Union gewinnt – SPD stürzt ab
AfD erobert Platz drei – Merkel steht schwierige Koalitionsbildung bevor
Von C. Andresen und S. Engel, dpa
Berlin
Steiler Aufschwung der AfD, historisches Fiasko der SPD, verlustreicher Sieg der Union: Bundeskanzlerin Angela Merkel kann nach der Bundestagswahl trotz schwerer Verluste voraussichtlich vier weitere Jahre regieren. Ihr bisheriger Koalitionspartner SPD mit dem Herausforderer Martin Schulz stürzt nach den Prognosen aber auf ein Rekordtief. Großer Profiteur der Schlappe für die große Koalition ist die Rechtsaußen-Partei AfD. Mit ihr schafft erstmals seit den 50er Jahren eine rechtsnationale Partei den Sprung ins Parlament – und erobert gleich Platz drei.
Der FDP gelingt nach vier Jahren die Rückkehr in den Bundestag. Mit den ebenfalls vertretenen Linken und Grünen ergibt sich erstmals seit den 50er Jahren wieder ein Sechs-Fraktionen-Parlament. Möglich wären so eine Fortsetzung der großen Koalition oder ein bisher im Bund noch nie erprobtes Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen.
Nach den Prognosen von Sonntag 18.00 Uhr sackt die Union auf 32,5 bis 33,5 Prozent. Die einstige Volkspartei SPD scheint das Vertrauen der Wähler in der großen Koalition dauerhaft verloren zu haben: Nach zwei bereits schwachen Bundestagswahlen stürzt sie nun auf ein Rekordtief von 20 bis 21 Prozent (25,7). Die AfD, 2013 noch knapp gescheitert, legt mit 13 bis 13,5 Prozent auf rund das Dreifache zu (4,7) – ein Resultat, das auch im Ausland mit Sorge beachtet wird.
Die Linken verbessern sich auf 9 Prozent (8,6). Auch die Grünen legen auf 9 bis 9,5 Prozent zu (8,4). Die seit 2013 nicht mehr im Parlament vertretene FDP überspringt mit 10 bis 10,5 Prozent locker die Fünf-Prozent-Hürde (4,8).
Die Sitzverteilung sieht nach den Prognosen von Infratest dimap (ARD) und Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) so aus: CDU/CSU 216 bis 221 (2013: 311), SPD 133 bis 139 (193), AfD 86 bis 89, Linke 60 (64), FDP 66 bis 70 und Grüne 59 bis 63 (63). Wahlforscher wiesen darauf hin, dass die 18-Uhr-Prognosen unsicherer sein könnten als früher: weil mehr Wähler per Brief abgestimmt haben und nicht nach dem Besuch des Wahllokals befragt werden können.
Die Wahlbeteiligung wuchs laut ARD auf 75 Prozent (71,5). Zur Abstimmung aufgerufen waren rund 61,5 Millionen Wahlberechtigte.
Merkel steht damit vor ihrer vierten Amtszeit. Sie dürfte nun einerseits SPD und andererseits FDP und Grüne zu Gesprächen über die Regierungsbildung einladen. Einfach wird das nicht: In der SPD gab es bereits vor der Wahl Vorbehalte, in eine große Koalition zu gehen – Grüne und Liberale sehen wegen teils gegensätzlicher Ziele ein Jamaika-Bündnis skeptisch. Der Einigungsdruck ist aber groß, denn von einer Neuwahl könnte die AfD noch stärker profitieren. Als Koalitionspartner kommt diese für keine andere Partei in Frage.
Dass es vor der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober konkret wird, gilt als unwahrscheinlich – keine Partei im Bund will den Wahlkämpfern in Hannover mit Vorfestlegungen in die Quere kommen.
Ein Sieg der Union hatte sich seit Monaten in allen Umfragen angedeutet. Das war aber nicht immer so. Die Nominierung von Schulz zum Kanzlerkandidaten am Jahresanfang ließ die Umfragewerte der SPD zunächst in die Höhe schnellen und bei den Sozialdemokraten Hoffnung auf einen Machtwechsel keimen. Von drei verlorenen Landtagswahlen im Frühjahr erholte sich die Partei aber nicht mehr. Mit dem Thema soziale Gerechtigkeit konnte Schulz nicht punkten. Auch konkrete Konzepte zu Politikfeldern wie Pflege und Rente verfingen beim Wähler nicht. Andere Streitthemen wie die von der SPD geforderte Ehe für alle räumte Merkel vor der Wahl ab.
Die AfD schaffte es in der Endphase des Wahlkampfs immer wieder, mit provokanten Äußerungen Aufmerksamkeit zu erregen. Ihr nützte es, dass das Thema Flüchtlingspolitik eine größere Rolle spielte, als die zurückgegangenen Zuzugszahlen erwarten ließen.
Wegen des starken AfD-Ergebnisses könnte der Unionsstreit über Merkels Flüchtlingspolitik wieder aufflammen, auch CDU-intern. CSU-Chef Horst Seehofer hat eine Obergrenze für den Zuzug einst als Bedingung für eine Koalitionsbeteiligung genannt. Darauf dürfte er bei der ablehnenden Merkel pochen, um vor der bayerischen Landtagswahl 2018 weiteren Zuwachs für die AfD zu verhindern.
Die Erfolg der erst 2013 gegründeten AfD hatte sich schon angedeutet – weniger in den Umfragen als vor allem auf einigen Marktplätzen: Stärker als frühere Wahlkämpfe war dieser von Anfeindungen und Störungen geprägt. Die Kanzlerin wurde bei Auftritten mehrfach ausgebuht und mit Tomaten beworfen, besonders in Ostdeutschland.
