Unterwegs auf den Routen der Reben

Der damalige Kommandant einer neu gegründeten Zwischenstation der Holländisch-Ostindischen Gesellschaft hatte den Auftrag, Schiffsmannschaften auf dem Weg nach Indien mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen.
Nachdem einige Versuche Wein anzupflanzen fehlgeschlagen waren, zeigten sich im Gebiet des heutigen Kapstädter Vororts Wynberg erste Erfolge. Wenige Jahre später errichtete Gouverneur Simon van der Stel auf seiner Farm Constantia eine Musteranlage, die bis heute ein Begriff für südafrikanischen Wein ist, und die zu den touristischen Hauptattraktionen Kapstadts zählt. Auch gründete er im Jahr 1679 den Ort Stellenbosch, der später zum Zentrum der Weinerzeugung am Westkap wuchs.
Die wegen ihres Glaubens aus Frankreich vertriebenen Hugenotten brachten 1688 nicht nur Rebstöcke mit, sondern auch das Wissen um Weinerzeugung. Sie ließen sich in einem malerischen Tal nieder, das nach ihnen benannt wurde: die französischen Ecke - Franschhoek.

Anfang des 19. Jahrhunderts machte sich Constantia weltweit einen Namen als Produzent von ausgezeichneten Dessertweinen. "Wein vom schwarzen Kontinent" galt im napoleonischen Europa als überaus chic und geschmackvoll. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde dem Erfolg ein jähes Ende bereitet: Phylloxera, die Reblaus, hatte ihren zerstörerischen Feldzug durch europäische Weingärten fortgesetzt - bis nach Südafrika. Die Weinindustrie kam international fast ganz zum Erliegen.

Der Neuanbau und die darauf folgende Überproduktion führten 1918 zur Gründung der ersten Weinkooperative, der KWV (Kooperatieve Wijnbouwers Vereniging van Zuid Afrika), um Produktion und Preise besser regulieren zu können. Nach Ende der Apartheid und der Öffnung internationaler Märkte nahm die Weinproduktion einen großartigen Aufschwung, mit Fokus auf eine Verbesserung der Qualitätsweine.

Heute zählt Südafrika zu den beliebtesten Weinbauregionen. Andere afrikanische Staaten wie Algerien und Marokko hatten zwar ebenfalls eine lange Tradition, und neuerdings kommen Länder wie Simbabwe und Kenia dazu. Jedoch gilt Südafrika als eine der landschaftlich schönsten und in seiner Vielfalt reizvollsten Gebiete der Welt. Der Weintourismus boomt wie nie zuvor. Von malerischen Tälern bis hinunter zu fruchtbaren Ebenen entlang der Flüsse, haben sich inzwischen 15 Weinrouten etabliert, die wir hier in Kurzform streifen wollen:
Constantia, das älteste Weingut in Südafrika, nahe Kapstadt gelegen, beherbergt einige der berühmtesten Namen wie Groot und Klein Constantia, sowie Buitenverwachting. Unter idealen klimatischen Bedingungen werden hier erstklassige Sauvignon Blanc- und Semillon-Weine erzeugt.

Durbanville und seine Hügel nordöstlich von Kapstadt haben eine Weinerzeugungsgeschichte, die rund 280 Jahre zurückreicht. Einige Spitzenweine sind hier entstanden, u.a. brilliante Sauvignon Blanc, Shiraz und Merlot.
Franschhoek, eine hübsche, von Hugenotten gegründete Stadt mit historischen Gebäuden, Restaurants und kleineren Erzeugern, liegt in einem abgeschlossenen Tal. Bekannte Keller sind La Motte, Cabriere, Plaisir de Merle und Boekenhouskloof.
Klein Karoo ist eine fast wüstenartige Region im Inland, die einige Weinmacher dazu inspirierte, die Herauforderung anzunehmen. Muskadel und Portwein-Arten gedeihen gut in Gebieten, wie z.B. um Calitzdorp.
Olifantsfluss ist eine rasant wachsende Region, die sich einige hundert Kilometer entlang der Westküste erstreckt. Etliche der für den Export bestimmten, leichten Tafelweine kommen von hier. Die Vredental-Winzerei gilt als eine der größten der Welt.
Oranjefluss: Auf rund 300 Kilometern entlang Südafrikas größtem Fluss, liegen riesige Weingärten, in denen Weißwein kultiviert wird. ImHinblick auf den Export gewinnt auch der Anbau von Rotwein immer mehr an Bedeutung.

