Verlassene Stätten
Eine Fahrt ins Diamant-Sperrgebiet
Text und Fotos: Wiebke Schmidt
Wenn man an namibische Geisterstädte denkt, fällt einem augenblicklich Kolmanskuppe ein, die wohl bekannteste der insgesamt vier seit Jahrzehnten verlassenen Städte. Doch das Sperrgebiet mit einer Fläche von rund 26000 km² birgt mehrere ehemals lebendige und fortschrittliche Ortschaften mit bis zu 5000 Einwohnern.
Genau einhundert Jahre nachdem das riesige Gebiet zum Diamantsperrgebiet erklärt wurde, nämlich 2008, wurde der Sperrgebiet-Nationalpark gegründet, welcher vier Jahre später vom Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus (MEFT) in Tsau-IIKhaeb-Nationalpark umbenannt wurde. Der Park erstreckt sich an der Westküste Namibias vom Oranjefluss im Süden bis zum Namib-Naukluft-Nationalpark im Norden.
Wir wollen Elisabethbucht, Pomona, dem Ida- oder Märchental sowie dem Bogenfelsen einen Besuch abstattten.
Die Elisabeth-Tour, die bei Heinz Manns, Inhaber von Namib Offroad Excursions (NOEX) gebucht werden kann, führt uns in eine Gegend rund 45 Kilometer südlich von Lüderitzbucht. Bevor wir diese Geisterstadt erreichen, passieren wir die aktive Diamantmine von Elisabethbucht, kurz "Ebay" genannt. Von dort aus sind es nur wenige Kilometer, bis wir die ehemaligen Unterkünfte der 1200 schwarzen Minenarbeiter erreichen. Diese wirken schockierend, denn die Arbeitgeber der Diamantgesallschaft boten den Arbeitern in einer Art Stallbox lediglich eine Fläche zum Schlafen. Privatsphäre schien es nicht zu geben. Doch da der Lohn ausgezeichnet war - die Arbeiter verdienten dreimal so viel als üblich - Kost und „Logie“ frei und es keine Möglichkeit gab, das Geld auszugeben, nahmen sie das raue Leben und die harte Arbeit in Kauf, um als wohlhabende Männer nach Hause ins Ovamboland zurückzukehren. Oftmals verlängerten sie sogar den Arbeitsvertrag, der über 1,5 Jahre verlief.
Im Dorf selbst lebten um die 350 weiße Männer, Frauen und Kinder in zumeist einfachen Häusern. Die unverheirateten Männer mussten separat leben. Die kleineren Kinder besuchten die Grundschule, mit insgesamt zwei Klassenzimmern. Eine Art Kasino mit Ballsaal und Kegelbahn sorgte bei den Erwachsenen für etwas Abwechslung im Alltag.
Witterung und Natur übernehmen die Stadt
Schließlich erreichen wir eine riesige Industrieruine. Hier wurden rund zehn Millionen Tonnen Kies durchgeschleust und nachdem die kostbaren Diamanten herausgewaschen und -gesiebt waren, dem Meer zugeführt. Auf diese Weise wurden rund 1,25 Millionen Karat zu Tage gefördert. Durch diese Arbeit entstand nördlich von Elisabethbucht ein See mit einer Fläche von 15 Quadratkilometern.
Nachdem Elisabethbucht 1935 aufgegeben worden war, verfiel die einst belebte Stadt im Laufe der vielen Jahrzehnte. Längst haben Wind und Witterung ihre Spuren hinterlassen. Manche der Hausmauern bestehen nur noch aus einem Fugenskelett, doch an den Innenwänden sind noch die Farbe und teilweise auch Wandmalereien zu erkennen. Meistens waren es nur einfache Muster. Am bekanntesten ist wohl das Zimmer mit den beiden Palmen. Auf diese Weise versuchte ein Angestellter der Diamantmine seine Angebetete nach Elisabethbucht zu locken. Wie es hieß kam sie zwar, blieb jedoch nicht lange.
