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Unterwegs mit den Buschmännern

!Xao zieht den Bogen, zielt kurz, der Pfeil zischt lautlos über den Platz und bohrt sich mit einem satten "Klock" in den Springbock. Herzschuss!
Andere Pfeile fliegen heran, treffen klatschend ein oder flutschen knapp dran vorbei. Den Springbock kümmerst nicht. Er ist aus Gummi, die Menge johlt und wir feiern ein Fest mit den Buschleuten.

Das lebende Museum der Ju/Hoansi-Buschleute in Grashoek zwischen Grootfontein und Tsumkwe im Nordosten Namibias feiert fünfjähriges erfolgreiches Bestehen. Jährlich fast 4000 Besucher können sie verzeichnen in ihrem Museum. Es arbeiten dort zwischen 60 und 70 erwachsene Akteure ständig im Museum und das ganze Dorf Grashoek lebt seit fünf Jahren von diesem ihrem eigenen Betrieb, welches sich als Geschäft im Tourismusbereich aber auch als kulturerhaltendes Bildungsinstitut für Buschleute selber versteht. Und heute feiern wir diesen Erfolg mit einem Bogenschießwettbewerb (!Xao hat eine Wassermelone gewonnen), mit Spielen, Gesang, Tanz und einem Schaf im Potjie, gestiftet von Harald und Deike Rust von der Farm Omandumba.
Aber noch ein größeres Ereignis bahnt sich an: Morgen früh wollen wir mit 20 Buschleuten (ab jetzt liebevoll "Buschis" genannt) auf Jubiläumssafari durch Namibia fahren!

Der Tag bricht an. Ich rolle mit dem großen, weißen Touristenbus, der uns freundlicherweise von Pack Safaris aus Windhoek kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde, auf den Dorfplatz ein. Unsere Touristengruppe und zahlreiche Verwandte und Schaulustige sind bereit. Schnell wird der Bus beladen. Feuerholz, Campingausrüstung, Deckenrollen, Pfeil- und Bogen und was ein Buschmann halt auf einer Safari so benötigt, verschwindet im Gepäckraum.
Ich erkläre auf der Namibiakarte unsere Reiseroute, derweil die Kamera läuft. Ein dreiköpfiges Filmteam aus Frankfurt will eine Dokumentation unter dem Motto "Wie sehen uns die Anderen" drehen. Sie begleiten uns und filmen "mit den Augen der Buschis", wie diese auf die fremden Eindrücke während der Safari reagieren. Spannendes ist zu erwarten und so fahren wir also zuerst nach Twyfelfontein ins Damaraland. Unsere zwei Begleitfahrzeuge brausen schon voraus, besetzt mit den beiden Hauptorganisatoren Sonja und Nicki Kirchner (Arifu- Tours & LCFN) sowie anderen Mitgliedern und Freunden unseres kleinen Vereines zur Errichtung von lebenden Museen in Namibia, der "Living Culture Foundation Namibia" (www.lcfn.info).
Auf TourWir zelten am lebenden Museum der Damara. Früh am Morgen erscheinen sie in ihrer uralten, rekonstruierten, traditionellen Tracht. Unsere Buschis geben sich zuerst etwas scheu, sind die Damara doch reichlich dunkler und größer als sie selber, aber als jene mit einem fröhlichen "Matisa" ("Wie geht's Dir") auf !Amache, !Xarri und Sari losstürmen und diese herzlich umarmen, (sie kennen sich von einem früheren Workshop) ist das Eis schnell gebrochen und alle schütteln sich vorstellend die Hände in der Hütte des Häuptlings Hans-Bernhard Naobeb.

Nach wenigen Minuten sitzen auch alle Frauen schon einträchtig beisammen, denn unsere Buschifrauen fangen an, ihren traditionellen Schmuck herzustellen. Die Damaradamen schauen fasziniert zu. Bald schon bohren auch sie winzige Löcher in winzige Straußeneiperlen und alle sind auf Stunden beschäftigt.
Die Buschimänner entfachen ein Feuer mit ihren Feuerstöcken. Bald schon kurbeln sich auch die Damara Blasen an die Hände und die Freude ist groß, als erste Glutherde erscheinen, der Qualm die Hütte füllt und gelbe Flammen den Zunder fressen.

