Vergangenheit in der Kapsel
Von Antonia Hilpert, Windhoek
Am Kupfer des rund 40 Zentimeter hohen Behälters hat sich schon Patina gebildet. Fasst man ihn an, nehmen die Hände sofort einen intensiven Metallgeruch an. Man merkt der Zeitkapsel, die bei der Deutschen Höheren Privatschule (DHPS) gefunden wurde an, dass sie alt ist. 1953, als der Grundstein des damaligen Knabenheims, auch „Teicherthaus“ genannt, gelegt wurde, war die Kapsel gefüllt und hinter einer Steinplatte eingemauert worden. 2014, also rund 60 Jahre später, wurde das Relikt aus der Vergangenheit dann bei Bauarbeiten wiederentdeckt – und zwar bei den Sanierungsarbeiten des ehemaligen Internats, was heute die Vorschule ist.
Doch dann geriet die Zeitkapsel für weitere rund vier Jahre in Vergessenheit – unter dem Schreibtisch des damaligen Hausmeisters. „Die Umbauarbeiten waren wohl ein ganz schöner Trubel“, erklärt sich DHPS-Schulleiterin Kristin Eichholz diese Tatsache. Als Anfang November diesen Jahres ein neuer Hausmeister das Büro übernahm, tauchte die altehrwürdige Dokumentenhülse wieder auf. Jetzt endlich kann das Geheimnis um ihren Inhalt gelüftet werden.
Angst vor toten Tieren
Um die Kapsel zu öffnen, brachte der neue Hausmeister der Schule, Matthias Fechter, den Lötzinn an der Kupferkapsel mit einem Lötkolben vorsichtig zum Schmelzen. Bevor er die geöffnete Kapsel dann der Schulleiterin übergab, musste er sie noch einer speziellen Überprüfung unterziehen: Sicherstellen, dass sich keine toten Tiere darin befanden. „Das war nämlich meine größte Sorge“, lacht Eichholz. Gemeinsam mit Heilke Daun, der ersten Vorsitzenden des Deutschen Schulvereins Windhoek, öffnete sie die Zeitkapsel Anfang November. Über den Inhalt konnten sie nur staunen.
Der Begriff „Zeitkapsel“ wurde in den 1930er-Jahren wohl zum ersten Mal benutzt. Aus der Zeit der Jahrhundertwende existieren in den USA schätzungsweise um die 30 Kapseln. Traditionsgemäß werden darin zu Dokumentationszwecken zeittypische Dinge für nachfolgende Generationen aufbewahrt. Auch in der Kugel von Kirchturmspitzen werden manchmal Zeitkapseln hinterlegt. Am Fernsehturm der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ist beispielsweise eine 500-Jahr-Zeitkapsel angebracht. Sie wurde 1985 verschlossen und soll im Jahr 2485 geöffnet werden.
Zeitdokumente sind gut erhalten
Jörg Rapp, der Fachschaftsleiter für Geschichte an der DHPS, ist über die Vielfalt der Inhalte in der Kupferkapsel der Schule überrascht: „Ich kenne es, dass ein, zwei Tageszeitungen drin sind, bei uns sind es aber gleich vier verschiedene in unterschiedlichen Sprachen, zudem Kriegsausgaben von Briefmarken und Währung aus der Kolonialzeit, das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Zudem sind mehrere Jahresberichte der Schule und Schwarz-Weiß-Fotos zum Vorschein gekommen. „Ich habe ehrlich gesagt mit weniger gerechnet. Außerdem bin ich wirklich überrascht, wie gut die Zeitungen und Fotos noch erhalten sind. Die Kapsel muss wirklich einwandfrei luftdicht verschlossen gewesen sein“, freut sich Rapp.
Mit dem Inhalt der Zeitkapsel könnte man sich tagelang beschäftigen. Rapp fährt mit dem Finger über die Riffelung am Rand einer Geldmünze aus der Kolonialzeit: „Diese Prägung war dazu da sicherzustellen, dass die Münze nicht an Wert verloren hat, denn immer wieder wurde Silber vom Münzrand abgehobelt“, erklärt er.
Zeitkapsel dokumentiert sich selbst
Eichholz findet die alten Jahresberichte besonders interessant, denn teilweise seien die Anliegen der Lehrer gegenüber Eltern dieselben wie heute noch: „Da sind Jahresberichte aus den 30er Jahren dabei. Schon damals wurde geschrieben‚ Eltern sollen mit ihren Kindern lesen und auch zu Hause Erziehungsarbeit leisten‘“. Auch Werbeanzeigen in den Zeitungen machen den Zeitsprung deutlich erkennbar – eine große Zigarettenwerbung ist da beispielsweise abgedruckt, heutzutage ist das gesetzlich verboten. Auch die Anonnce einer Knochenmehlfabrik, die dazu aufruft Knochen dort abzugeben, lässt Eichhorn und Rapp schmunzeln.
