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Terroranschlag in Nigeria - Der Ölstaat kommt nicht zur Ruhe

In Nigeria spitzt sich die Lage im Norden des Landes immer weiter zu. Nachdem es bereits Ende vergangenen Jahres und zu den Wahlen im April zu einigen Terrorakten gekommen war, sind nun am Wochenende bei einem Anschlag mutmaßlicher Islamisten auf ein Bierlokal im Nordosten des westafrikanischen Ölstaates bis zu 30 Menschen getötet worden.

Wie die nigerianische Zeitung "Daily Sun" berichtete, hätten etwa zehn Mitglieder der radikalislamischen Sekte Boko Haram am frühen Sonntagabend in der bereits mehrfach von ihr heimgesuchten Stadt Maiduguri das Feuer auf die Gäste eines beliebten Biergartens eröffnet. Dabei hätten die auf Motorrädern vorgefahrenen Terroristen willkürlich in das voll besetzte Lokal geschossen. Nach Informationen des arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira wurden auch Sprengsätze geworfen.

Nach Angaben von Beobachtern lehnen die Mitglieder der Sekte den westlichen Lebensstil grundsätzlich ab, etwa das Trinken von Alkohol aber auch jede andere Form von Luxus wie etwa den Besitz von Möbeln. Die Gruppe, die sich selbst als "nigerianische Taliban" bezeichnet, hat in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Polizeistationen und christliche Kirchen angegriffen. Ihre Führung verlangt, die im Norden geltenden islamischen Schariagesetze auf ganz Nigeria auszudehnen. Allerdings ist unklar, ob die Gruppe von der islamischen Terrorgruppe Al Qaida inzwischen finanziell und logistisch unterstützt wird. Dass es enge Kontakte gibt, gilt als sicher. Schätzungen über die Größe von Boko Haram, das in der Hausa-Sprache "westliche Bildung ist sündig" heißen soll, reichen von einem harten Kern zwischen 50 und 500 militanten Mitgliedern. Allerdings verfügt die Gruppe als Reaktion auf das harte Vorgehen der Polizei gegen die Gruppe über viele Sympathisanten.

Der Anschlag selbst ist nur ein weiteres Kapitel in dem seit nunmehr zehn Jahren schwelenden Konflikt zwischen Christen und Muslims in der Region. Der größte Unruheherd liegt in den nigerianischen Bundesstaaten Plateau und Borno, die die Front in dem blutigen Kampf zwischen beiden Religionsgruppen bildet. Nach Schätzungen des nigerianischen Roten Kreuzes sind seit 2001 über zehntausend Menschen bei immer neuen Pogromen zwischen Christen und Muslims in dem westafrikanischen Ölstaat getötet worden.

Allerdings ist die Gewalt mehr als nur ein Kampf zwischen den Religionen und ihrem Glauben. So gelten die muslimischen Gruppen in der Provinz noch immer als Siedler, was sie von vielen politischen Positionen ausschließt und zu großem Frust führt. Doch genau die gute politische Verdrahtung eröffnet in Nigeria noch immer die beste, weil oft einzige Gelegenheit, zu Einfluss und Wohlstand zu gelangen. "In Nigeria kämpft kaum jemand um das religiöse Paradies, sondern allein um die politische Kontrolle", sagt Shedrack Best, Direktor am Zentrum für Konfliktmanagement an der örtlichen Universität der Stadt Jos.

Was oberflächlich betrachtet wie ein Krieg der Religionen aussieht, ist zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil auch ein Kampf um die knappen Ressourcen. Das mit fast 150 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Land Afrikas hat inzwischen nach der langen Herrschaft des Militärs zwar eine gewählte Regierung, aber noch immer keine staatlichen Institutionen, die die Konflikte der mehr als 250 Volksgruppen kanalisieren und entschärfen könnten. Umso stärker klammern sich die verarmten Menschen nun in Nigeria, wie auch in vielen anderen Teilen Afrikas, an die eigene Volksgruppe oder die Religion.

In den letzten Jahren haben die Spannungen zwischen Muslims und Christen in Nigeria ständig zugenommen. Verschärft wird die Lage seit der Jahrtausendwende durch die Einführung der Scharia, des islamischen Rechts, in den muslimisch dominierten, nördlichen Bundesstaaten. Besonders kontrovers ist dabei, dass die Scharia von der muslimischen Mehrheit dort auch gegenüber anderen religiösen Minderheiten angewendet wird, obwohl ein solcher Schritt eigentlich gegen die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit verstößt.

Hinzu kommt, dass der Islam vor dem Hintergrund von Staatsverfall und Korruption den Menschen in Afrika oft eine einfache aber effektive Form von Gerechtigkeit und Ordnung verspricht: Wer stiehlt, dem wird die Hand abgehackt, wer als Frau fremdgeht, wird gesteinigt, Alkohol oder Prostitution sind streng verboten. Oft sind die drakonischen Strafen der Scharia tatsächlich in der Lage, die hohe Gewalt zumindest oberflächlich zu mindern. Dass die Urteile der islamischen Gerichte eigentlich gegen die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit aber auch die Menschenrechte verstoßen, stört unter den widrigen Umständen nur Wenige.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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