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Tsunami-Opfer Barbara Fobian: "Es war trotzdem ein Traumurlaub"

Barbara Fobian ist rüstig. "Mir geht's gut. Ich habe keine Albträume und ich schlafe so gut wie eh und je", erzählt die quierlige 75-Jährige. Als eine von drei Namibiern hatte sie am zweiten Weihnachtstag des vergangenen Jahres die Flutwelle auf der thailändischen Insel Phuket miterlebt - und überlebt. "Ich muss einen ganz besonderen Schutzengel gehabt haben", sagt Barbara Fobian. Eine ganze Reihe von glücklichen Zufällen haben ihr das Leben gerettet, glaubt die deutschsprachige Namibierin.



Frau Fobian kramt ihr Fotoalbum hervor. Ein Elefantenkopf ziert den Einband des Albums, auf dem in schnörkeliger Schrift "Thailand" zu lesen ist. Drinnen Postkarten von der Urlaubsinsel Phuket, Fotos von Barbara, ihrem Sohn Jacques und dessen Freundin Elmarie vor türkisblauem Meer. Das Dreiergespann beim Elefantenritt, Bilder vom schillernden Nachtleben auf Patong Beach, von der Weihnachtsfeier im Hotel, fein säuberlich ausgeschnittene Zeitschriftenfotos von tropischen Früchten - "das Obst hat einfach unglaublich gut geschmeckt". Lauter Erinnerungen an einen Traumurlaub. Ein solcher bleibt er auch für die rüstige Rentnerin - trotz der traumatischen Erlebnisse vom 26. Dezember. Barbara Fobian erzählt:



"Mein Sohn hatte mir die Reise nach Thailand zum 75. Geburtstag geschenkt. Ich war natürlich furchtbar aufgeregt. In meinem Alter noch eine solche Reise! Die Insel Phuket ist bezaubernd. Patong Beach, wo wir gewohnt haben, soll einer der schönsten Strände der Welt sein. Jeder, der einmal da war, will wieder hin. Eine atemberaubende Landschaft, und die Menschen so nett - es war ganz toll!

Ich bin morgens nach dem Frühstück immer an den Strand. Das Meer ist lauwarm, man kann hineinlaufen, und das Wasser ist blau, blau, blau. Sagenhaft schön. Am Morgen des 26. Dezember bin ich nicht - wie sonst jeden Morgen - an den Strand, sondern aus dem Hotel raus und drei Geschäfte weiter. Und plötzlich war das Wasser da. Auf einmal Geschreie und Gerenne. Ich habe mich umgeguckt, um zu sehen, was los ist, und da war ich auch schon oben in der Luft. Ich wusste überhaupt nicht wie mir geschieht. Jedes Mal hat man nur versucht Luft zu holen und dann war man wieder unter Wasser.



Ein blonder Schopf in der Flut

Ein deutsches Ehepaar hat mich gerettet. Der Mann hat meinen Kopf an den Haaren aus dem Wasser gehoben und mich dann wohl auf eine Strandliege gezogen. Dann wurden wir in eine Seitenarkade gegen eine Mauer gespült. Die Mauer ist zusammengebrochen und dahinter haben wir eine Wendeltreppe gesehen, die zu einem Balkon führte. Da haben die mich drauf gezogen und dann lagen wir auf diesem Balkon. Das war im zweiten Stockwerk, so hoch war das Wasser.

Wir waren natürlich total zerschürft, ich habe keine Luft bekommen, mein Arm stand irgendwie in einem komischen Winkel ab. Dann kamen diese beiden Thai-Mädchen aus einem Stockwerk höher und haben uns Handtücher gebracht und mir ein T-Shirt. Meine Bluse war ja zerrissen. Sie haben uns auch Jod gebracht. Die Thai-Leute waren einmalig. Sie selbst hatten alles verloren, und trotzdem haben sie uns geholfen, wo sie nur konnten.

Der deutsche Mann meinte, dass wir dort etwa zwei Stunden lagen. Mir kam es nicht so lang vor. Wir waren etwa fünf Straßen vom Strand entfernt, so weit hat es uns weggespült. Als das Wasser zurückgegangen ist, wollte der Mann Hilfe holen. Seine Frau wollte nicht dableiben und ist mit ihrem Mann runter. Ich lag da. Dann kam ein junger Italiener und hat gesagt, ich muss weg, weil sie eine zweite Flutwelle erwarten. Aber ich konnte mich kaum bewegen, ich war schon so steif. Also kam er auf den Balkon und hat mir heruntergeholfen. Im Wasser waren noch zwei Thai-Männer, die mitgeholfen haben. Die haben mich in einen Gartenstuhl gesetzt und über eine Mauer gehievt und sind mit mir in dem Stuhl auf die Straße gerannt. In diesem Moment kam eine Ambulanz angefahren. Die war schon voll, aber das hat niemanden gestört. Tür auf und ich wurde auch noch rein geschoben.