Anschließend beginnt der Schmiede-Workshop.

Unsere Buschis bringen den Damara die uralte Kunst des Schmiedens von Messer- und Beilklingen bei. Einst, in der vorkolonialen Zeit, waren die Damara begehrte Schmiede, aber 150 Jahre Europäisierung (sprich: Entwurzelung) hat sie dieses Handwerk völlig vergessen lassen. Nun lernen sie es wieder von den Buschleuten.
"Klang, Klang, Klang..." so tönt es den ganzen Tag und es entstehen die ersten Damaramesser seit langer, langer Zeit! Alle sind begeistert.
Am Nachmittag wollen die Damara sehen, wie die Buschleute tanzen. Einst lebten hier im Namibrandgebiet auch Buschleute. Tausende Felsmalereien, Gravuren, Steinwerkzeugreste zeugen von einer langen Siedlungsperiode.
Als die ersten Gesänge ertönen, wird mir bewusst, dass diese Musik hier in diesen Felsen seit vermutlich 150 Jahren nicht mehr erklungen war und nun sind sie wieder da, die Buschleute, auch wenn nur kurz zu Besuch im Dorf der Damara, beide Gruppen in ihren wunderschönen alten Ledertrachten, die alten Gesänge durch die Begegnung zwischen zwei faszinierend unterschiedlichen namibischen Völkern wiederbelebt. Trotz 40"°C in Schatten kommt mir eine "Gänsehaut".
Nun wollen aber die Damara auch zeigen, was sie können und legen ein paar sehr kraftvolle, archaische Tänze aufs Parket (pardon, den Sand) und unsere Touristen sind begeistert.
Zu Besuch in einer LodgeAbends sind wir in der Twyfelfontein- Lodge zum Abendessen eingeladen. Ich ziehe mir ein frisches Hemd über und die Buschis schlüpfen in ihre traditionelle Ledertracht. Als unser Safaribus bei der Lodge einrollt, wie Safaribusse halt so täglich einrollen, ahnen die Lodgegäste noch nichts. Als dann aber die Touristen aussteigen, ist das allgemeine Erstaunen perfekt. Aber auch die Buschis machen große Augen beim Anblick der imposanten Anlage, dem grünen Rasen, dem blauen "Pool" inmitten der roten Sandsteinfelsen. Aufgeregtes Geschnatter ertönt, als sie drei blecherne, lebensgroße Skulpturen, die jagende Buschleute darstellen, erblicken!

Dann der Einzug in den Speisesaal. Zwei lange Tische stehen für uns bereit. Schwarze, freundliche Kellnerinnen weisen unsere Gäste in ihre Plätze ein. Etwas verloren und fehl am Platz sehen sie schon aus, unsere Freunde aus der Kalahari, aber als die ersten Teller mit Fleisch und Maisbrei aufgetischt werden, ist alle Scheu verflogen. Derweil die Buschis am Nachbartisch sich verzweifelt mit der ungewohnten Gabel abmühen, greift bei uns am Tisch !Amache beherzt mit allen Fingern in seine Mahlzeit und schiebt sich die Köstlichkeiten schmatzend in den Mund. Sein Beispiel macht Schule und schon bald startet ein völlig ungezwungenes Buschischmausen inmitten all der feinen Gäste aus aller Welt. Herrlich!

