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Teekränzchen mit Otter

Der Empfang auf Shamvura ist ausgesprochen herzlich. Auf dem großen Rasenplatz beim Swimming Pool werden die Gäste von "Bok" begrüßt. Er rammt dem Besucher seine Hörner in den Hintern und bugsiert ihn so mit sanftem Nachdruck in Richtung der Aussichtsplattform, von wo aus man einen fantastischen Blick auf den Okavangofluss hat. Kaum nimmt man dort Platz, ist auch das nächste Mitglied des Begrüßungskomitees zur Stelle: Ottie. Er springt dem Gast ungebeten auf den Schoß und heißt ihn mit einem herzhaften Biss in Hand oder Arme willkommen.

Ottie und Bok sind die jüngsten Mitglieder der Familie Paxton, die seit 1999 bei Katere am Kavango, rund 130 Kilometer östlich von Rundu, ein Zeltlager und Bungalows für Touristen betreibt. Bok, wie der Name schon vermuten lässt, ist ein zahmer Ziegenbock, kastriert. Ottie ist ein Kapotter (Aonyx capensis) und gilt als das Baby der Familie, obwohl er mit seinen 19 Monaten längst ausgewachsen ist. Markantes Merkmal dieser auch als Finger- oder Weißwangenotter bekannten Unterfamilie der Otter: Bei ihren Vorderpfoten sind die Krallen so stark zurückgebildet, dass sie menschlichen Fingernägeln ähneln.

Es ist fünf Uhr nachmittags, Zeit für einen Tee - und für Otties Flasche. Mark Paxton breitet ein großes Handtuch auf seinen Beinen aus. Ehefrau Charlie reicht ihm die aufgewärmte Milch in einer Schnullerflasche, und Ottie, sein dichtes, glattes Fell noch klitschnass vom Tauchen im Swimming Pool, macht es sich auf Marks Schoß gemütlich. Wie ein Baby liegt er in den Armen von Papa Paxton, seine braunen Fingerchen packen mit sicherem Griff die Flasche, und dann nuckelt er mit selig verklärtem Blick. Hin und wieder legt er eine Pause ein und scheint dem Gespräch der Erwachsenen zu lauschen, dann aber greifen seine Händchen wieder fest zu, und mit schmatzenden Geräuschen leert er in gierigen Zügen seine Milchflasche.

Ottie war erst wenige Wochen alt und wog gerade mal zwei Kilogramm, als einer der Arbeiter von Shamvura ihn verlassen auf den Flutebenen am Flussufer des Kavango fand. "Daar's nie Ma nie en daar's nie Pa nie" (Da ist keine Mutter und da ist kein Vater), meldete der Angestellte seinem Boss. Nach einem Anruf bei der Naturschutzbehörde nahm Mark Paxton das Waisenkind mit nach Hause.

Der einstige Etoscha-Ranger ist bekannt dafür, elternlose Vierbeiner jeder Art aufzupäppeln. Er und seine Frau Charlie nahmen im Laufe ihrer 26-jährigen kinderlosen Ehe bereits zahllose verwaiste Antilopen, Wildkatzen, Geparden und selbst Raubvögel unter ihre Fittiche. Mark fängt auch Schlangen, und das bleibt nicht immer ohne Folgen. Rund 19 Mal, schätzt er, wurde er gebissen. Beim letzten Mal war's verdammt knapp, da erwischte ihn eine Schwarze Mamba. Ihr Nervengift ist tödlich, wenn das Opfer nicht innerhalb weniger Minuten mit dem entsprechenden Schlangenserum behandelt wird. Mark Paxton allerdings ist allergisch gegen Schlangenserum. Was ihn rettete, war die Injektion einer Überdosis Kortison, die ihm Ehefrau Charlie, gelernte Krankenschwester, verabreichte.

Ottie ist da ein vergleichsweise harmloses Mitglied des Paxtonschen Heimzoos. Sollte seinem Ziehvater Gefahr drohen, dann würde er den Angreifer beißen, ganz so wie ein treuer Hund, der sein Herrchen beschützt. Normalerweise aber sind Otties Bisse spielerisch und sanft. Nachmittags tollen der Kapotter und sein Papa über den Rasen, Ottie ist unermüdlich und gibt erst dann wieder Ruhe, wenn die Familie - inklusive Ziegenbock - vor dem Fernseher Platz genommen hat. Dann wartet der Otter auf sein nächtliches Kuscheltuch - das T-Shirt, das Mark Paxton tagsüber getragen hat. Ottie zieht sich damit unter den Küchentisch zurück und "macht seine Computergeräusche", wie die Paxtons das nennen: kleine Piepser und Seufzer, Ausdruck höchster Otter-Zufriedenheit.

Eingewickelt in das nach Paxton-Schweiß duftende T-Shirt wird Ottie schließlich ins Bett gebracht. Morgens die immer gleiche Routine: "Er weckt mich, indem er sich auf mein Gesicht legt", erzählt Mark. "Wenn das nicht funktioniert, dann versucht er mir mit seinen kleinen Händchen Augen und Mund aufzusperren."

Tagsüber verschwindet Ottie in der Flussebene. Das Jagen muss er im Fischteich von Shamvura gelernt haben, vermuten die Paxtons. Dort hat er die großen Fische bereits dezimiert, "und täglich sorgt er für das Fitnesstraining der kleinen", kommentiert Mark. Zwar bekommt der stramme Vierbeiner mit dem muskulösen Schwanz im Hause Paxton immer einen kleinen Nachtisch, aber für seinen Lebensunterhalt sorgt er selbst.

Später, als das Shamvura-Motorboot mit Gästen über den Kavango schippert, wird neben Krokodilen, Flusspferden und zahllosen Vogelarten auch ein Kapotter gesichtet. Er hält eine soeben gefangene Beute zwischen den Vorderpfoten und mampft genüsslich daran herum, während seine Hinterpfoten Wasser treten. Neugierig blinzelt er zum wenige Meter entfernten Motorboot hinüber. Ist das etwa Ottie? Der Kapotter taucht unter und schaut Sekunden später an anderer Stelle wieder aus dem Wasser - immer noch Wasser tretend, kauend und interessiert das Boot betrachtend. Ob es sich um unseren Ottie handelt oder einen nahen Verwandten, ist auf die Entfernung schwer zu erkennen.

Es könnte Ottie gewesen sein, der hier in seiner natürlichen Umgebung keine Zeit hat für Menschenspiele. Vielleicht war es aber auch die süße Otterdame, die ihm eines Tages Dinge zeigen wird, die ihn seinen Fünf-Uhr-Tee auf Shamvura vergessen lassen werden.

Kontakt:
Shamvura, Postfach 183, Rundu, Tel. +264-66-256179, Fax +264-66-258297, E-Mail: [email protected], www.orusovo.com/shamvura.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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