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Tulpen aus Walvis Bay

Wiebke Schmidt
Rosen, damit kann man Leute locken – und vielleicht auch den neuen Liebhaber“, schmunzelt Heinke Kleyenstüber. Die 74-Jährige führt einen der ältesten Läden in Walvis Bay: Flower Box. Es ist wohl das älteste Blumengeschäft an der Küste, wenn nicht sogar in ganz Namibia. „Die Zeit ist nun aber gekommen, mich von dem Geschäft zu trennen“, ergänzt sie und blickt etwas nachdenklich auf ein paar frische, rote Gerbera.

Flower Box ist mehr als nur ein herkömmliches Blumengeschäft. Bei den Bewohnern der Küste ist der Laden zum ersten Anlaufpunkt bei besonderen Anlässen geworden und schlichtweg nicht mehr wegzudenken. Seit gut 40 Jahren befindet er sich an gleicher Stelle, wo sich später gegenüber auch das Hauptbüro von Erongo RED niedergelassen hat. Aber Flower Box ist eigentlich sogar schon mehr als 50 Jahre alt. Mit 28 Jahren als Inhaberin führt Kleyenstüber den Laden bisher am längsten. Wie viele Blumen in diesen fast drei Jahrzehnten über die Theke gegangenen sind, kann Kleyenstüber nur schätzen. „Oh man… es waren so viele“, lacht sie.

Im AZ-Gespräch erzählt Kleyenstüber mit ihrer natürlichen Gelassenheit, wie der Blumenladen in der Hafenstadt seinen kleinen Anfang feierte. Es war Frau Benetti, die damalige Eigentümerin von Supa Safe, die in den 60ger Jahren ein Blumengeschäft in der siebten Straße gründete. Nach etwa zehn Jahren dort zog Flower Box in das heutige Gebäude. Am 1. September 1990 hat dann Kleyenstüber das Geschäft übernommen. Ob sie eine Vorliebe für Blumen gehabt habe? „Nein, eigentlich nicht, ich wollte eher ein Schreibwarengeschäft führen. Mit den Blumen kam das dann einfach so“, sagt sie und ergänzt: „Aber eigentlich hatte ich von Blumen wenig Ahnung.“

Das hat sich aber schnell geändert. Nun ist sie als überall Blumen-Lady bekannt und lässt es sich nicht nehmen, die meisten Bestellungen persönlich abzuliefern. Sei es in der Stadtmitte von Walvis Bay, in Narraville, Kuisebmond, bei der Salzpfanne, in Swakopmund oder sogar in Henties Bay. „Wenn jemand aus Omaruru bestellt, dann schicken wir die Blumen mit einem Kurier-Service. Denn das ist zum Vorbeibringen dann doch ein bißchen zu weit“, meint sie.

Und was genau hat Kleyenstüber in ihrer Zeit als Blumen-Lady alles erlebt? „Viele schöne und aufregende Jahre“, sagt sie und ergänzt: Einmal kam hier ein Angler ins Geschäft, der seine Füße waschen wollte. Man haben wir gelacht“, erzählt sie schmunzelnd. Und bei Flower Box gibt es nicht nur Blumen: Öfter kommen dort Leute vorbei, die eine Adresse suchen, einen Namen, den einen oder anderen Rat und manchmal einfach Trost.

Besonders gut in Erinnerung ist für Kleyenstüber aber die Zeit vor 9/11 geblieben, also vor den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York, die selbst in Walvis Bay ihre Auswirkungen zeigten. „Davor war der Hafen ein beliebtes Ziel und jeder sah sich gern die großen Passagierdampfer an. Man konnte sogar zu einer Tasse Kaffee oder zum Sundowner aufs Schiff“, erinnert sie sich.