Zum Dank zeigen unsere Freunde einem begeisterten Publikum anschließend einige ihrer Tänze. Der Lodgebesitzer Johann de Beer lädt uns gleich auf seine zweite Lodge nach Opuwo ein und verspricht uns einen Himbabesuch zu organisieren. Spontan sagen wir zu. Mit ein paar Telefonaten lässt sich unsere Reiseplanung mühelos ändern.
Buschwanderung DamaraDer nächste Tag im Damara lebenden Museum sieht uns eine Buschwanderung mit den Damara machen. Häuptling Hans-Bernhard erklärt den hochinteressierten Buschis verschiedene Pflanzen und wie diese genutzt werden. Eine Rauchpause in einer früher von Namib-Buschleuten genutzten Höhle schließt die Runde ab. Nun wollen die Damara sehen, wie die Buschleute jagen und Fallen stellen. Unsere Damarafreunde erhalten hier viele Anregungen für ihre eigenen Museumsaktivitäten.

Eine Tanzvorführung zusammen mit den Damara bei der Mowani- Lodge (als Marketing-Event für beide lebenden Museen) rundet den Tag ab. Die Rückfahrt von Mowani ins Damaramuseum füllt den Bus mit Gesängen der beiden alten Kulturen. Der Abschied ist voller Herzlichkeit und von einem Wunsch begleitet, sich hoffentlich bald wieder zu treffen.

Treffen mit den HimbaAls wir am nächsten Tag in Opuwo einfahren, kleben etwa 20 Buschinasen an den Scheiben. Erste Himbagestalten wurden gesichtet! Ein aufgeregtes Geschnatter füllt den Bus. Ich fahre ganz langsam durch das Dorf, um unseren Touristen gute Gelegenheit zu geben, zu sehen und zu staunen. Leider hatte es gerade geregnet und die Himba sitzen zusammengekauert unter ihren Wellblechdächern.

Johann de Beer überlässt uns freundlicherweise seinen Campingplatz umsonst und wieder ist ein Abendessen in der Lodge versprochen. Außerdem dürfen wir eine kleine Tanzvorstellung machen und Schmuck verkaufen. Auch hier wirken unsere Buschifreunde leicht fehl am Platz, inmitten der feinen Lodgegäste, aber sie sind ja schon "alte Hasen" und verspeisen ihr Mahl mit einer Selbstverständlichkeit, wie es nur weitgereiste Leute von Welt fertig bringen. Auch die Tanzeinlage mit Erklärungen zum Konzept eines lebenden Museums sowie unserer Buschisafari kommt bei den fremden Gästen gut an. Viele holen sich noch einen Infozettel und kaufen den Buschis Schmuck ab. Dann fallen wir alle glücklich in unsere Zelte ein.

Am nächsten Morgen ist große Vorfreude zu verspüren. Johann de Beer hat uns einen Himbabesuch organisiert. Kurz nach 8 Uhr rollen wir mit zwei Bussen durch den Mopanewald auf das Himbadorf zu. Dort müssen wir erst einmal warten. Der Himbaguide muss um Zustimmung fragen, eine Formsache. Dann gehen wir ins Dorf. Die Buschleute sind ganz still und schüchtern, die Begrüßung sehr förmlich. Wir alle gehen im "Gänsemarsch" an den sitzenden Himba entlang, geben dem Familienoberhaupt mit seinen fünf Frauen artig die Hand und sagen "morro", was als "Guten Tag" verstanden wird. Dann setzen sich unsere Buschfreunde eng zusammen, die Himba gut im Blick. Nach der Begrüßung fangen zwei der Himbafrauen an, unseren Buschimännern Fragen zu stellen, wie: "Wie viele Frauen habt ihr" oder "wie viele Rinder besitzt du?" Die Himba sind äußerst erstaunt, als sie lernen, dass die Buschmänner nur eine Frau nehmen und weder Viehhaltung noch Gartenbau kennen und nur von der Jagd und dem Sammeln wilder Pflanzen leben. Ich kann in ihren Gesichtern förmlich lesen, dass dies für Himba eine ungeheuerlich ärmliche und unvorstellbare Lebensweise ist. Aber nach vielem freundlichen Hin und Her (man findet auch Gemeinsamkeiten, z.B. das Bedürfnis viele Kinder zu haben), lockert sich die Stimmung und die Himba setzen sich ihrer Art gemäß vollkommen selbstbewusst mitten in die Buschigruppe (und den Schatten) hinein. Man befühlt sich gegenseitig die Haut, die Haare und bestaunt die jeweiligen Schmuck- und Ausrüstungsgegenstände. Als dann zwei unserer Jäger die Bögen und Pfeile zücken, werden unsere Buschis zu Helden, so dass auch bald darauf unserem Frauenheld !Amache eine junge unverheiratete Himbaschönheit angeboten wird und sein älterer Freund !Xarri wird von zwei reiferen Himbadamen umschwärmt, welche ihn auch gleich da behalten wollen.

