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Verbuschung als Chance

Buschkontrolle verspricht Nachhaltigkeit und Profit
WAZon-Redakteur
Von Katharina Moser, Windhoek

Buschland als ökonomische Chance – was wie ein wirre Utopie klingt, beginnt in Namibia seit einiger Zeit Realität zu werden. Seit Jahren weisen Wissenschaftler auf die wachsende Verbuschung des Graslands in Namibia hin, und sehen mit Besorgnis die ökologischen wie ökonomischen Schäden. Doch es mehren sich nun die Ideen, wie man diese Ressourcen in Profit umwandeln kann.

Studien zufolge sind 45 Millionen Hektar Land in Namibia von Verbuschung betroffen, fast ein Drittel der Gesamtfläche Namibias. Das ganze Land leidet unter einer Invasion unerwünschter hölzener Pflanzen, die das natürliche Grasland verdrängen. Dies hat signifikante Folgen, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Menschen, die sie nutzen. Die Biodiversität nimmt ab, Flora und Fauna nehmen Schaden. Doch weit darüber hinaus verursacht Verbuschung immense Schäden für die namibische Wirtschaft. Farmer können weitaus weniger Ertrag aus ihrem Land ziehen und weniger Rinder halten. Je nach Studie hatte Verbuschung bisher einen Produktivitätsverlust von 66 bis 100 Prozent zur Folge. Umgerechnet bedeutet das einen ökonomischen Verlust von mehr als 700 Millionen Namibia-Dollar im Jahr – das betrifft direkt den Lebensunterhalt von 65 000 Namibiern und über 6 000 Farmer und ihre Angestellten. Andere, noch aktuellere Studien rechnen gar mit einem jährlichen Wirtschaftsverlust von 1,6 Milliarden N$.

Die Gründe für Verbuschung sind zahlreich. In der Wissenschaft haben sich jüngst zwei zentrale Denkmodelle entwickelt. Zum einen liegt es an der übermäßigen Nutzung von Grasland: Es verliert seine Konkurrenzfähigkeit, kann Wasser und Nährstoffe nicht mehr effektiv nutzen und weicht Büschen und Bäumen. Zum anderen ist Verbuschung auf die ökologische Natur der namibischen Savannen zurückzuführen: Ihre Entwicklung ist ereignisorientiert, hängt also von akuten Vorfällen wie Regenfall ab. Demzufolge ist Grasland natürlichen Schwankungen unterworfen, Verbuschung ist somit nur temporäres Phänomen, das bekämpft werden kann.

Als bestimmende Faktoren nennen jüngste Studien primär Regenfall, Boden und Närstoffe, das heißt Faktoren, die außerhalb der Kontrolle der Farmer liegen. Sekundär hingegen hat vor allem der Mensch zur negativen Entwicklung beigetragen. Im Interesse ihrer Rinderzucht haben Farmer die früher gelegentlich auftretenden Veldfeuer beendet, die die Diversität der Pflanzen erhöhen. Natürliche grasende Tierarten mussten Nutztieren wie Rindern weichen, die Rinderzahlen waren meist viel zu hoch für die Ressourcen des Weidelandes. Die drastisch gefallenen Zahlen von Wild stehen einem weit verbreiteten Mismanagement des Farmlands gegenüber. Wissenschaftler J. N. De Klerk schreibt in einer maßgeblichen Studie, dass seit Mitte des letzten Jahrhunderts auch die Rinderzahlen auf den Farmen immer weiter sinken. „Daraus kann man ableiten, dass selbst dann noch der Weidedruck zur nachhaltigen Nutzung des Bodfens zu groß war, und dies trotz der sinkenden Rinderzahlen. Das hat einen Teufelskreis in Gang gesetzt. Man fürchtet, dass die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme gebrochen ist.“ Nur mit externen Maßnahmen könne man diese fatale Entwicklung rückgängig machen.