Paarl, die zweite historische Stadt am Kap, wo seit Jahrhunderten angebaut wird, ist die Heimat des Hauptbüros der KWV und des beeindruckenden Cathedral-Weinkellers. Sie ist auch das Zuhause des bekanntesten Markennamens: Nederburg. Keller in allen Größen, von Boutique bis Kooperative, produzieren einfachen bis sensationellen Wein. Die Winzer waren konzentriert auf Shiraz, aber auch einige feine Chenin Blanc, Pinotage, Cabernet Sauvignon, sowie unbekanntere Sorten erhielten Auszeichnungen. Glen Carlou, Villiera und die preisgünstige Kooperative Boland Kelders sind hier unter den Spitzenreitern.
Robertson und einige Dörfer der Umgebung liegen in einem fruchtbaren Tal, wo Weißweine wie Chardonnay (De Wetshof Anwesen) und auch Sekt (Graham Beck Winzerei) zu den bekanntesten gehören. Auch hier ist die Entwicklung hin zu roten Sorten zu erkennen.

Stellenbosch gilt für viele als das beste Weinanbaugebiet in Südafrika, für die Spitzen der Rotweine. Auch ist es mit mehr als 80 Weinfarmen und Erzeugern das bei Weitem teuerste Farmland. Fast alle der international berühmten Namen der südafrikanischen Weinindustrie sind in diesem Gebiet zu finden, das von sonnigen Bergtälern bis hin zu Weinhängen mit Meeresblick reicht. Hier ist die Heimat von Kanonkop, Meerlust, und Warwick - die Liste ist endlos. Hier liegt auch Distell, des Landes größter Globalplayers im Getränkesektor. Wichtig zu erwähnen ist auch Jonkershoek Valley, Simonsberg, Bottelary, Devon Valley und Papegaaiberg. Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinotage und Chenin Blanc sind hier die Stars unter den Weinen.
Swartland, das "schwarze Land", liegt nördlich von Kapstadt. Heutzutage produzieren die Weinfarmen moderne, beliebte Weißweine. Auch Rotweine sind neuerdings auf dem Weg zur Spitze.

Walker Bay nahe der Küstenstadt Hermanus, ist ein neu entdecktes Weinbaugebiet am Kap. Es fällt unter die Overberg-Region und ist die Heimat des Pinot Noir und guter Chardonnays, sowie von Weingütern wie Hamilton-Russell.
Worcester und Umgebung beherbergen rund 20 Prozent von Südafrikas Weinfeldern. Auch Brandy wird hier erzeugt, sowie Weine für den Großhandel. Kleinere Mengen werden unter eigenem Label abgefüllt.

Elim ist ein altes Missionsdorf am Kap Agulhas, der Südspitze Afrikas. Das kühle Klima und die geneigte Lage der Böden bieten viel versprechende Bedingungen für Weinanbau. Distell hat hier in über 900 Hektar erstklassige Böden investiert.
Cape Point liegt direkt am Meer. Hier wird vortrefflicher Sauvignon Blanc produziert, dem man eine große Zukunft vorhersagt.
Prince Albert, nahe dem majestätischen Swartberg, verfügt über ein fruchtbares Tal, gute Erde, Wasser und eine Handvoll enthusiastischer Produzenten.
Die Wurzeln der Weintradition Südafrikas reichen zurück in die "Alte Welt", in Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien. Aber auch Weine aus der "Neuen Welt" beeinflussen immer mehr Angebot und Nachfrage. Wie jeder Markt ist auch dieser stark der Mode unterworfen, nach der sich Produzenten - wollen sie erfolgreich sein - richten müssen. Bis zum Jahr 2000 waren rund 80 Prozent der Neuanpflanzungen rote Trauben mit dem Ziel, mehr Shiraz, Cabernet und Merlot zu erzeugen.
Innerhalb nur weniger Jahre haben sich die Exporte verdoppelt. Letztes Jahr gab es über 4300 Traubenerzeuger, die wiederum über 350000 Arbeitsplätze schafften - ein mächtiger Wirtschaftsfaktor. Mediterranes Klima mit langen Sommern und der Einfluss des kühlen Benguela-Stromes machen vor allem das Westkap ideal für den Weinanbau. Granitböden und auch Schiefer sind gute Wasserspeicher, fruchtbare Flusstäler bieten ebenfalls gute Bedingungen.

Fast alle bekannten Weinfarmen im ganzen Land offerieren Weinverkos-tungen, viele Restaurants folgten. Kaum ein Weinort, der nicht irgendeine Besonderheit zu bieten hat: Ob Käseerzeugung oder Olivenspezialitäten, Antiquitäten oder Kunstgalerien - Südafrikas Weintourismus ist überall auf Erfolgskurs.