Berlin
Steiler Aufschwung der AfD, historisches Fiasko der SPD, verlustreicher Sieg der Union: Bundeskanzlerin Angela Merkel kann nach der Bundestagswahl trotz schwerer Verluste voraussichtlich vier weitere Jahre regieren. Ihr bisheriger Koalitionspartner SPD mit dem Herausforderer Martin Schulz stürzt nach den Prognosen aber auf ein Rekordtief. Großer Profiteur der Schlappe für die große Koalition ist die Rechtsaußen-Partei AfD. Mit ihr schafft erstmals seit den 50er Jahren eine rechtsnationale Partei den Sprung ins Parlament – und erobert gleich Platz drei.
Der FDP gelingt nach vier Jahren die Rückkehr in den Bundestag. Mit den ebenfalls vertretenen Linken und Grünen ergibt sich erstmals seit den 50er Jahren wieder ein Sechs-Fraktionen-Parlament. Möglich wären so eine Fortsetzung der großen Koalition oder ein bisher im Bund noch nie erprobtes Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen.
Nach den Prognosen von Sonntag 18.00 Uhr sackt die Union auf 32,5 bis 33,5 Prozent. Die einstige Volkspartei SPD scheint das Vertrauen der Wähler in der großen Koalition dauerhaft verloren zu haben: Nach zwei bereits schwachen Bundestagswahlen stürzt sie nun auf ein Rekordtief von 20 bis 21 Prozent (25,7). Die AfD, 2013 noch knapp gescheitert, legt mit 13 bis 13,5 Prozent auf rund das Dreifache zu (4,7) – ein Resultat, das auch im Ausland mit Sorge beachtet wird.
Die Linken verbessern sich auf 9 Prozent (8,6). Auch die Grünen legen auf 9 bis 9,5 Prozent zu (8,4). Die seit 2013 nicht mehr im Parlament vertretene FDP überspringt mit 10 bis 10,5 Prozent locker die Fünf-Prozent-Hürde (4,8).
Die Sitzverteilung sieht nach den Prognosen von Infratest dimap (ARD) und Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) so aus: CDU/CSU 216 bis 221 (2013: 311), SPD 133 bis 139 (193), AfD 86 bis 89, Linke 60 (64), FDP 66 bis 70 und Grüne 59 bis 63 (63). Wahlforscher wiesen darauf hin, dass die 18-Uhr-Prognosen unsicherer sein könnten als früher: weil mehr Wähler per Brief abgestimmt haben und nicht nach dem Besuch des Wahllokals befragt werden können.
Die Wahlbeteiligung wuchs laut ARD auf 75 Prozent (71,5). Zur Abstimmung aufgerufen waren rund 61,5 Millionen Wahlberechtigte.
Merkel steht damit vor ihrer vierten Amtszeit. Sie dürfte nun einerseits SPD und andererseits FDP und Grüne zu Gesprächen über die Regierungsbildung einladen. Einfach wird das nicht: In der SPD gab es bereits vor der Wahl Vorbehalte, in eine große Koalition zu gehen – Grüne und Liberale sehen wegen teils gegensätzlicher Ziele ein Jamaika-Bündnis skeptisch. Der Einigungsdruck ist aber groß, denn von einer Neuwahl könnte die AfD noch stärker profitieren. Als Koalitionspartner kommt diese für keine andere Partei in Frage.
Dass es vor der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober konkret wird, gilt als unwahrscheinlich – keine Partei im Bund will den Wahlkämpfern in Hannover mit Vorfestlegungen in die Quere kommen.
Ein Sieg der Union hatte sich seit Monaten in allen Umfragen angedeutet. Das war aber nicht immer so. Die Nominierung von Schulz zum Kanzlerkandidaten am Jahresanfang ließ die Umfragewerte der SPD zunächst in die Höhe schnellen und bei den Sozialdemokraten Hoffnung auf einen Machtwechsel keimen. Von drei verlorenen Landtagswahlen im Frühjahr erholte sich die Partei aber nicht mehr. Mit dem Thema soziale Gerechtigkeit konnte Schulz nicht punkten. Auch konkrete Konzepte zu Politikfeldern wie Pflege und Rente verfingen beim Wähler nicht. Andere Streitthemen wie die von der SPD geforderte Ehe für alle räumte Merkel vor der Wahl ab.
Die AfD schaffte es in der Endphase des Wahlkampfs immer wieder, mit provokanten Äußerungen Aufmerksamkeit zu erregen. Ihr nützte es, dass das Thema Flüchtlingspolitik eine größere Rolle spielte, als die zurückgegangenen Zuzugszahlen erwarten ließen.
Wegen des starken AfD-Ergebnisses könnte der Unionsstreit über Merkels Flüchtlingspolitik wieder aufflammen, auch CDU-intern. CSU-Chef Horst Seehofer hat eine Obergrenze für den Zuzug einst als Bedingung für eine Koalitionsbeteiligung genannt. Darauf dürfte er bei der ablehnenden Merkel pochen, um vor der bayerischen Landtagswahl 2018 weiteren Zuwachs für die AfD zu verhindern.
Die Erfolg der erst 2013 gegründeten AfD hatte sich schon angedeutet – weniger in den Umfragen als vor allem auf einigen Marktplätzen: Stärker als frühere Wahlkämpfe war dieser von Anfeindungen und Störungen geprägt. Die Kanzlerin wurde bei Auftritten mehrfach ausgebuht und mit Tomaten beworfen, besonders in Ostdeutschland.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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