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Tulbagh: Ein Bummel durch ein kapholländisches Städtchen aus dem 18. Jahrhundert

Das erste Mal besuchten wir Tulbagh vor ein paar Jahren, an einem heißen Sommertag auf dem Rückweg aus den Ferien ans Kap. Die Sonne glühte vom wolkenlos blauen Himmel, die Bougainvilla leuchteten rot vor den weiß getünchten Mauern der kapholländischen Häuser - die Zeit schien hier stehen geblieben zu sein. Alles atmete historische Atmosphäre. Wir beschlossen nur ein Eis zu essen, und die 120 km bis Kapstadt weiterzufahren?

Das nächste Mal war südafrikanischer Winter, Ende Juni in Tulbagh. Wir besuchten ein Weihnachtskonzert mit Mimi Coertze in der historischen Oude Kerk (Alte Kirche). Das "Christmas in Winter Festival" ist nämlich eine der Haupt-Attraktionen die das Städtchen Tulbagh zu bieten hat, ein "beinahe echtes" Weihnachtsfest, mit Christbaum, Kerzen und manchmal sogar echtem Schnee auf den über 2000 m hohen umliegenden Bergen.

Die historische Church Street von Tulbagh ist der wohl seltene Ideal-Fall eines gesamten Straßenzuges, der komplett mit all seinen Häusern unter Denkmalschutz gestellt wurde. Gleich zu Beginn steht die bereits erwähnte Oude Kerk, die älteste Kirche Südafrikas, die mit ihrer unvergleichlichen kapholländischen Architektur nicht nur als schöner Rahmen für Konzerte dient, sondern auch als Museum für Mobiliar, feines Porzellan und Glas.

Gegenüber im Haus Nr. 4 ist eine umfangreiche Ausstellung untergebracht, wo man sich nicht nur ein wenig mit der Historie vertraut machen kann, sondern wo auch die Originalfotos des Erdbebens von 1969 zu sehen sind. Nur 30 Sekunden hatten die Erschütterungen damals angedauert, aber die Stärke von 6,4 auf der Richterskala reichte aus, um einen Großteil der historischen Gebäude zu zerstören und neun Menschen zu töten. Man ist zu Recht stolz darauf, dass es möglich war, mit großem Einsatz alles wieder im Original-Stil aufzubauen. "Es ist unser Wunsch, dass es auch den zukünftigen Generationen möglich sein wird, sich an den kulturellen Schönheiten und der Natur von Tulbagh so zu erfreuen, wie wir es tun. Bitte helfen Sie uns, dieses Erbe zu erhalten", steht auf einer Tafel geschrieben.

Gleich daneben ist das Tourismus-Büro untergebracht, wo Patty und Mariana jedem Besucher gerne über Tulbagh und die umliegenden Weinfarmen Auskunft geben. Denn das ist ein weiterer Anziehungspunkt für Touristen: der erstklassige Wein und die diversen, attraktiven Weinkeller der Tulbagh Wine Route, die zum Verkosten edler Tropfen einladen.

Wir bummeln weiter zu Haus Nr. 12, gebaut 1794, das älteste Haus in der Church Street, wo uns Carol Collins in ihrem Readers Restaurant mit originellen Rezepten verwöhnt. Jeden Tag wechselt sie die Speisekarte, um auch wirkliche Frische zu gewährleisten .Nichts lässt erkennen, dass einst in diesem Haus für über 100 Jahre die Schule untergebracht war, alles ist heute sehr originell und farbenfroh eingerichtet und der Name Readers (der Leser) kommt von der Bezeichnung des Vorlesenden in der Kirche während des Gottesdienstes.

Ein weiteres sehr bekanntes Restaurant ist schräg gegenüber zu finden, das "Paddagang" auf Nr. 23. Es ist, neben dem Danie-Theron-Haus Nr. 21, eines der wenigen Häuser auf der linken Straßenseite der Church Street. Vor vielen Jahren machte ich hier meine ersten Erfahrungen mit der echten, traditionellen Kap-Küche, Haferflockensuppe, Süßkartoffeln und Potjiekos sind mir seither ein Begriff, natürlich auch seine berühmten Weine (die mit dem Frosch!).

Wir spazieren weiter die Church Street entlang. Wenn Sie gerne einmal so richtig nostalgisch kapholländisch wohnen wollen, unter riedbedecktem Dach, kunstvoll verziertem Giebel mit historischem Mobiliar und altem blauen Porzellan zum Frühstück? Dann sollten Sie sich im "Tulbagh Country House" Nr. 24 einquartieren, es ist das ehemalige Postmeisterhaus aus dem Jahre 1809. Selten habe ich so viel gemütliche Atmosphäre verspürt wie hier, der echte Holzfußboden, die alten Lüster von der Decke. Jenny, die Besitzerin ist eine ganz zauberhafte Gastgeberin, die jedem Besucher die Wünsche von den Augen abliest. Sie ist ehemalige Designerin und hat genau das richtige Gefühl für alte Stoffe und antikes Möbel, jedes Detail ist von ihr harmonisch ausgewählt.