Umso wichtiger ist es daher für zahlreiche Organisationen und Firmen geworden, der Verbuschung Einhalt zu gebieten. Die ökonomischen Aussichten, die ein effektives Programm verspricht, sind enorm. De Klerk zufolge können Ländereien deutlich mehr abwerfen, wenn das Problem erst gelöst ist, und mehr Farmer können tätig sein. „In den Kommunalgebieten können mehr Menschen ihren Lebensunterhalt aus dem Land beziehen, und die Menschen vor Ort werden mehr verdienen und eine höhere Lebensqualität haben. Gleichzeitig kann man die hohe landesweite Arbeitslosenrate durch Buschkontrolle angehen.“

Auch über das Wie haben sich zahlreiche Wissenschaftler Gedanken gemacht. De Klerk schlägt vor, ein umfassendes Buschkontrolle-Programm der Regierung zu implementieren. „Fast alle Maßnahmen gegen Verbuschung sind sehr teuer. Die große Mehrheit der Farmer kann sich so etwas nicht leisten.“ Sein Vorschlag: Die Regierung soll die Entfernung von Busch auf 5 Millionen Hektar Land im Jahr über 20 Jahre subventionieren. Die Kosten würden etwa 17,5 Millionen N$ pro Jahr betragen, mit über 6 000 neu angestellten Arbeitnehmern. Gleichzeitig soll die Regierung Eigeninitiativen der Farmer subventionieren. De Klerk zufolge könnten diese Kosten sich nach 13 bis 15 Jahren durch Steuererhöhungen amortisiert haben. Nötig seien auch Kredite für Kleinunternehmer, die Einbeziehung des Food-for-Work-Programms und eine allgemeine Strategie gegen Dürre.

Eine weitere wissenschaftliche Untersuchung geht davon aus, dass in Namibia bei 60 Prozent der von Verbuschung betroffenen Gebiete Maßnahmen gegen Verbuschung, sogenanntes De-Bushing, angewendet werden können. Damit könne man die Buschdichte um bis zu 67 Prozent reduzieren, pro Jahr etwa fünf Prozent.

Auch nach aktuelleren Rechnungen ergibt dies auf der Kostenseite Sinn. In einer Studie der Namibia Nature Foundation von 2016 gehen die Autoren davon aus, dass De-Bushing insgesamt etwa 28,1 Milliarden N$ kosten wird, der wirtschaftliche Nutzen würde aber insgesamt 76,1 Milliarden N$ betragen. Das entspricht einem Netto-Gewinn von 48 Milliarden N$. Selbst im schlimmsten Fall, bei einem kleinstmöglichen Gewinn und höchstmöglichen Kosten, wäre mehr gewonnen als ausgegeben. Man rechnet sich Vorteile für die Rinderzucht, Grundwasser, Holzohleproduktion und Energiegewinnung aus.

Während Wissenschaftler diese Ergebnisse und Rechnungen schon seit Jahren präsentieren, kommt langsam Bewegung in die Sache. Erst neulich wurde feierlich die erste Sendung nachhaltig produzierter Holzkohle aus namibischem Busch in die USA exportiert. Die Firma N-BiG und die Abteilung De-bushing Advisory Service, mit Unterstützung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eröffneten kürzlich zwei Programme, die Farmer in der selbstständigen Entfernung und Nutzung ihres Busches unterstützen sollen. Farmer sollen befähigt werden, profitorientiert Maßnahmen gegen Verbuschung auf ihrem eigenen Land zu ergreifen. Aus der Biomasse kann Holzkohle hergestellt werden, oder Viehfutter. Dies wiederum hilft den Farmern, ihre Tiere durch die harten Dürreperioden zu füttern. „Verbuschung ist ein Desaster, aber wir können es für uns nutzen“, so Progress Kashandula, Geschäftsführer von N-BiG.

Eines dieser Projekte sind Biomasse-Industrieparks (BIPs), wie sie vom De-bushing Advisory Service (DAS) betrieben werden. Das Ziel ist, die etwa 450 Millionen Tonnen Biomasse als erneuerbare Energiequelle zu nutzen. 250 000 Tonnen sollen pro Jahr „geerntet“ und verarbeitet, 200 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Laut dem DAS könnten idealerweise 105 BIPs in Namibia eingerichtet werden, um landesweit Verbuschung aufzuhalten, die Wirtschaft zu fördern und zum Bruttoinlandsprodukt beizutragen.

Der Direktor für Forstwirtschaft im Umweltministerium, Joseph Hailwa, äußerte sich begeistert angesichts der ökonomischen Möglichkeiten. „Wir haben Busch so lange als Problem angesehen und es wie eine heiße Kartoffel behandelt. Doch je mehr wir versuchen, ihn loszuwerden, desto mehr sehen wir den Nutzen. Wir können ein Problem in eine Chance wandeln.“

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Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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