Unsere beiden tapferen Jäger ziehen sich jedoch elegant (und glücklich) aus der Affäre, indem sie mit Recht argumentieren, dass sie keine Rinder für den Brautpreis hätten! Aber geschmeichelt fühlen sie sich allemal!

Nachdem die Himba gezeigt haben, wie sie die roten Eisenoxydsteine zu Pulver zermahlen, dieses mit Fett mischen und sich auf den ganzen Körper auftragen, bekommen auch einige unserer Buschidamen ein rotes Gesicht verpasst, was ihnen recht gut steht!

Unsere Buschitouristen besichtigen dann noch eine traditionelle Himbahütte, aber dann wollen die Himba Buschitänze sehen. Erwartungsvoll stellen sich etwa 60 Himba, hauptsächlich Frauen und Kinder, in einen Halbkreis und die Buschis legen sich ins Zeug. Die Himba sind begeistert und eine bislang unerreichte fröhliche Aufregung geht um, als die Busch-Männer im Zuge ihrer Trancetänze mit dem Körper zittern, dass die freien Hinterbacken beben und wackeln - für Himbavorstellung das sexieste Körperteil überhaupt. Ich bin mir sicher, dass wir unsere Buschmänner nach dieser Show allesamt leicht hätten verheiraten können, auch ohne Rinder...

Dann legen die Himba los!
Ihr wilder, ungestümer Tanz, der an durchgedrehte Jungtiere erinnert (was er vielleicht auch darstellen soll), erstaunt unsere friedlichen, harmoniebedürftigen Buschleute sehr. Sie schauen aber auch sehr genau zu und noch Tage später beobachten wir, wie sie die wilden Tänze der Himba nachspielen und sich anschließend fast tot lachen.
Nach den Tanzvorführungen setzen sich die Himba in einen großen Kreis vor ihre Waren und versuchen den Buschitouristen unter Auferbietung aller Tricks ihren Schmuck aufzuschwatzen. Dieses draufgängerische Geschäftsgebaren verschreckt unsere Touristen dermaßen, dass diese langsam, aber bestimmt die Flucht ergreifen und im Reisebus Schutz suchen.
Und wieder ist ein Abenteuer glücklich überstanden!
Buschis und moderne TechnikAber ein Neues erwartet uns schon an der Opuwo Lodge. Ein großer Hubschrauber steht dort und Johann de Beer fragt bei den Piloten nach, ob die Buschis einsteigen dürfen. Den Spaß lassen diese sich natürlich nicht nehmen und bald sitzen 20 erwartungsfreudig neugierige, aber doch leicht verunsicherte Flugtouristen in steinzeitlicher Kalaharikluft in einer mit Elektronik und Lärm gefüllten Brummlibelle. Einige haben große rote Kopfhörer aufgesetzt und erinnern irgendwie an Mickey Mäuse. Als das lärmende Ungeheuer auch noch leicht abhebt, wird so manch einem tapferen Kalaharijäger das Herz in den Lendenschurz gerutscht sein. Jedenfalls steigen sie recht zügig, aber glücklich strahlend aus dem Bauch der Höllenmaschine und bald rollen wir auch weiter gen Ovamboland.Bei den OvambosClaudia, eine mit uns befreundete Ovambolady aus Windhoek, hatte uns zu ihrer Familie in einen noch echt traditionellen Ovambokraal eingeladen. Die Fahrt führt durch ein völlig flaches Land ohne irgendwelche Landmarken, etwa 40km von der nächsten ordentlichen Straße in den tiefsten Busch hinein. Der Weg ist eine Fahrspur im Sand. Auch Claudia hätte den gesuchten Kraal nie gefunden, hätte sie nicht im Vorfeld eine ortskundige Dame organisiert, die mir in Zeichensprache den Weg weist. Bei Dunkelheit kommen wir an. Ich bleibe zu guter Letzt mit dem Bus auch noch im Acker stecken. Aber mit allen Buschis schiebend und Nicki mit seinem Allrad ziehend gelangen wir schnell wieder hinaus. Bei Mondschein begrüßen wir dann die Dame des Hauses, eine Tante von Claudia, die uns den großen Kraal mit vielen Hütten, Gängen und Toren zeigt. Ein beeindruckendes Labyrint, so ein Ovambohäuptlingskraal!

