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Und die Maßkrüge hoch...

Irgendwann im Leben fragt sich doch jeder einmal, warum das Oktoberfest eigentlich Oktoberfest heißt, wenn es doch zum Großteil im September gefeiert wird. Zum Glück findet sich die Antwort schnell: Die Wiesn wird so früh gefeiert, weil man noch die letzten warmen Tage des Altweibersommers genießen möchte. Über zu kaltes Wetter muss man sich in Namibia keine Gedanken machen. Da muss man höchstens aufpassen, dass zu viel Bier und zu viel Sonne nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.
Na ja, in erster Linie geht es ja ums Feiern und das gesellige Beisammensein. Und auf das deutsche beziehungsweise bayrische Fest freuen sich manche Namibier das ganze Jahr. Am längsten gibt es das Oktoberfest des Sportklubs Windhoek (SKW) - genau seit 1960. Schon beim ersten Oktoberfest des SKW wurde eine Bierkönigin gekrönt. "Es war ein Volksfest für alle Sprachgruppen mit Blaskapelle", steht in der Chronik. "Frohe Feste mit Bierkönigin. Die Damen trugen Dirndl-Kleider. Es gab zahlreiche Schaubuden, Würstchen und Brathändl", heißt es zu den Festen von 1965 bis 1979.
"Das Fest ist inzwischen riesig geworden", erzählt Sabine Pampe vom SKW. "Es ist eines der größten Oktoberfeste in Namibia." Sie bekomme sogar Anfragen von Reiseveranstaltern und Anrufe aus Südafrika und Deutschland. 1500 bis 2000 Leute kommen pro Jahr - bunt gemischt, jedes Alter, verschiedene Nationalitäten. Am morgigen Samstag ab 11 Uhr ist es wieder soweit. Etwa 100 Leute aus allen Abteilungen des Vereins packen mit an. Für die Kinder gibt es Spiele, sie können Figuren aus Luftballons basteln, ihr Gesicht bemalen lassen. Die Erwachsenen stemmen Bierkrüge und zersägen Baumstämme. Die Wikaphoniker, Double Trouble und Final Chapter spielen "Oktoberfestmusik", am Abend gibt es Musik für die Jugend.
Zu essen gibt es Schweinebraten, Viertel Hühnchen, Brezn und Bratwürste und das in großer Zahl: 200 Brezn, 300 Hühnchen, 500 Bratwürste. Weißwürste gibt es dieses Jahr nicht mehr. "Die sind nicht so gut angekommen", weiß Sabine Pampe. Die Einnahmen des Festes sind für Renovierungsarbeiten bestimmt.
Nicht so groß ist das Oktoberfest der Privatschule in Omaruru, das am morgigen Samstag um 11 Uhr mit dem Frühschoppen beginnt. Ingrid Kollmitz, Schulleiterin und Vize-Vorsitzende des Schulvereins, weiß gar nicht so genau, seit wann das Fest gefeiert wird. "Ich bin aber schon 15 Jahre dabei." Es sei eines der zwei Hauptfeste, die der Schulverein organisiert, um Geld für anstehende Arbeiten in Schülerheim, Kindergarten oder Schule einzunehmen. Nicht gerade typisch bayrisch sind die gefüllten Pfannkuchen, die mittags serviert werden. Aber auch die Privatschule Omaruru hat die Erfahrung gemacht, dass Weißwürste nicht so gut ankommen. Auch auf die Brezn müssen die Besucher verzichten. Denn es gibt ein rein praktisches Problem - die Zeit vom Einkauf bis zum Verzehr: "Wenn sie ein oder zwei Tage alt sind, schmecken sie nicht mehr." Dafür gibt es aber Brathähnchen.
"Zum ersten Mal wählen wir dieses Jahr eine Bierkönigin", sagt Kollmitz. Natürlich gibt es auch Spiele für Kinder: Von der Schießbude über die Hüpfburg bis zum Krabbelsack. Carla und Ingolf spielen abends "nette Volksmusik". "Wir haben sogar Dirndl-Figuren als Deko", erzählt Kollmitz. "Die haben wir mal aus Deutschland bekommen. Jetzt werden sie gehütet und jedes Jahr wieder ausgepackt." Teilweise kommen die Besucher sogar in Trachten. "Die Frauen sind allerdings williger mitzumachen als die Männer", sagt sie lachend.