Auch die Fußböden, meist aus einfache Holzplanken, im Kasino aus Fliesen, sind größtenteils gut erhalten. In manchen Räumen befinden sich sogar noch eiserene Bettgestelle. Außentüren und Fenster sind von Wind und Sand abgeschmirgelt und durch die Sonne erhielten sie die Farbe ausgebleichter Knochen.
Wer eine Fahrt tief in das Sperrgebiet nach Pomona und zum Bogenfels unternehmen möchte, sollte diese bei dem lizensierten Unternehmen Coastways Tours Lüderitz buchen. Ein 4x4-Fahrzeug ist unbedingt notwendig, denn Teile der Strecke sind mit „normalen“ Pkws nicht zu bewältigen.
Auf dem Weg nach Pomona stoppen wir in Grillental. Bei der ehemaligen Pumpstation wurde das Wasser aus dem unterirdisch verlaufenden Kaukausibrivier in einer Tiefe zwischen 40 und 60 Metern geholt, um Elisabethbucht und einige Camps mit Frischwasser zu versorgen.
Auffallend bei Grillenthal ist der bläuliche Stein, der überall aus dem Boden zu wachsen scheint. Es handelt sich dabei um blauen Marmor. Ein Glück für das fragile Ökosystem, dass dieser Marmor noch nicht abgebaut wird.
Tal der 10000 Hügel
Wir durchqueren eine unwirtliche Gegend, in der trotz der widrigen Bedingungen Pflanzen wachsen, die mit einem Minimum an Feuchtigkeit auskommen. Viele von ihnen beginnen zaghaft in gelb, blau und purpur zu blühen.
Immer wieder fallen uns größere aufeinander gestellte Steine auf. Jeder Diamantsucher der in einem bestimmten Gebiet prosperieren wollte, meldete dieses in Kolmanskuppe bei der Deutschen Kolonialgesellschaft an. Zu Beginn wurde von der Mitte aus, in der das Steinmännchen stand, ein Kreis mit einem Radius von 400 Metern gezogen. In diesem Claim konnte der Schatzsucher nach Diamanten schürfen. Natürlich gab es immer wieder böse Auseinandersetzungen, da es bei diesem System mehrere Überschneidungen gab. Deshalb wurden ab 1918 die Claims viereckig abgesteckt.
Heute fährt man an tausenden kleinen Abraumhügeln vorbei, die durch den Gesteins- und Sandausstoß der Trommelsiebe entstanden. Mit diesen wurde die Oberfläche der Täler immer feiner gesiebt, bis man die sogenannten Spüldiamanten herauslesen konnte. Das hohe Diamantvorkommen entstand bereits in grauer Vorzeit, als der Atlantik noch in diese beiden Haupttäler vordringen konnte und die Diamanten anspühlte. In der „Hauptsaison“, die von 1912 bis 1931 andauerte, wurden zwischen 6,5 und sieben Millionen Karat in diesem Gebiet um Pomona gefördert.
In der Ortschaft selbst gab es neben einer Schule auch einen Arzt, der das größte Haus bewohnte sowie einen Friedhof, der heute noch besucht werden kann.
Unser letztes Ziel ist Bogenfels. Die Fahrt führt uns durch eine faszinierende Mondlandschaft. Die Geisterstadt selbst ist schnell durchquert, uns zieht es mehr zu dem Namensgeber, dem legendären Bogenfels, der mit einem mächtigen Fuß im Atlantik steht. Je näher wir ihm kommen, desto eindrucksvoller wird er. Majestätisch erhebt er sich aus der Landschaft. Im Laufe vieler Millionen Jahre wurde dieser imposante Bogen mit einer Höhe von knapp 60 Meter und einer Breite von bis zu 18 Meter durch Meer und Witterung erschaffen.
Ein Besuch im Sperrgebiet sollte man sich keinesfalls entgehen lassen – hier ist man nicht nur den Naturgewalten wie Wüste und Atlantik nahe, sondern auch der Geschichte, die Namibia mit zu dem gemacht hat, was es heute darstellt, sowohl wirtschaftlich als auch politisch.
Wenn man die Geisterstädte hinter sich lässt, kann man sich vorstellen, wie ein leises Flüstern durch die verlassenen Häuser und Straßen streicht.