Wir schlagen unser Lager im Kraal auf und kochen uns etwas Leckeres. Die Tante reicht traditionelles Hirsebier herum. Es schmeckt nahrhaft und säuerlich. Die Buschleute trinken lieber nichts davon. Mir schmeckt es. Da die Ovambo den Buschleuten grundsätzlich ungeheuerlich sind, kuscheln sich unsere Freunde ganz dicht aneinander und ich muss ihnen versprechen in der Nähe zu übernachten, sozusagen als abschreckender, wildbärtiger und weißbäuchiger Bodyguard. Bald jedoch ist auch diese Nacht glücklich überstanden und die Tante, eine ganz liebenswürdige Mama von mehreren Kindern, der vor ein paar Monaten der Gatte gestorben war, führt uns noch in die Geheimnisse des Hirsestampfens-und-Siebens ein, eine Kunst, die einige unserer Touristen unter großem Gelächter derer, die es gar nicht erst versuchen, auch nachmachen.

Wir verabschieden uns herzlich von der lieben Tante und fahren dann wieder durch dieses unglaublich ebene und von einer hohen Bevölkerungs- und Rinderdichte gebeutelte Land nach Oshakati. Kurz getankt starten wir schnell durch zu unserer letzten Etappe für heute, dem Onguma-Campingplatz "vor den Toren" des Etoscha Nationalparks.
Um das lebende Museum der Buschleute bekannter zu machen, treten wir an den beiden folgenden Abenden in den Lodges hier auf und verteilen Flugblätter. Die Buschis begeistern mit ihrer kleinen Aufführung, ihrer Herzlichkeit und ihrem Schmuckverkauf.
Im Etoscha-NationalparkDie Fahrten in den Nationalpark sind für unsere Kalaharibewohner, die zu Hause kaum noch Wild kennen, ein ganz besonderes Erlebnis. Als wir nach vielen Zebras, Gnus, Springböcken, Giraffen und weiterem "Normalkram" dann endlich Löwen entdecken, ganz dicht am Bus, ist der Tag perfekt. Weihnachten mit glücklichen Buschleuten unter Löwen und Giraffen, das ist auch für mich ein guter Tag!