Die amtierende Bierkönigin des Sportklubs Windhoek, Gunhild Kerscher, kann übrigens am Wochenende in Windhoek nicht ihren Titel verteidigen. Die Leiterin des Schülerheims in Omaruru will dafür aber bei der Wahl in Omaruru antreten. Schon mehrmals hat sie die Wahlen beim SKW gewonnen, ohne vorher dafür zu trainieren. "Man hat es oder man hat es nicht", sagt sie lachend. "Da gibt es keine große Taktik." Es würden ganz andere Muskeln als sonst dafür beansprucht.
In Otjiwarongo wird dieses Jahr zum sechsten Mal Oktoberfest gefeiert. "Wir machen es, um die deutsche Tradition in Namibia weiterzuführen", sagt Mitorganisatorin Elke von Hacht. Einige gebürtige Deutsche - manche von ihnen aus Bayern - kommen auch zum Fest. "Sie geben Tipps, was wirklich original ist." Das Oktoberfest sei das einzige Fest, um Geld für die Schule zu sammeln. Los geht's am heutigen Freitag ab 15 Uhr mit Kaffee und Kuchen. Dann geht's typisch bayrisch weiter: Leberkäs, Weißwurst, Brezeln, Bockwurst, Salate. "Einige Frauen haben sich sogar ein Dirndl nähen lassen", erzählt von Hacht. 450 Leute werden erwartet - nicht nur Deutsche. "Auch die Afrikaner sind neugierig." Es wird ja viel geboten: Hau den Lukas, Bierkrugstemmen, ein Rätsel über Bayern, Luftbüchsenschießen, Kasperletheater. Abends spielt dann "Theo's Mix", eine Zwei-Mann-Band, Lieder auf Deutsch, Englisch und Afrikaans. 58 Kinder haben eine Aufführung vorbereitet. Deutsche Kultur aus Deutschland? Zu teuer und zu weit. Deutsche Kultur aus Namibia? Jawoll. Vielleicht war das der Grund, warum das Swakopmunder Duo "Get2" um Gert Meyer zum Oktoberfest nach Ghana eingeladen worden ist. Oder einfach weil die beiden Swakopmunder Rainer und Hiltrud Horsthemke seit zwei Jahren in Tarkwa wohnen und arbeiten und die Minengemeinschaft mal erleben sollte, wie ein Oktoberfest in Namibia mit der Kapelle Get2 abläuft. Zwei Monate hatten die Damen des Gold Fieds Goldmine Club die Saaldekoration gebastelt - komplett mit "Bierzeltstimmung, Bretzel, Herzchen, traditionell gekleidete menschengroße Sperrholzpuppen mit fotografierten Gesichtern des Komitees", erzählt Meyer. Zwei Oktoberfestsportarten sind auch in Ghana angekommen: Backsteinstemmen für die Männer, Bierkrugstemmen für die Frauen. Dazwischen "bombige Stimmung samt Polonaise, ein Prosit, Zicke Zacke, Schunkeln und Tanz bis in den Morgen". Nur die Hitze hat der Kapelle zu schaffen gemacht: "Zum Glück gab es eine gute Klimaanlage, sonst wäre es fast unmöglich gewesen, so einen Abend durchzuhalten", sagt Meyer. Sein Fazit: "Es war eine super Gelegenheit für uns, mal nach Ghana zu kommen und mit der Minengemeinschaft Tarkwas ein Oktoberfest nach ,traditioneller' Art zu gestalten."
Die ganz traditionelle Wiesn gibt es erst nächstes Jahr wieder in München. Übrigens läuft auf der Webseite www.oktoberfest.de schon jetzt der Countdown zum 177. Oktoberfest im Jahr 2010. Gestern, als dieser Artikel gelayoutet wurde, waren es noch 324 Tage, 1 Stunde und 49 Minuten. Aber bis dahin wird erstmal in Namibia gefeiert.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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