Sie habe dann, wenn ein großes Passagierschiff angelegt hat, im Hafen einen kleinen Blumenstand aufgestellt. „Es war schön und bunt, eine echte Attraktion.“ Finanziell hat es sich zwar nicht immer gelohnt, doch die Passagiere seien neugierig und immer für ein Gespräch bereit gewesen. „Nichtsdestotrotz gingen viele mit einem meiner Blumensträuße zurück auf das Schiff“, schmunzelt sie. Manchmal musste Kleyenstüber sogar Blumen auf dem Schiff abladen: „Meinen Mann habe ich dann mitgeschleppt, und so kamen wir auf die Queen Elizabeth und manch anderen tollen Dampfer.“

Nach den Terroranschlägen habe sich dann jedoch die Hafensicherheit deutlich erhöht und nun dürfe man nicht mehr ohne triftigen Grund auf das Gelände. „Schade eigentlich“, seufzt Kleyenstüber.

Prägnant in Erinnerung bleibt aber auch der Muttertag vor zwei Jahren - eigentlich ein Tag, an dem viele Blumen über den Tresen gehen. „Doch gerade, als die Blumen eintreffen sollten, traf uns ein Schock!“, erzählt sie. Während der Nacht sei es zu einem Kurzschluss im Geschäft gekommen und ein Teil des Ladens sei in Flammen aufgegangen. Zum Glück habe auf dem Brandherd ein großer Trinkwasser-Behälter gestanden, der den Brand gelöscht habe. Doch der Rauchschaden war bereits getan: „Alles, aber auch alles, war schwarz. Selbst die Wände und Decke“, erinnert sich Kleyenstüber.

Neben Feuerwehrmännern und Polizisten hatte sich „halb Walvis Bay“ an jenem Sonntag vor dem Geschäft versammelt. Es herrschte Krisenstimmung. Doch schnell kam Kleyenstüber eine Idee, die Situation zu retten. „Glücklicherweise konnten wir unsere Muttertagsbestellungen in unserem Innenhof unter Schattennetzen für unsere vielen freundlichen Kunden ausführen. Es war wie ein Volksfest“, erinnert sich Kleyenstüber. Denn wie für alle weiteren Blumengeschäfts ist auch bei Flower Box der Muttertag neben dem Valentinstag einer der lukrativsten. Und an diesen „helfen zum Glück dann seit vielen Jahren gute Freunde aus“, so die Pensionärin. Auch Weihnachten sei eine „sehr hektische Zeit“. „Beim Bäcker, Schlachter und im Hotel müssen die Adventskränze pünktlich aufgehängt werden. Aber woher sollen wir die Zypresse nehmen?“, fragt sie. Und: „Jedes Jahr dasselbe Problem. Zum Glück hat es bis jetzt stets geklappt.“

Doch was hat sich auf dem Blumenmarkt in fast drei Jahrzehnten verändert? Wo früher Blumenläden etwas Exklusives waren, gibt es heutzutage Blumen in fast jedem Supermarkt. Vor allem haben sich aber auch die Preise geändert, so Kleyenstüber. Sie könne sich gut erinnern, wie ein Kunde vor vielen Jahren einen Blumenstrauß für 100 Rand bei ihr gekauft habe. „Wir standen alle bewundernd um diesen Strauß und konnten es nicht glauben. Wir haben sogar Bekannte hergerufen“, erzählt sie. Und heute? „Ein Blumenstrauß für 1000 N$ ist keine Seltenheit mehr.“

Wenn es um die Führung eines Geschäfts geht, hat Kleyenstüber einen Rat: „Ich bin immer nett zu meinen Angestellten“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich habe mir das vorgenommen, weil ich selber mal einen sehr strengen Chef hatte.“ Zwar gebe es ab und zu mal Streit untereinander, aber das werde dann schnell geklärt. Schließlich seien ihre Mitarbeiter schon von Anfang dabei und nicht mehr wegzudenken.

Und was werde die Zukunft bringen? Nach 28 Jahren hat Kleyenstüber beschlossen, auch aus Altersgründen, sich von Flower Box zu verabschieden. Sie blickt auf viele schöne, aber auch lehrreiche Jahre zurück. „Ich habe viele Menschen kennengelernt und sie mich“, meint sie abschließend.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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