Anderntags rollen wir weiter über Tsumeb und Grootfontein in Richtung Rundu am Abzweig zum Buschmannland vorbei. Dort erblicken unsere Touristen einige Bekannte am Straßenrand, welche mit lautem Gejohle gegrüßt werden. Spaßeshalber frage ich nach, ob jemand hier aussteigen und nach Hause möchte, aber "nein Werner, fahr weiter" heißt es einstimmig. So rollen wir bald durchs Veterinärtor ins "Kavangoland" hinein. Einigen unserer Buschleuten ist das sogenannte "Kavangoland" die Heimat ihrer Jugend. Ich werde immer wieder darauf angesprochen, dass es eigentlich das Land der Ju/Hoansi-Buschleute sei, welches die Kavango übernommen hätten. Ja, die Geschichte der Buschleute ist eine traurige Wiederholung von Vertreibung und Ausrottung bis in die jüngere Vergangenheit hinein.
Wir sind auch nur wenige Kilometer gefahren, als !Amache aufgeregt ruft: "Stopp Werner, Kost, Kost". Ein großer Baum mit braunen, bohnenähnlichen Hülsenfrüchten und dem wohlklingenden Namen Tcaqu (oder Dialium engeleranum - wer gibt so schönen Bäumen nur solche Namen???) ist der Grund der Erregung. Zu Englisch ist es der "Kalahari Podberry", was man sich auch merken kann, und deshalb fahre ich den Bus so unter den Baum, dass die Männer vom Dach aus die kleinen Äste voller Früchte abbrechen und zu uns Bodenständigen hinunter werfen. Bald sitzen alle im Schatten und wickeln die Früchte in Tücher ein, zum späteren Verzehr gehortet. Die Frucht ist weißlich, trocken und erinnert in Textur und Geschmack an Baobabfrüchte. Ich erfahre, dass man sie später in Wasser aufweichen und den herrlichen Brei genießen will. Die Saat wird in den Schmuck-Ketten verarbeitet.
Shoppen in RunduIn Rundu geht jedermann shoppen. Cola, Schuhe, Brot, Süßigkeiten und mancherlei andere Verlockung der Zivilisation wandert in den Bus ein, dann fahren wir an den Okavango-Fluss zur Kaisozi Lodge. Diese hatte uns freundlicherweise eingeladen, zwei Nächte umsonst campen zu dürfen. Da wir hier kein Programm eingeplant haben, ist der nächste Tag ein Ruhetag, den jeder auf seine Art sehr genießt. Die Frauen waschen Wäsche und Kinderpopos, puhlen braune Baumbohnen, hätscheln die Kleinsten, basteln Schmuck und schwatzen im Schatten. Die Männer strolchen umher, die Gegend zu erforschen und die größeren Kinder jauchzen im Planschbecken und versuchen, sich mit schwimmähnlichen Strampelbewegungen über Wasser zu halten. Ich unterstütze die Kinder in ihren Schwimmbemühungen, was viel Gelächter bei den umher stehenden Wasserscheuen hervorruft. Später trauen sich drei Kinder mit mir ins Kanu der Lodge und wir drehen ein paar Runden um die Kaisozi-Insel im Fluss. Anschließen darf ich einige der Jäger auf den Fluss hinaus paddeln. Sie sitzen doch etwas verkrampft da. Bei der Rückfahrt gebe ich kurz vor dem Ufer !Amache das Paddel und springe in den Fluss. Den Jägern rutscht wieder einmal vor Schreck das Herz in die Lederhose und sie phantasieren Konstellationen wie "Krokodil und Buschmann in inniger Umarmung" und dergleichen... Aber das Kanu treibt wohlbehalten ans Ufer und unsere Jäger sind gerettet. Als Nicki und ich anschließend versuchen, einige Buschleute zu fangen, spritzt die ganze Horde kreischend auseinander. Einen laufenden Buschmann fängt man nicht....

Am späten Nachmittag machen die Buschleute eine kleine Tanzvorführung. Dann setzten sie sich in traditioneller Kleidung in die Lodge-Sessel und schauen fern - Fußball! Ein Bild für die Götter! Unser immer fleißiges Filmteam hält auch diese Szene fest. "Wie sehen uns die Anderen..."
Nach dem Abendessen spielt Boris, ein Freund des Filmteams, der fast zufällig dort weilt und ein Gitarrenvirtuose erster Güte ist, den Buschleuten ein Ständchen. Die Zuhörerschaft ist "hin und weg" und manch ein Buschi summt später noch in den Zelten eine spanische Melodie...

Oh, ich vergaß fast zu erwähnen, dass das Lodge-Management uns einen Pfau schenkte, den unsere Buschfreunde dann auch mit großem Genuss aßen. Auch Ralf und ich erhielten ein Stück. Ich muss gestehen, der Pfau ist super lecker. So kamen die Buschis in den Genuss der Leibspeise des Maharadschas von Bombay anno 1769!

