Tokyo Sexwale – Südafrikas Anwärter auf den FIFA-Thron
Leicht geht der Name des Unternehmens nicht von der Zunge: Mvelaphanda ist ein Wort aus der südafrikanischen Vendasprache und bedeutet so viel wie Fortschritt. Kaum weniger ungewöhnlich, klingt der Name des Mannes, der das Geschäftsimperium kontrolliert und bereits als möglicher Nachfolger von FIFA-Präsident Sepp Blatt gehandelt wird: Tokyo Sexwale (ausgesprochen: Sechwale, wobei das „ch“ wie im deutschen „ach“ artikuliert wird). Den Spitznamen „Tokyo“ erhielt Gabriel Mosima Sexwale von Freunden wegen seiner früheren Leidenschaft für den Karatesport.
Mit dem 62-Jährigen klopft nun ein Mann an die Tür des Welt-Fußballverbands, dem „der Geruch von Neutralität“ anhaftet, wie sein Fürsprecher Franz Beckenbauer ausdrücklich lobt — und den daher womöglich auch andere Europäer am Ende attraktiv finden könnten. Allerdings ist die Erfahrung des Südafrikaners in Sachen Fußball überschaubar: So arbeitete Sexwale bislang nur in der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung und unterstützte darüber hinaus das Organisationskomitee der WM 2010 in seiner Heimat Südafrika.
Scheller Aufstieg
Seinen kometenhaften Aufstieg vom Widerstandskämpfer zum reichen Geschäftsmann verdankt Sexwale einem Mix aus viel Charisma und Geschäftssinn, aber auch seiner langjährigen Zugehörigkeit zur Führungsriege des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), der Südafrika seit Ende der Apartheid regiert. Nicht wenige, die ihn kennen, beschreiben ihn als geborenen Geschäftsmann, den einst nur die Umstände in den Widerstand getrieben hätten. Dies mag auch erklären, warum der Mann, der lange als potenzieller Anwärter auf das höchste Staatsamt in Südafrika galt, zu einem der führenden schwarzen Geschäftsleute am Kap aufgestiegen ist. Sein Privatvermögen wird inzwischen auf mehr als 100 Millionen US-Dollar geschätzt.
Geholfen hat Sexwale dabei das Bestreben des ANC, den Schwarzen am Kap nach dem politischen Umbruch 1994 auch wirtschaftlich den Rücken zu stärken. Das Schlagwort heißt nun Black Economic Empowerment (BEE). Wer als Unternehmen in Südafrika keine schwarzen Partner oder Aktionäre hat, braucht sich um viele lukrative staatliche Aufträge gar nicht erst zu bewerben. Die von Sexwale gegründete Mvelaphanda Holding ist seit der Jahrhundertwende vor allem in der Förderung von Platin, Gold und Diamanten aktiv. Daneben hält sein Unternehmen Anteile an einem großen Baukonzern sowie einer Bankengruppe.
Sexwales Lebenslauf steckt voller Brüche: Schon 1974, gleich nach Abschluss eines Wirtschaftsdiploms, geht der Sohn eines Johannesburger Krankenhausangestellten in den Untergrund, um gegen das Apartheidregime in Südafrika zu kämpfen. Wie viele andere junge Widerständler schickt ihn der ANC, damals noch Befreiungsbewegung und am Kap verboten, zur Ausbildung an eine Moskauer Militärakademie. Dem Kommunismus kann er aber angeblich schon damals wenig abgewinnen.
Ende 1976, wenige Monate nach den blutigen Schülerunruhen von Soweto, kehrt Sexwale gemeinsam mit einer Gruppe Guerillas illegal nach Südafrika zurück. Doch schon beim Übertritt kommt es zu einem Zwischenfall, als er, wie vorher vereinbart, versucht, einen vorbeikommenden Lieferwagen anzuhalten. Der Fahrer ist jedoch nicht der versprochene Verbindungsmann, sondern ein argwöhnischer Polizist. Auf dem Weg zur Passkontrolle schleudert Sexwale eine Handgranate ins Fahrerhaus. Wenige Wochen später wird er verhaftet und 1978 zu 18 Jahren Haft auf der Sträflingsinsel Robben Island verurteilt, von denen er 13 absitzt.
Kontakt zu Mandela
Auf der Insel trifft er nicht nur den großen Freiheitskämpfer und späteren Präsidenten Nelson Mandela, sondern auch seine (weiße) Frau Judy, eine Rechtsreferendarin, mit der er zwei Kinder hat – und von der er sich gerade nach einem erbitterten Rosenkrieg getrennt hat. Die vielen unschönen Details, die dazu durch die Presse geisterten, darunter sein angeblich extrem herrisches Auftreten, haben seinem Ruf am Kap Schaden zugefügt.
Nach der Wiederzulassung des ANC profitiert Sexwale von der Amnestie für politische Gefangene. In der ersten Regierung nach der Apartheid-Ära offeriert ihm Mandela den Posten des Premiers in der Provinz Gauteng, Südafrikas wirtschaftlicher Schlagader mit Johannesburg als Zentrum. Doch es soll nur ein kurzes Gastspiel bleiben. Verbittert darüber, Mandela nicht beerben zu können, zieht sich Sexwale enttäuscht aus der Politik zurück und geht in die Geschäftswelt. Erst 2009, kurze Zeit nach einer ANC-Palastrevolte gegen Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki, kehrt Sexwale als Minister für sozialen Wohnungsbau in das Kabinett des aus den Diadochenkämpfen siegreich hervorgegangenen neuen Präsidenten Jacob Zuma zurück.
Rückzug aus der Politik
Doch es ist erneut nur ein kurzer Auftritt: Wegen seiner kaum versteckten präsidialen Ambitionen wirft ihn Zuma kurzerhand aus dem Kabinett. Es rächt sich nun, dass Sexwale, anders als der Zulu Zuma, keine eigene Machtbasis im ANC hat und mit den Vendas nur einer kleinen Volksgruppe angehört. Hinzu kommt, dass der ANC seine Präsidentschaftskandidaten noch immer kollektiv bestimmt und Machtansprüche von Einzelpersonen, wie sie Sexwale ganz unverblümt anmeldet, dort noch immer als verpönt gelten.
Dennoch überrascht es nicht wenige Beobachter, dass nach dem gerade erst publik gewordenen Bestechungsskandal um die Vergabe der Fußball-WM 2010 nach Südafrika nun ausgerechnet ein Vertreter dieses Landes zum neuen Chef der FIFA aufsteigen soll. Von den zehn Millionen US-Dollar, die Südafrika angeblich für den Erhalt seiner WM an die FIFA gezahlt haben soll, will Sexwale nichts gewusst haben. Stattdessen ist er mittlerweile in die Offensive gegangen — und fordert nun lautstark Aufklärung über den Verbleib des Geldes, über das er dank seiner direkten Beteiligung an der Bewerbung eigentlich besser Bescheid wissen müsste. Andere Beobachter sehen die Nominierung pragmatischer. Sie weisen darauf hin, dass die nun von Sexwale offenbarte Chuzpe kein Nachteil für einen FIFA-Präsidenten sein muss — sondern womöglich eher zum Anforderungsprofil für diesen Posten zählt.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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