"Patong gone"

Die Ambulanz fuhr und fuhr, bestimmt eine Dreiviertelstunde lang. Ich habe natürlich nicht gewusst, dass die uns nach Phuket-City bringen, das ist die Hauptstadt in der Mitte von der Insel, und wir waren ja zuvor am Strand. Ich habe später erfahren, dass das Krankenhaus in der halben Stunde, in der ich dort eingeliefert wurde, 680 Patienten aufgenommen hat. Was mir geholfen hat, ist, dass sie mir gleich eine Tetanusspritze gegeben haben. Das hat die deutsche Frau nicht gekriegt, denn die bekam später eine Blutvergiftung. Wir waren ja alle voller Schnitte und Kratzer. Sehr viele Menschen sind an Blutvergiftung gestorben, es gab nicht mehr genug Tetanusspritzen.

Immer wieder kam jemand mit Schmerz- und Beruhigungstabletten. Ich wollte nur, dass jemand meinen Sohn anruft und ihm sagt, dass ich lebe. Mein Sohn und seine Freundin, erfuhr ich später, waren im Hotel und hatten noch geschlafen. Sie ist wach geworden durch das Geschrei auf den Straßen. Die beiden unteren Stockwerke vom Hotel waren völlig kaputt. Wir hatten im dritten Stock gewohnt, das war unser Glück.

Jedes Mal wenn jemand kam, der Englisch sprechen konnte, habe ich gebettelt: 'Please phone Patong Beach Hotel and tell my son that I'm alive'.

Da gucken die mich an und sagen: 'Patong gone.'

Patong gone? Ich war doch grad heute Morgen da gewesen! Das ist der schönste Strand, den es überhaupt gibt, wie kann sowas 'gone' sein?

So ging dann Stunde um Stunde vorbei. Dann kamen die Ärzte und haben mich geröntgt. Ein Arzt meinte in gebrochenem Englisch: 'Nothing broken, lucky lady!'

Ich konnte dieses 'lucky lady' nachher nicht mehr hören, das hat mir jede Schwester gesagt. Dann kam dieser junge Arzt und ich habe gesagt, bitte hilf mir. Mein Sohn muss wissen, dass ich lebe. Er meinte: 'Patong ist weg, da gibt es keine Elektrizität, keine Telefone, kein Wasser, da ist nichts. Hat er ein Cellphone?'

Klar hat er ein Handy, aber seine Nummer hatte ich nicht im Kopf, meine Tasche war ja weg, meine Papiere, mein Geld, meine Schuhe, alles war weg. Er meinte: 'All gone, all gone. If your son is clever, he will find you.`



Tränen beim Wiedersehen

Irgendwann wurde ich plötzlich auf eine Liege gelegt und in ein Einzelzimmer gebracht. Das kann ich bis heute noch nicht verstehen, das Krankenhaus war ja total überfüllt. Alle halbe Stunde kam jemand und hat Blutdruck und Herzschlag gemessen und mir Pillen gegeben. Und immer wieder: 'lucky lady'.

Um halb elf Abends ging die Tür auf, und da stand mein Sohn. Er war kreidebleich, bei seiner Freundin liefen nur die Tränen. Er holt sein Handy raus und ruft seinen Bruder in Walvis Bay an und ich höre nur wie er sagt: 'Ich hab' sie gefunden. Sie ist da. Sie liegt hier vor mir', und er gibt mir das Handy.

Aber Marcel, mein Sohn in Walvis Bay, hat geweint. Ich hab gesagt: 'Ich kann nicht mit ihm reden, der weint', und ich hab Jacques das Handy zurückgegeben. Mein Sohn guckt mich nur die ganze Zeit so an und sagt schließlich: 'Du kannst doch gar nicht mehr gucken durch diese Brille', und er gibt sie seiner Freundin zum Putzen. Da habe ich erst gemerkt, dass ich meine Brille noch auf der Nase hatte.

Mein Sohn und seine Freundin mussten dann wieder gehen, aber von da ab war ich ganz beruhigt. Ich wurde an den Tropf gehängt, denn trinken und essen konnte ich nicht. Nachmittags um drei am nächsten Tag kamen die Beiden dann wieder. Sie haben mir Kleider gebracht und mich geduscht, dafür hatten die Schwestern natürlich keine Zeit.

Jacques hatte durch einen Bekannten gehört, dass Südafrika ein Flugzeug schickt, um alle Südafrikaner zu evakuieren. Es hieß, dass es 200 Plätze gibt, und es sollten etwa 300 Südafrikaner auf Phuket sein. Wir saßen dann am Flughafen und haben gewartet. Wir waren etwa 30 Leute. Alle, die da waren, hatten jemanden verloren. Ein kleines Mädchen - deren Mutter war ertrunken. Die eine Dame hatte ihren Mann verloren. Die eine junge Frau ihren Vater. Da war ein Mann mit Zwillingen, da ist die Mutter ertrunken. Wir waren die einzigen Drei, die als Familie noch komplett waren.

Schließlich kam das Flugzeug mit Ärzten und Sanitätern und Schwestern vom Krisenzentrum der Universität Witwatersrand. Die sind dann erst mal losgezogen durch die Krankenhäuser und Hotels und haben noch Südafrikaner gesucht. Am Ende waren wir etwas über 60 Leute. Abends sind wir dann ins Flugzeug. Sie haben aus den Sitzen Liegen gemacht für jeden und jeder hat Beruhigungsmittel bekommen und es hieß: Wir müssen jetzt schlafen.