Die Zeitkapsel dokumentiert sich auch selbst in einer gewissen Weise. Denn auf den beigelegten Fotos ist neben den Bauarbeiten für das Knabenheim auch die Grundsteinlegung des heutigen Teicherthauses festgehalten. Es ist übrigens nach dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Schulvereins, G. Teichert, benannt.
Geschichte zum Anfassen
Noch wissen die meisten Schüler nichts von der Zeitkapsel, die so viel über die Vergangenheit ihrer Schule verrät. Eine vierte Klasse hat Tina Crüys, Pressesprecherin der DHPS, aber schon mal mit der Kupferkapsel in den Händen herumlaufen sehen und sich sehr neugierig gezeigt, wie sie sagt. Rapp will die Zeitkapsel nächstes Jahr als Projekt für den Geschichtsunterricht nutzen: „Die Schüler sollen eigenhändig die Vergangenheit ihrer Schule erforschen.“ Schließlich seien drei Jahrzehnte abgedeckt, da könne man politische Entwicklungen beobachten. „Greifbare Materialien kommen bei Schülern sowieso viel besser an, als in Büchern abgedruckte Geschichte zu predigen“, so Rapp. Eichholz fügt hinzu: „Außerdem können die Schüler ganz einfach an die Orte gehen, die auf den alten Fotos abgebildet sind und mit eigenen Augen sehen was sich verändert hat. Es ist also Geschichte in der eigenen Lebenswelt. Das ist spannend!“
So können die Schüler aus dem Jahresbricht von 1931 erfahren, dass es damals rund 270 Schüler an der DHPS gab, heute sind es 930 – wenn man die Vorschul- und Kindergartenkinder dazurechnet sind es sogar 1200 Schüler. Nicht nur die Schüleranzahl hat sich verändert, auch die Struktur der Schule. Früher gab es beispielsweise noch viel mehr Kinder, die von weiter entfernt kamen, teilweise sogar aus Südafrika und dementsprechend im Internat untergebracht waren. Heute gibt es kaum noch Internatskinder, weshalb das Heim später zur Vorschule umfunktioniert wurde.
Momentan denkt die Schulleitung im Rahmen der Grundsanierung und Erweiterung der DHPS-Turnhalle darüber nach dort eine neue Zeitkapsel zu deponieren. Die Nachwelt freut sich sehr über eine solche Geste – das hat die DHPS gerade selbst erfahren.
Am Kupfer des rund 40 Zentimeter hohen Behälters hat sich schon Patina gebildet. Fasst man ihn an, nehmen die Hände sofort einen intensiven Metallgeruch an. Man merkt der Zeitkapsel, die bei der Deutschen Höheren Privatschule (DHPS) gefunden wurde an, dass sie alt ist. 1953, als der Grundstein des damaligen Knabenheims, auch „Teicherthaus“ genannt, gelegt wurde, war die Kapsel gefüllt und hinter einer Steinplatte eingemauert worden. 2014, also rund 60 Jahre später, wurde das Relikt aus der Vergangenheit dann bei Bauarbeiten wiederentdeckt – und zwar bei den Sanierungsarbeiten des ehemaligen Internats, was heute die Vorschule ist.
Doch dann geriet die Zeitkapsel für weitere rund vier Jahre in Vergessenheit – unter dem Schreibtisch des damaligen Hausmeisters. „Die Umbauarbeiten waren wohl ein ganz schöner Trubel“, erklärt sich DHPS-Schulleiterin Kristin Eichholz diese Tatsache. Als Anfang November diesen Jahres ein neuer Hausmeister das Büro übernahm, tauchte die altehrwürdige Dokumentenhülse wieder auf. Jetzt endlich kann das Geheimnis um ihren Inhalt gelüftet werden.
Angst vor toten Tieren
Um die Kapsel zu öffnen, brachte der neue Hausmeister der Schule, Matthias Fechter, den Lötzinn an der Kupferkapsel mit einem Lötkolben vorsichtig zum Schmelzen. Bevor er die geöffnete Kapsel dann der Schulleiterin übergab, musste er sie noch einer speziellen Überprüfung unterziehen: Sicherstellen, dass sich keine toten Tiere darin befanden. „Das war nämlich meine größte Sorge“, lacht Eichholz. Gemeinsam mit Heilke Daun, der ersten Vorsitzenden des Deutschen Schulvereins Windhoek, öffnete sie die Zeitkapsel Anfang November. Über den Inhalt konnten sie nur staunen.