Im Mafwe-DorfLustmäuler hinten im Bus einige Monkey-Orange-Früchte im Wald und eine schnelle Sammel- und Schmatzpause wird eingelegt. Zufrieden fahren unsere Gäste dann über die große Brücke bei Divundu, beäugen Khwe-Buschleute im Bwabwata-Nationalpark und bestaunen den Kwando- Fluss. Im lebenden Museum der Mafwe bei Singalamwe werden wir sehr herzlich von den Mafwe begrüßt und alle erfreuen sich an dem mit großen Baobab-Bäumen bestandenen Campingplatz. Nachdem wir das Lager aufgebaut und gegessen haben, werden wir von den Mafwe ins Museum eingeladen. Die Buschleute erhalten als besondere Gäste die Ehrenplätze und die Mafwe legen sich mit freudigem Elan ins Zeug ihren Gästen mit Tänzen, Trommeln und Erklärungen ihre faszinierende Kultur zu zeigen. Dann setzten sich die Mafwe in Erwartungshaltung und erklären ihren Gästen, dass diese nun dran seien. Auch die Buschis lassen sich nicht lumpen. Es entsteht ein spannender Kulturaustausch. Als die Touristen dann irgendwann ins Bett gehen, machen die Mafwe noch eine Weile alleine weiter. Gibt es eine schönere Gutenachtmusik als mitten in Afrika im Zelt liegend, das Zirpen der Fruchtfledermäuse in den mächtigen Baobabs und afrikanische Trommeln zu hören?

Nach dem Frühstück wartet ein neuer Höhepunkt auf unsere Buschifreunde. Die Camp Kwando Lodge hat uns zu einer Motorbootfahrt auf den Kwando eingeladen. Drei Runden zu je zehn Personen auf dem Boot sind vorgesehen. Bald rauscht ein Boot mit leicht zitternden (Nicki hatte kurz vorher ein paar "wahre" Horrorgeschichten mit Krokodilen und Flußpferden zum Besten gegeben.), aber erwartungsfreudigen Kalaharibewohnern um die erste Flußbiegung und entschwindet unseren Blicken. Etwa eine halbe Stunde später hören wir den Bootsmotor wieder näher kommen. Glänzende Augen leuchten vom Boot zu uns hoch und kaum setzten unsere Flussfahrer den Fuß auf das sichere Ufer geht der Wirbel los! Lautstark, voller Begeisterung und Gestik erfahren wir von gesichteten Flusspferden, Elefanten und einem grooooßen Hippo gaaaaanz nahe am Boot.

Zurück im Lager gehen wir am Nachmittag allesamt mit den Mafwe zum Fischen. Im flachen Wasser eines größeren Tümpels rollen die Mafwe eine lange "Wurst" aus Wassergewächs zu einem Kreis zusammen, so dass sich dort einige Hundert kleine Fische ergeben und mit der Hand heraus gesammelt werden. Zuerst wundern sich die Besucher, was die Mafwe dort treiben, aber bald ist die Technik durchschaut und schon rollen Mafwe und Buschis freudig vereint die Pflanzenwurst durch den Tümpel und unsere Kalaharileute fangen ihre ersten Fische. Jeder Fang wird mit aufgeregtem Schnalzen und Klicken gewürdigt.
Anschließend müssen wir noch mal mit ins lebende Museum. Bis spät in die Nacht hinein haben beide Gruppen viel Spaß aneinander.
Mit einem herzlichen Gruß werden wir am nächsten Morgen von unseren Gastgebern verabschiedet, und man verspricht sich ein gegenseitiges Wiedersehen.