Wenn man an namibische Geisterstädte denkt, fällt einem augenblicklich Kolmanskuppe ein, die wohl bekannteste der insgesamt vier seit Jahrzehnten verlassenen Städte. Doch das Sperrgebiet mit einer Fläche von rund 26000 km² birgt mehrere ehemals lebendige und fortschrittliche Ortschaften mit bis zu 5000 Einwohnern.
Genau einhundert Jahre nachdem das riesige Gebiet zum Diamantsperrgebiet erklärt wurde, nämlich 2008, wurde der Sperrgebiet-Nationalpark gegründet, welcher vier Jahre später vom Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus (MEFT) in Tsau-IIKhaeb-Nationalpark umbenannt wurde. Der Park erstreckt sich an der Westküste Namibias vom Oranjefluss im Süden bis zum Namib-Naukluft-Nationalpark im Norden.
Wir wollen Elisabethbucht, Pomona, dem Ida- oder Märchental sowie dem Bogenfelsen einen Besuch abstattten.
Die Elisabeth-Tour, die bei Heinz Manns, Inhaber von Namib Offroad Excursions (NOEX) gebucht werden kann, führt uns in eine Gegend rund 45 Kilometer südlich von Lüderitzbucht. Bevor wir diese Geisterstadt erreichen, passieren wir die aktive Diamantmine von Elisabethbucht, kurz "Ebay" genannt. Von dort aus sind es nur wenige Kilometer, bis wir die ehemaligen Unterkünfte der 1200 schwarzen Minenarbeiter erreichen. Diese wirken schockierend, denn die Arbeitgeber der Diamantgesallschaft boten den Arbeitern in einer Art Stallbox lediglich eine Fläche zum Schlafen. Privatsphäre schien es nicht zu geben. Doch da der Lohn ausgezeichnet war - die Arbeiter verdienten dreimal so viel als üblich - Kost und „Logie“ frei und es keine Möglichkeit gab, das Geld auszugeben, nahmen sie das raue Leben und die harte Arbeit in Kauf, um als wohlhabende Männer nach Hause ins Ovamboland zurückzukehren. Oftmals verlängerten sie sogar den Arbeitsvertrag, der über 1,5 Jahre verlief.
Im Dorf selbst lebten um die 350 weiße Männer, Frauen und Kinder in zumeist einfachen Häusern. Die unverheirateten Männer mussten separat leben. Die kleineren Kinder besuchten die Grundschule, mit insgesamt zwei Klassenzimmern. Eine Art Kasino mit Ballsaal und Kegelbahn sorgte bei den Erwachsenen für etwas Abwechslung im Alltag.
Witterung und Natur übernehmen die Stadt
Schließlich erreichen wir eine riesige Industrieruine. Hier wurden rund zehn Millionen Tonnen Kies durchgeschleust und nachdem die kostbaren Diamanten herausgewaschen und -gesiebt waren, dem Meer zugeführt. Auf diese Weise wurden rund 1,25 Millionen Karat zu Tage gefördert. Durch diese Arbeit entstand nördlich von Elisabethbucht ein See mit einer Fläche von 15 Quadratkilometern.
Nachdem Elisabethbucht 1935 aufgegeben worden war, verfiel die einst belebte Stadt im Laufe der vielen Jahrzehnte. Längst haben Wind und Witterung ihre Spuren hinterlassen. Manche der Hausmauern bestehen nur noch aus einem Fugenskelett, doch an den Innenwänden sind noch die Farbe und teilweise auch Wandmalereien zu erkennen. Meistens waren es nur einfache Muster. Am bekanntesten ist wohl das Zimmer mit den beiden Palmen. Auf diese Weise versuchte ein Angestellter der Diamantmine seine Angebetete nach Elisabethbucht zu locken. Wie es hieß kam sie zwar, blieb jedoch nicht lange.
Auch die Fußböden, meist aus einfache Holzplanken, im Kasino aus Fliesen, sind größtenteils gut erhalten. In manchen Räumen befinden sich sogar noch eiserene Bettgestelle. Außentüren und Fenster sind von Wind und Sand abgeschmirgelt und durch die Sonne erhielten sie die Farbe ausgebleichter Knochen.