Der Begriff „Zeitkapsel“ wurde in den 1930er-Jahren wohl zum ersten Mal benutzt. Aus der Zeit der Jahrhundertwende existieren in den USA schätzungsweise um die 30 Kapseln. Traditionsgemäß werden darin zu Dokumentationszwecken zeittypische Dinge für nachfolgende Generationen aufbewahrt. Auch in der Kugel von Kirchturmspitzen werden manchmal Zeitkapseln hinterlegt. Am Fernsehturm der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ist beispielsweise eine 500-Jahr-Zeitkapsel angebracht. Sie wurde 1985 verschlossen und soll im Jahr 2485 geöffnet werden.
Zeitdokumente sind gut erhalten
Jörg Rapp, der Fachschaftsleiter für Geschichte an der DHPS, ist über die Vielfalt der Inhalte in der Kupferkapsel der Schule überrascht: „Ich kenne es, dass ein, zwei Tageszeitungen drin sind, bei uns sind es aber gleich vier verschiedene in unterschiedlichen Sprachen, zudem Kriegsausgaben von Briefmarken und Währung aus der Kolonialzeit, das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Zudem sind mehrere Jahresberichte der Schule und Schwarz-Weiß-Fotos zum Vorschein gekommen. „Ich habe ehrlich gesagt mit weniger gerechnet. Außerdem bin ich wirklich überrascht, wie gut die Zeitungen und Fotos noch erhalten sind. Die Kapsel muss wirklich einwandfrei luftdicht verschlossen gewesen sein“, freut sich Rapp.
Mit dem Inhalt der Zeitkapsel könnte man sich tagelang beschäftigen. Rapp fährt mit dem Finger über die Riffelung am Rand einer Geldmünze aus der Kolonialzeit: „Diese Prägung war dazu da sicherzustellen, dass die Münze nicht an Wert verloren hat, denn immer wieder wurde Silber vom Münzrand abgehobelt“, erklärt er.
Zeitkapsel dokumentiert sich selbst
Eichholz findet die alten Jahresberichte besonders interessant, denn teilweise seien die Anliegen der Lehrer gegenüber Eltern dieselben wie heute noch: „Da sind Jahresberichte aus den 30er Jahren dabei. Schon damals wurde geschrieben‚ Eltern sollen mit ihren Kindern lesen und auch zu Hause Erziehungsarbeit leisten‘“. Auch Werbeanzeigen in den Zeitungen machen den Zeitsprung deutlich erkennbar – eine große Zigarettenwerbung ist da beispielsweise abgedruckt, heutzutage ist das gesetzlich verboten. Auch die Anonnce einer Knochenmehlfabrik, die dazu aufruft Knochen dort abzugeben, lässt Eichhorn und Rapp schmunzeln.
Die Zeitkapsel dokumentiert sich auch selbst in einer gewissen Weise. Denn auf den beigelegten Fotos ist neben den Bauarbeiten für das Knabenheim auch die Grundsteinlegung des heutigen Teicherthauses festgehalten. Es ist übrigens nach dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Schulvereins, G. Teichert, benannt.
Geschichte zum Anfassen
Noch wissen die meisten Schüler nichts von der Zeitkapsel, die so viel über die Vergangenheit ihrer Schule verrät. Eine vierte Klasse hat Tina Crüys, Pressesprecherin der DHPS, aber schon mal mit der Kupferkapsel in den Händen herumlaufen sehen und sich sehr neugierig gezeigt, wie sie sagt. Rapp will die Zeitkapsel nächstes Jahr als Projekt für den Geschichtsunterricht nutzen: „Die Schüler sollen eigenhändig die Vergangenheit ihrer Schule erforschen.“ Schließlich seien drei Jahrzehnte abgedeckt, da könne man politische Entwicklungen beobachten. „Greifbare Materialien kommen bei Schülern sowieso viel besser an, als in Büchern abgedruckte Geschichte zu predigen“, so Rapp. Eichholz fügt hinzu: „Außerdem können die Schüler ganz einfach an die Orte gehen, die auf den alten Fotos abgebildet sind und mit eigenen Augen sehen was sich verändert hat. Es ist also Geschichte in der eigenen Lebenswelt. Das ist spannend!“
So können die Schüler aus dem Jahresbricht von 1931 erfahren, dass es damals rund 270 Schüler an der DHPS gab, heute sind es 930 – wenn man die Vorschul- und Kindergartenkinder dazurechnet sind es sogar 1200 Schüler. Nicht nur die Schüleranzahl hat sich verändert, auch die Struktur der Schule. Früher gab es beispielsweise noch viel mehr Kinder, die von weiter entfernt kamen, teilweise sogar aus Südafrika und dementsprechend im Internat untergebracht waren. Heute gibt es kaum noch Internatskinder, weshalb das Heim später zur Vorschule umfunktioniert wurde.
Momentan denkt die Schulleitung im Rahmen der Grundsanierung und Erweiterung der DHPS-Turnhalle darüber nach dort eine neue Zeitkapsel zu deponieren. Die Nachwelt freut sich sehr über eine solche Geste – das hat die DHPS gerade selbst erfahren.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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