In Johannesburg hat mein Sohn mich am nächsten Tag zur Klinik gebracht. Ich habe einen neuen Gips bekommen, nachdem man gemerkt hatte, dass das Gelenk völlig ausgekugelt war. Die wollten mich operieren. Aber mein Sohn hat gesagt: 'Das kommt gar nicht in Frage, sie hat doch wohl genug durchgemacht.'

In Walvis Bay bekam ich dann eine Erkältung. Mit den kaputten Rippen bin ich natürlich jedes Mal durch die Decke gegangen, wenn ich husten musste. Irgendwie muss mich ein großer Stoß in die Seite getroffen haben, die Lunge und die Rippen waren eingequetscht. Aber jetzt ist wieder alles orrait.



Barbaras Schutzengel

Ich weiß bis heute nicht, wie ich das alles deuten soll. Ich muss einen Schutzengel gehabt haben, der einmalig war. Sonst bin ich jeden Morgen, jeden der zehn Tage in Patong Beach, nach dem Frühstück ins Wasser gegangen. An diesem einen Morgen aber nicht. Das hat mir das Leben gerettet, denn alle, die am Strand waren, sind ertrunken. Das ist ja logisch. Normalerweise bin ich immer rechts vom Hotel aus die Straße hoch gelaufen, weil da eine deutsche Bäckerei war und eine deutsche Buchhandlung. Dieses Mal bin ich zum ersten Mal links entlang gelaufen, weil ich vom Auto aus am Tag zuvor einen Postkartenstand gesehen hatte. Da wollte ich hin.

Das nächste Glück war, dass diese Deutschen mich an den Haaren aus dem Wasser gezogen haben, dass wir auf dem Balkon gelandet sind, dass genau in dem Moment eine Ambulanz kam, als ich auf die Straße getragen wurde. Dass ich als einer der ersten in das große Krankenhaus in Phuket-City kam, wo sie noch Tetanusspritzen hatten. Wenn man sich das alles überlegt: Es ist so unglaublich.

Ich glaube mein Sohn Jacques hat schlimme Stunden erlebt. Das hatte ich gar nicht mitgekriegt, er hat auch weiter nichts gesagt. Aber Marcel hat es mir später in Walvis Bay erzählt. Er meinte: 'Du weißt gar nicht, was der Jacques durchgemacht hat.` Jedes mal wenn sie Leichen gefunden hatten, ist er da hin und hat mich gesucht. Er war ganz verzweifelt und hat in allen Krankenhäusern gesucht. Er hat immer wieder in Walvis Bay seinen Bruder angerufen und gesagt, er findet mich nicht. Er war dann schließlich bei einem Bekannten, der eine kleine Bar hatte. Dort waren wir öfters zum Sundowner gewesen. Da hat einer von den Gästen erzählt, dass Phuket-City ein großes Krankenhaus hat, das alle aufgenommen hat, die nicht mehr in die kleinen Krankenhäuser an den Stränden gepasst haben. Diese Krankenhäuser hatten ja keinen Strom mehr, da ging nichts. Jacques hat also dort angerufen. Aber die konnten den Namen Fobian nicht schreiben. Also sagten die: 'Nee, eine Fobian haben wir nicht. Eine Dame in dem Alter ist da, aber die heißt Barbara.' Da wusste mein Sohn, dass ich das bin.



Die Retter aus Deutschland

Inzwischen konnte ich mich auch bei dem deutschen Ehepaar bedanken, das mich gerettet hat. Ich wusste ja gar nichts von denen. Als der Mann mich aus dem Wasser gezogen hat, hat er zuerst Englisch mit mir gesprochen. Als wir dann auf dem Balkon lagen, hat er mit seiner Frau Deutsch gesprochen. Sie hat geweint und er hat sie getröstet. 'Uns passiert nichts, wir kommen doch schon 14 Jahre hier her.` Diese 14 Jahre sind bei mir hängen geblieben. Ich fragte: 'Sind sie deutsch?'

Er: 'Ja. Woher kommen Sie?'

Ich sagte: 'Aus Namibia.'

Aber das war alles, was wir voneinander wussten. Ich bekam dann in Johannesburg einen Anruf von einer Bekannten, die über die Allgemeine Zeitung erfahren hat, dass das deutsche Ehepaar mich sucht. Dieses Originalmail wurde uns dann nach Johannesburg gemailt, und von da aus haben wir Kathi und Adolf Ruschitschka in Deutschland angerufen. Er war völlig hin und weg, dass er mit mir reden konnte. Seine Frau hat das alles sehr mitgenommen.

Ich würde jederzeit wieder nach Phuket fliegen, wenn ich die Gelegenheit hätte. Diese Insel ist so traumhaft schön, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich würde jederzeit wieder hin. So eine Katastrophe passiert schließlich nur einmal und nicht wieder."

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-17

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