recht. Nach jeder Aufführung können die Zuschauer Fragebögen ausfüllen, die Talavera auswertet, um die Stücke zu verbessern. 20 000 positive Resonanzen sind so zusammengekommen. "Das Geheimnis ist, die Geschichte so simpel wie möglich zu halten", sagt er. Er denkt sich die Choreografien selber aus, passend zum jeweiligen Event und manchmal auf Wunsch. Sogar das Thema Landreform hat die Oyo-Gruppe schon behandelt, auf Wunsch der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Um die Tänze anschaulicher zu machen, werden Requisiten eingebaut. So tanzt El-Juanita anmutig mit ein paar Handschellen um ihre Hände, Amoritha trägt ein Puppenkind mit sich herum. Diese fast jazzigen Tänze sind in Nambia ungewöhnlich. Die fließenden Bewegungen haben wenig mit den traditionellen Tänzen des Landes zu tun. Selbst in Europa oder Amerika ist dieser ganz spezielle Mix aus Theater und Tanz aber noch fremd. Deswegen wird die geplante Zusammenarbeit mit Kanadiern und Engländern im August eine weitere Bereicherung in der Vita der Tänzer. Mit dieser international zusammengesetzten Truppe wollen die sechs jungen Namibier neue Stücke auf die Beine stellen und dann damit auf Tour durch ganz Afrika gehen. "Uns ist es egal, ob im Publikum hochrangige Personen sitzen, oder Menschen vom Land", sagt Dennis, "Beides hat etwas für sich. Natürlich fühlen wir uns geehrt, wenn die First Lady zuschaut. Eine Show vor einem kleinen Publikum, irgendwo im Busch, kann aber auch sehr intim sein und für alle inspirierend."
Nach den Vorstellungen kommt es häufig noch zu Diskussionen. Viele Zuschauer sind dann bereit, persönliches zu erzählen und ihre Gedanken zu teilen. Sowie eine 16-Jährige aus Windhoek, die nach einem Stück über Diskriminierung sagte: "Einige deiner Freunde wenden sich von dir ab, wenn sie herausfinden, dass du HIV positiv bist. Aber auch die werden irgendwann lernen, dass es besser ist, sich dann besonders zu kümmern." In Tsumke, einer Stadt mit besonders hoher Teenager-Schwangerschaftsrate machte das Stück über ungewollten Nachwuchs besonders Eindruck, und wenn die Tänzer nächsten Monat auf der Konferenz der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) auftreten, wird sich ihr Tanz um das Bereichern an Staatseigentum drehen. "All das sind Themen, die uns am Herzen liegen", sagt Dennis, "deswegen lieben wir diese Arbeit auch so sehr."
Und wenn sich die geschmeidigen Körper der Sechs so hin und herwiegen, ineinander verknoten und sich plötzlich wieder neu formatieren, wird diese Leidenschaft sichtbar. Barfuß und in Trainingsklamotten üben sie die neuesten Stücke derzeit im Goethezentrum; solange bis sie sitzen. Jeder von ihnen ist voll konzentriert. Im Spiel miteinander geht jede Bewegung ineinander über. Eine Hand löst sich nur, um danach irgendwo anders wieder gegriffen zu werden. Es ist schön und ruhig und elegant. Eine Gruppe auf dem Weg nach oben.
Sie sind weder Entwicklungshelfer in Leggins, noch können sie die Probleme der Welt durch eine Show retten, wäre sie auch noch so spektakulär, - das ist ihnen allen klar. "Aber wir machen ein paar erste Schritte in diese Richtung", sagt Talavera. Tanzschritte.
Julia Dombrowsky
Die OYO-Truppe lebt von Aufträgen der Regierung. Sie tanzen in Dörfern, Schulen und vor Politikern, standen natürlich auch schon auf der Bühne des namibischen Nationaltheaters. Doch unabhängig vom Publikum ist für sie nur eins wichtig: Dass sie verstanden werden.