Neu restauriert und wiedereröffnet wurde das 4 Sterne "Tulbagh Hotel" mit seinem gemütlichen, traditionellen Englischen Pub. Auch das "Busy Bee Craft Centre" wurde neu eröffnet, wo lokales Kunsthandwerk, Bilder, Keramiken und Handarbeiten angeboten werden, sowie künstlerische Kurse, auch für Touristen.

Noch etwas anderes haben wir direkt im Ort entdeckt, eine Schuhfabrik, "Tarzan Shoes". Besitzer sind Johan und Hannah Olde-Olthof, er gebürtiger Holländer und sie Deutsche. Seit beide im Jahre 1965 nach Tulbagh kamen und hier eine kleine Schuhfabrik mit einer Produktion von ca. 50 Paaren pro Tag begannen, hat sich zwar die Größe des Unternehmens verändert, aber nicht die Qualität. Das Leder, darunter bestes Kudu- und Büffel-Leder, wird soweit wie möglich, noch immer von Hand verarbeitet. Heute allerdings beträgt die Produktion 750 Paar Schuhe am Tag. Sie passen wirklich prima, die Preise sind erfreulich günstig.

Rund 4 km westlich von Tulbagh liegt das Lemberg Wine Estate von Klaus und Uschi Schindler. Sie kommen aus Freiburg in Deutschland und leben seit 1994 hier. Aber sie bauen nicht nur Wein an: Inzwischen kann man bei ihnen auch Urlaub machen in einem hübsch afrikanisch eingerichteten Gästebungalow, kann den hauseigenen Wein aus handsignierten Flaschen verkosten und die wunderbare Aussicht über den See genießen. Uschi bietet nebenbei noch dreigängige Gourmet-Menüs an und Claus seine Begleitung als Berufsjäger zu Jagd-Safaris in die Umgebung. Auch hier werden die Trauben auf schonende Art nachts beim Schein von Stirnlampen gelesen - eine Spezialität dieser Gegend.

Wir besuchen die Wein- und Oliven-Farm von Toni Bianco mit dem Namen De Heuvel Estate. Gleich seiner italienischen Familie hat er sich dem mediterranen Geschmack verschrieben: Rotwein und Oliven. Und beides versucht er hier bis zur Vollendung zu verfeinern. Die Roten sind schon früh trinkbare Cabernet Sauvignon, Pinotage und besonders der Shiraz hat es mir angetan. Neu und sehr extravagant ist der weiße "Dry Muscat", eigentlich ein Widerspruch in sich, aber geschmacklich doch sehr interessant, vor allem geeignet zu sehr würzigen Speisen oder als trockener Dessert-Wein. Auch vom "Extra Virgin" Oliven-Öl nehmen wir eine Flasche mit und Tapenade (Olivenaufstrich) und Trocken-Oliven mit Knoblauch. Man fühlt sich beinahe wie in Italien?

Es gibt so viele, gastfreundliche Farmen und reizvolle Weingüter in Tulbaghs Umgebung, alle mit herrlichem Blick auf die majestätischen Witsenberg- und Winterhoek-Berge: Twee Jonge Gezellen, mit über 200 Jahren die zweitälteste noch in Familienbesitz befindliche Weinfarm Südafrikas oder direkt daneben das eben erst eröffnete, ultramoderne Saronsberg - ein interessanter Gegensatz für jeden Besucher; neu ist auch Waverly Hills mit seinen organischen Weinen aus biologischem Anbau, etabliert und international bekannt The Oude Drosty, Rijks Wine Cellar und Country Hotel, um nur einige zu nennen.

Tulbagh ist in den letzten Jahren touristisch sehr aktiv geworden und bietet auch dieses Jahr wieder verschiedene Veranstaltungen:

Am 8. und 9. April das "Tulbagh goes Dutch"-Festival, wo holländische Delikatessen, sowie auch Tulpenzwiebel angeboten werden, das bereits anfangs erwähnte "Christmas in Winter"-Festival mit Weihnachtsmarkt am 24.und 25. Juni. Am 21. bis 24. September findet die "Tulbagh Show" statt, wo Pferde, landwirtschaftliche Produkte und Wildblumen ausgestellt werden und es gibt jeden letzten Samstag im Monat einen eigenen "Farmers Markt", mit Käse, Kräuter, Oliven, Bioprodukte und Kunsthandwerk.

Das alles ist aber nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen interessanten Aktivitäten, die Tulbagh zu bieten hat.

Wenn Sie Fragen haben und Tulbagh besuchen möchten, wenden Sie sich bitte an das Tulbagh Tourism Office unter der Telefonnummer: +27-23-230 1348 und fragen sie nach Patty oder Mariana. Email: [email protected], oder Internet: www.tulbagh.com, www.tulbaghtourism.org.za.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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