Wer eine Fahrt tief in das Sperrgebiet nach Pomona und zum Bogenfels unternehmen möchte, sollte diese bei dem lizensierten Unternehmen Coastways Tours Lüderitz buchen. Ein 4x4-Fahrzeug ist unbedingt notwendig, denn Teile der Strecke sind mit „normalen“ Pkws nicht zu bewältigen.
Auf dem Weg nach Pomona stoppen wir in Grillental. Bei der ehemaligen Pumpstation wurde das Wasser aus dem unterirdisch verlaufenden Kaukausibrivier in einer Tiefe zwischen 40 und 60 Metern geholt, um Elisabethbucht und einige Camps mit Frischwasser zu versorgen.
Auffallend bei Grillenthal ist der bläuliche Stein, der überall aus dem Boden zu wachsen scheint. Es handelt sich dabei um blauen Marmor. Ein Glück für das fragile Ökosystem, dass dieser Marmor noch nicht abgebaut wird.
Tal der 10000 Hügel
Wir durchqueren eine unwirtliche Gegend, in der trotz der widrigen Bedingungen Pflanzen wachsen, die mit einem Minimum an Feuchtigkeit auskommen. Viele von ihnen beginnen zaghaft in gelb, blau und purpur zu blühen.
Immer wieder fallen uns größere aufeinander gestellte Steine auf. Jeder Diamantsucher der in einem bestimmten Gebiet prosperieren wollte, meldete dieses in Kolmanskuppe bei der Deutschen Kolonialgesellschaft an. Zu Beginn wurde von der Mitte aus, in der das Steinmännchen stand, ein Kreis mit einem Radius von 400 Metern gezogen. In diesem Claim konnte der Schatzsucher nach Diamanten schürfen. Natürlich gab es immer wieder böse Auseinandersetzungen, da es bei diesem System mehrere Überschneidungen gab. Deshalb wurden ab 1918 die Claims viereckig abgesteckt.
Heute fährt man an tausenden kleinen Abraumhügeln vorbei, die durch den Gesteins- und Sandausstoß der Trommelsiebe entstanden. Mit diesen wurde die Oberfläche der Täler immer feiner gesiebt, bis man die sogenannten Spüldiamanten herauslesen konnte. Das hohe Diamantvorkommen entstand bereits in grauer Vorzeit, als der Atlantik noch in diese beiden Haupttäler vordringen konnte und die Diamanten anspühlte. In der „Hauptsaison“, die von 1912 bis 1931 andauerte, wurden zwischen 6,5 und sieben Millionen Karat in diesem Gebiet um Pomona gefördert.
In der Ortschaft selbst gab es neben einer Schule auch einen Arzt, der das größte Haus bewohnte sowie einen Friedhof, der heute noch besucht werden kann.
Unser letztes Ziel ist Bogenfels. Die Fahrt führt uns durch eine faszinierende Mondlandschaft. Die Geisterstadt selbst ist schnell durchquert, uns zieht es mehr zu dem Namensgeber, dem legendären Bogenfels, der mit einem mächtigen Fuß im Atlantik steht. Je näher wir ihm kommen, desto eindrucksvoller wird er. Majestätisch erhebt er sich aus der Landschaft. Im Laufe vieler Millionen Jahre wurde dieser imposante Bogen mit einer Höhe von knapp 60 Meter und einer Breite von bis zu 18 Meter durch Meer und Witterung erschaffen.
Ein Besuch im Sperrgebiet sollte man sich keinesfalls entgehen lassen – hier ist man nicht nur den Naturgewalten wie Wüste und Atlantik nahe, sondern auch der Geschichte, die Namibia mit zu dem gemacht hat, was es heute darstellt, sowohl wirtschaftlich als auch politisch.
Wenn man die Geisterstädte hinter sich lässt, kann man sich vorstellen, wie ein leises Flüstern durch die verlassenen Häuser und Straßen streicht.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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