"Wir tanzen, um etwas zu verändern", sagt Dennis. Auf der Bühne wird er während der Stücke leidenschaftlich: Dennis wechselt den Partner, greift erst nach der Einen, dann nach der Anderen. Als eines der Mädchen schwanger wird, wird sie ausgegrenzt zurückgelassen. Eine Geschichte, die auch ohne Sprache auskommt. Gerade in einem Land wie Namibia ist das wichtig. "Die Menschen vor denen wir auftreten, könnten unterschiedlicher nicht sein. Anzugträger in der Stadt, Bauern auf dem Land, Kinder in der Schule. Dann sprechen sie alle auch noch unterschiedliche Sprachen." Aber wenn jemand auf der Bühne langsam stirbt, weil er sich mit Aids infiziert hat, versteht das jeder.
"Tanz ist Kommunikation der schönsten Art", sagt der Choreograf, "wir wollen die Menschen nicht mit lehrreichen Phrasen langweilen. Ich denke, was die Leute unterhält, merken sie sich besser." Das Publikum gibt ihnen Recht. Nach jeder Aufführung können die Zuschauer Fragebögen ausfüllen, die Talavera auswertet, um die Stücke zu verbessern. 20 000 positive Resonanzen sind so zusammengekommen. "Das Geheimnis ist, die Geschichte so simpel wie möglich zu halten", sagt er. Er denkt sich die Choreografien selber aus, passend zum jeweiligen Event und manchmal auf Wunsch. Sogar das Thema Landreform hat die Oyo-Gruppe schon behandelt, auf Wunsch der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Um die Tänze anschaulicher zu machen, werden Requisiten eingebaut. So tanzt El-Juanita anmutig mit ein paar Handschellen um ihre Hände, Amoritha trägt ein Puppenkind mit sich herum. Diese fast jazzigen Tänze sind in Nambia ungewöhnlich. Die fließenden Bewegungen haben wenig mit den traditionellen Tänzen des Landes zu tun. Selbst in Europa oder Amerika ist dieser ganz spezielle Mix aus Theater und Tanz aber noch fremd. Deswegen wird die geplante Zusammenarbeit mit Kanadiern und Engländern im August eine weitere Bereicherung in der Vita der Tänzer. Mit dieser international zusammengesetzten Truppe wollen die sechs jungen Namibier neue Stücke auf die Beine stellen und dann damit auf Tour durch ganz Afrika gehen. "Uns ist es egal, ob im Publikum hochrangige Personen sitzen, oder Menschen vom Land", sagt Dennis, "Beides hat etwas für sich. Natürlich fühlen wir uns geehrt, wenn die First Lady zuschaut. Eine Show vor einem kleinen Publikum, irgendwo im Busch, kann aber auch sehr intim sein und für alle inspirierend."
Nach den Vorstellungen kommt es häufig noch zu Diskussionen. Viele Zuschauer sind dann bereit, persönliches zu erzählen und ihre Gedanken zu teilen. Sowie eine 16-Jährige aus Windhoek, die nach einem Stück über Diskriminierung sagte: "Einige deiner Freunde wenden sich von dir ab, wenn sie herausfinden, dass du HIV positiv bist. Aber auch die werden irgendwann lernen, dass es besser ist, sich dann besonders zu kümmern." In Tsumke, einer Stadt mit besonders hoher Teenager-Schwangerschaftsrate machte das Stück über ungewollten Nachwuchs besonders Eindruck, und wenn die Tänzer nächsten Monat auf der Konferenz der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) auftreten, wird sich ihr Tanz um das Bereichern an Staatseigentum drehen. "All das sind Themen, die uns am Herzen liegen", sagt Dennis, "deswegen lieben wir diese Arbeit auch so sehr."
Und wenn sich die geschmeidigen Körper der Sechs so hin und herwiegen, ineinander verknoten und sich plötzlich wieder neu formatieren, wird diese Leidenschaft sichtbar. Barfuß und in Trainingsklamotten üben sie die neuesten Stücke derzeit im Goethezentrum; solange bis sie sitzen. Jeder von ihnen ist voll konzentriert. Im Spiel miteinander geht jede Bewegung ineinander über. Eine Hand löst sich nur, um danach irgendwo anders wieder gegriffen zu werden. Es ist schön und ruhig und elegant. Eine Gruppe auf dem Weg nach oben.
Sie sind weder Entwicklungshelfer in Leggins, noch können sie die Probleme der Welt durch eine Show retten, wäre sie auch noch so spektakulär, - das ist ihnen allen klar. "Aber wir machen ein paar erste Schritte in diese Richtung", sagt Talavera. Tanzschritte.
Julia Dombrowsky
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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