Das letzte ZielUnser letztes Ziel auf dieser Safari ist eine Gruppe Khwe-Buschleute im West-Caprivi in der Nähe von Divundu, die dabei ist, ein eigenes lebendes Museum zu bauen und sich auf ihre Kollegen aus Grashoek freut. Daniel, der angehende Museumsleiter, dirigiert uns telefonisch herbei und führt uns an einen schönen Platz recht dicht am Okavango. Eine Gruppe Khwe-Damen empfängt uns mit Liedern und Händeschütteln. Die Männer unterhalten sich dann auch bald ganz angeregt und viele Fragen und Antworten werden ausgetauscht. Da jedoch die beiden Sprachen der Khwe bzw. Ju/Hoansi so verschieden sind, findet der Austausch in Afrikaans oder Englisch statt, was den Frauen beider Gruppen Schwierigkeiten bereitet, dass unter Letzteren kein Gespräch zustande kommt. Wir holen dann mit unserem Bus noch mehr Khwe-Museumsteilnehmer ab. Im Nu ist der Platz voller Leute, zumal auch viele Neugierige aus den angrenzenden Siedlungen herbei strömen. Bald wird es unseren Buschis etwas unheimlich und besonders die Frauen und Kinder setzen sich abseits und schauen dem Treiben zu. Ein geführter Gang ins Gelände und zu dem entstehenden lebenden Museum lockert die Stimmung etwas auf, zumal die Khwe und Ju/Hoansi viel gemeinsam bekannte Buschkost finden, u.a. auch große, fette, bunte Raupen, die später gebraten werden und wirklich köstlich schmecken.

Zur Abendessenszeit zeigt sich, dass die Khwe-Truppe erwartet von uns verköstigt zu werden. Dieses überrascht uns dann doch sehr, sollen wir plötzlich und unangekündigt etwa 60 Leute mehr durchfüttern. Schnell sichten wir unsere verbliebene Reiseverpflegung und am Ende kommt doch noch eine ordentliche Portion für jeden zustande. Unseren Ju/Hoansi wird es jedoch sehr mulmig zu Mute, als die Khwe sich ohne zu fragen, an unsere Kaffee, Tee, Marmelade, Brot und die "heiligen" Zuckerreste machen. Nun müssen wir eingreifen und dem Ganzen bestimmt Einhalt gebieten. Dieses unhöfliche Betragen der Khwe hinterlässt bei uns allen einen etwas bitteren Nachgeschmack.
Abends tanzen sich unsere beiden Buschigruppen ihre traditionellen Tänze vor. Wir staunen, wie sich die Melodien und gewisse Abfolgen der sonst doch recht unterschiedlichen Völker noch gleichen, was auf ein sehr hohes Alter dieser Tänze und Lieder schließen lässt. Hören wir hier vielleicht Melodien, die einige tausend Jahre zuvor entwickelt wurden, in einer Zeit der gemeinsamen Vorfahren der Khwe und Ju/Hoansi?

Als wir am nächsten Nachmittag, nach einer 500 Kilometer langen Reise und einem Shoppingrausch in Rundu, glücklich in Grashoek einfahren, singen unsere Reisegäste im Bus so laut, dass alle daheimgebliebenen Grashoekbewohner herbeigelaufen kommen und unsere Weitgereisten unter fröhlichem Geschnattere, Getanze und Gelächter empfangen. Voller Frohsinn und auch etwas erschöpft gehen unsere Touristen, beladen mit Erlebnissen, ihrem Reisegepäck und den Einkäufen aus Rundu, begleitet von Freunden und Verwandten, nach Hause und entschwinden unseren Blicken.

Etwas wehmütig fahre ich in einem ach so leeren Bus, begleitet von Catenia und Simon, unserem nie ermüdenden Filmteam nach Roy's Camp. Hier treffen wir unsere schon vorgereiste Safaribegleitmannschaft, ein paar kalte Biere und saftige Steaks und stoßen auf eine gelungene Buschmannsafari an.

Im Namen der Buschleute von Grashoek möchte ich ein ganz großes Dankeschön an alle aussprechen, die zum guten Gelingen dieser Reise beigetragen haben:

Werner Pfeifer (LCFN & Bush Culture Experience, Namibia)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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