Unkenntnis um Kolonialismus
„Zu viele unausgebildete Köche kochen inzwischen den Brei“
Berlin/Windhoek - Der Berliner Senat möchte verständlicherweise Erfolge seiner Regierungspolitik vorweisen. Einige Abgeordnete der Regierungskoalition haben sich dafür etwas Besonderes einfallen lassen: Die Geschichte muss her. Da kann man versuchen zu punkten, vor allem in Bezug auf deutsche Kolonialgeschichte. Denn es gibt gegenwärtig wohl keine Publikation zum 19. Jahrhundert beziehungsweise zur Geschichte der Beziehungen nach Übersee, in der sich nicht kritisch mit der deutschen kolonialen Vergangenheit auseinandergesetzt wird.
Jedoch kochen inzwischen zu viele unausgebildete Köche den Brei. Ohne eingehende Quellenkenntnis werden vielfach Behauptungen aufgestellt oder unkritisch kolportiert, die beim Fachmann nur Verwunderung hervorrufen können.
War Berlin eine Kolonialmacht?
Neuerdings bewegt ein Antrag (Drucksache 18/1788) der Fraktionen der SPD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus die Gemüter der kolonialgeschichtlich Interessierten. In dem Papier heißt es, dass Berlin für seine koloniale Vergangenheit Verantwortung übernehmen solle. Aber wie kann das geschehen? Oder befanden sich im deutschen Verwaltungszentrum lediglich Institutionen, die der Eroberung und Aufrechterhaltung der Kolonialherrschaft des deutschen Kaiserreichs dienten? Müssen nun auch andere Städte oder gar Dörfer Verantwortung für „ihre“ koloniale Vergangenheit übernehmen? Sollte solche Aufgabe, Verantwortung für die Handlungen eines Staates, die teils mehr als einhundert Jahre zurückliegen, glaubhaft zu übernehmen, nicht eher eine nationale Angelegenheit sein?
Das könnte Aufgabe einer breiten politischen Debatte sein. Einbezogen werden könnten Gedenkstättenaktivitäten, Verbesserung der Kenntnisse über Kolonialismus in Museen, Schulen und Universitäten. Denn das tut Not!
Zur Thematik der kolonialen Erinnerungsorte liegen mehr als ein halbes Dutzend Bücher vor, auf die die Initiatoren des Antrags schon vor Monaten aufmerksam gemacht worden sind. Sie hatten sich auch artig bedankt und mitgeteilt, dass man auf die in den Universitäten der Stadt vorhandenen Fachleute nicht verzichten wolle. Allerdings wurden diese weder zu Konsultationen noch zu Anhörungen eingeladen. Uneingeschränkt ist dem Ansinnen des Senats beizupflichten, „wissenschaftliche Aufarbeitung“ und die „Forschung zum Thema“ zu unterstützen. Aber was genau will man erforschen? Hätte man nicht Kolonialhistoriker dazu befragen müssen? Sie kennen doch am besten den Forschungsstand. Außerdem sind viele Themen auf dem weiten Gebiet der deutschen Kolonialgeschichte ausgeforscht. Immerhin wurde im Osten
Deutschlands seit Ende der 1950er-Jahre hierzu gearbeitet und gelehrt; in der alten Bundesrepublik existiert seit etwa Mitte der 1960er-Jahre eine kritische Kolonialgeschichtsschreibung.
Im Humboldt-Forum in (Stadt) Mitte wird an die deutsche (nicht nur Berliner!) Kolonialgeschichte erinnert werden. In dem verabschiedeten Papier wird auch auf die Umbenennung von kolonial belasteten Straßennamen eingegangen. In der Tat gibt es „kolonial belastete“ Straßen in Berlin. Wie der Umgang damit in „die Hose gehen“ kann und zur Lachnummer selbst in einigen afrikanischen Ländern geworden ist, zeigen die Aktivitäten im Afrikanischen Viertel, die weithin ohne fachwissenschaftliche Begleitung oder Beratung verliefen.
Prof. Ulrich von der Heyden ist Historiker und Spezialist für die Kolonialgeschichte Afrikas an der Freien Universität und der Humboldt-Universität sowie in Pretoria tätig.
Jedoch kochen inzwischen zu viele unausgebildete Köche den Brei. Ohne eingehende Quellenkenntnis werden vielfach Behauptungen aufgestellt oder unkritisch kolportiert, die beim Fachmann nur Verwunderung hervorrufen können.
War Berlin eine Kolonialmacht?
Neuerdings bewegt ein Antrag (Drucksache 18/1788) der Fraktionen der SPD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus die Gemüter der kolonialgeschichtlich Interessierten. In dem Papier heißt es, dass Berlin für seine koloniale Vergangenheit Verantwortung übernehmen solle. Aber wie kann das geschehen? Oder befanden sich im deutschen Verwaltungszentrum lediglich Institutionen, die der Eroberung und Aufrechterhaltung der Kolonialherrschaft des deutschen Kaiserreichs dienten? Müssen nun auch andere Städte oder gar Dörfer Verantwortung für „ihre“ koloniale Vergangenheit übernehmen? Sollte solche Aufgabe, Verantwortung für die Handlungen eines Staates, die teils mehr als einhundert Jahre zurückliegen, glaubhaft zu übernehmen, nicht eher eine nationale Angelegenheit sein?
Das könnte Aufgabe einer breiten politischen Debatte sein. Einbezogen werden könnten Gedenkstättenaktivitäten, Verbesserung der Kenntnisse über Kolonialismus in Museen, Schulen und Universitäten. Denn das tut Not!
Zur Thematik der kolonialen Erinnerungsorte liegen mehr als ein halbes Dutzend Bücher vor, auf die die Initiatoren des Antrags schon vor Monaten aufmerksam gemacht worden sind. Sie hatten sich auch artig bedankt und mitgeteilt, dass man auf die in den Universitäten der Stadt vorhandenen Fachleute nicht verzichten wolle. Allerdings wurden diese weder zu Konsultationen noch zu Anhörungen eingeladen. Uneingeschränkt ist dem Ansinnen des Senats beizupflichten, „wissenschaftliche Aufarbeitung“ und die „Forschung zum Thema“ zu unterstützen. Aber was genau will man erforschen? Hätte man nicht Kolonialhistoriker dazu befragen müssen? Sie kennen doch am besten den Forschungsstand. Außerdem sind viele Themen auf dem weiten Gebiet der deutschen Kolonialgeschichte ausgeforscht. Immerhin wurde im Osten
Deutschlands seit Ende der 1950er-Jahre hierzu gearbeitet und gelehrt; in der alten Bundesrepublik existiert seit etwa Mitte der 1960er-Jahre eine kritische Kolonialgeschichtsschreibung.
Im Humboldt-Forum in (Stadt) Mitte wird an die deutsche (nicht nur Berliner!) Kolonialgeschichte erinnert werden. In dem verabschiedeten Papier wird auch auf die Umbenennung von kolonial belasteten Straßennamen eingegangen. In der Tat gibt es „kolonial belastete“ Straßen in Berlin. Wie der Umgang damit in „die Hose gehen“ kann und zur Lachnummer selbst in einigen afrikanischen Ländern geworden ist, zeigen die Aktivitäten im Afrikanischen Viertel, die weithin ohne fachwissenschaftliche Begleitung oder Beratung verliefen.
Prof. Ulrich von der Heyden ist Historiker und Spezialist für die Kolonialgeschichte Afrikas an der Freien Universität und der Humboldt-Universität sowie in Pretoria tätig.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen