Verworrene Welt
Welch frischer Wind in Stefan Fischers Kommentar zur 7minütigen Schweigezeit zum Thema „White Lives Matter Too“, von Oberschülern meiner alten Penne in Windhoek nach dem Tod des kriminellen US-Amerikaners George Floyd durch einen Polizisten initiiert.
Im Zeitraum von 1997 bis 2007 wurde Floyd neun Mal wegen Straftaten verurteilt. Die ihm vorgeworfenen Rechtsverstöße umfassten dabei Drogendelikte, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Weigerung der Identifizierung gegenüber einem Polizeibeamten sowie Raub mit einer tödlichen Waffe. Nach mehreren Gefängnisaufenthalten von jeweils unter einem Jahr wurde Floyd wegen des bewaffneten Raubes, bei dem er mit Komplizen auf der Suche nach Drogen und Geld 2007 in das Haus einer Frau eingedrungen war und dieser eine Schusswaffe vor den Bauch gehalten hatte, im Jahr 2009 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Und für diesen Verbrecher irgendwo da hinten in den USA setzen diese Jugendlichen sich nun ein. Tja, Stefan, da frage ich mich allerdings auch: Wo waren diese Schüler, als ein Bürger aus Walvis Bay 2016 vor seiner Frau von Gangstern kaltblütig erschossen wurde, eine äußerst blutige Tat in ihrem eigenen Land, sozusagen vor ihrer eigenen Haustür?
Gerade stelle ich fest, dass ich keine Hautfarbe genannt habe. Warum? Weil sie mir piepschnurzegal ist. Und das, obwohl ich in der Zeit der Apartheid in diesem Lande aufgewachsen bin. Gerade weil ich farbenblind bin - außer zum Beispiel, wenn es um die schillernden Palette eines Regenbogens am Firmament geht - wundert es mich doch arg, wie sehr um mich herum noch immer in den Farben des Zebras gedacht wird. Ob nun „Black Lives Matter Too“ oder „Weiße Leben zählen auch“. Für mich persönlich zählt der Mensch als Individuum, sein Wert in einer Gesellschaft, alle physischen Merkmale sind mir dabei völlig egal.
Was ich allerdings abartig finde, so abartig, dass es mich immer weiter von einer theoretisch gewordenen Welt entfernt, die ich schon lange nicht mehr verstehe und aus der ich mich immer mehr zurückziehe: Das der Kriminelle zum Helden und das Opfer zum Bösewicht wird! Ist unsere Menschheit so blind und kalt geworden, dass sie dies nicht mehr wahrnehmen kann?
Abgesehen von dieser mir unverständlichen Tendenz finde ich, dass das Thema Rassismus - und meist regt man sich kurioserweise über angeblichen Rassismus der Weißen gegenüber den Schwarzen, auf, selten umgekehrt - ziemlich schal geworden ist, zumal ich schon seit vielen, vielen Jahren zumindest in meinem weiteren Umfeld keine Form von Rassismus erlebt habe.
Als ich das auf einem öffentlichen Forum Julika Schmidt gegenüber erwähnte, deren „Black lives matter too“ - Leserbrief zur Verteidigung der Schweigezeit dieser DHPS-Initiative am 25. Juni in der AZ erschien, meinte sie, das läge wohl daran, dass ich weiß und privilegiert sei (wieder das Zebra-Denken!), denn sie erlebe es fast täglich. Auf meine Frage, wie das denn sein kann, zumal sie auch weiß und privilegiert ist, habe ich noch keine Antwort erhalten.
Wie wäre es, zur Abwechslung mal eine Schweigeminute für all die armen, unter den katastrophalen Wirtschaftsfolgen des Lockdowns leidenden Seelen einzulegen, egal ob grün, kariert oder gesprenkelt, und das Zebra einfach mal ad acta zu legen? WENN überhaupt Schweigeminute, denn pädagogisch macht es für mich, die ich aus einer Lehrerfamilie stamme, nicht den geringsten Sinn, sich selbst nur 30 Sekunden lang für einen drogenabhängigen Gangster aus der USA auf die Erde zu knien, um seiner zu gedenken. Warum überhaupt Schweigezeit? Ich begebe mich täglich während meiner Meditation sieben Minuten oder mehr auf die Knie. Na und? Dabei fühlt man sich entspannt und kann seinen eigenen Gedanken nachhängen. Oder glauben Sie allen Ernstes, dass die Oberschüler sieben Minuten lang an „Black Lives Matter Too“ gedacht haben? WENN es in meiner Schulzeit an eben genau DER Schule so etwas gegeben hätte, dann wären meine Gedanken mitten in der Pubertätsphase allenfalls an coolen boys und der nächsten Party hängengeblieben - aber GANZ bestimmt nicht an George Floyd oder irgendeinem anderen Verbrecher!
Und noch besser: Wie wäre es, wenn die Oberschüler, statt sich sieben Minuten auf die Knie zu begeben, um den armen, von Rassismus gepeinigten Menschen dieser Erde theoretisch zu „helfen“, ihr Taschengeld für die nächsten drei Monate zusammenlegten und ganz praktisch eine Familie ausfindig machten, die ihre Arbeit verloren hat und nun nicht mehr weiß, wie es für sie weitergeht. Das wäre mal ein kleines Opfer, das man an der eigenen Haut zu spüren bekommt, und nicht nur dieser nichtssagende Bewusstwerdungsprozess, der für mich in denselben Topf fällt, wie der ich-bezogene Selbstfindungswahn in unserer verwöhnten, westlichen Welt. Reden und Schweigen kann jeder, aber einen persönlichen Verzicht bringen zugunsten eines anderen, das muss schon gekonnt sein!
Susann Kinghorn
Im Zeitraum von 1997 bis 2007 wurde Floyd neun Mal wegen Straftaten verurteilt. Die ihm vorgeworfenen Rechtsverstöße umfassten dabei Drogendelikte, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Weigerung der Identifizierung gegenüber einem Polizeibeamten sowie Raub mit einer tödlichen Waffe. Nach mehreren Gefängnisaufenthalten von jeweils unter einem Jahr wurde Floyd wegen des bewaffneten Raubes, bei dem er mit Komplizen auf der Suche nach Drogen und Geld 2007 in das Haus einer Frau eingedrungen war und dieser eine Schusswaffe vor den Bauch gehalten hatte, im Jahr 2009 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Und für diesen Verbrecher irgendwo da hinten in den USA setzen diese Jugendlichen sich nun ein. Tja, Stefan, da frage ich mich allerdings auch: Wo waren diese Schüler, als ein Bürger aus Walvis Bay 2016 vor seiner Frau von Gangstern kaltblütig erschossen wurde, eine äußerst blutige Tat in ihrem eigenen Land, sozusagen vor ihrer eigenen Haustür?
Gerade stelle ich fest, dass ich keine Hautfarbe genannt habe. Warum? Weil sie mir piepschnurzegal ist. Und das, obwohl ich in der Zeit der Apartheid in diesem Lande aufgewachsen bin. Gerade weil ich farbenblind bin - außer zum Beispiel, wenn es um die schillernden Palette eines Regenbogens am Firmament geht - wundert es mich doch arg, wie sehr um mich herum noch immer in den Farben des Zebras gedacht wird. Ob nun „Black Lives Matter Too“ oder „Weiße Leben zählen auch“. Für mich persönlich zählt der Mensch als Individuum, sein Wert in einer Gesellschaft, alle physischen Merkmale sind mir dabei völlig egal.
Was ich allerdings abartig finde, so abartig, dass es mich immer weiter von einer theoretisch gewordenen Welt entfernt, die ich schon lange nicht mehr verstehe und aus der ich mich immer mehr zurückziehe: Das der Kriminelle zum Helden und das Opfer zum Bösewicht wird! Ist unsere Menschheit so blind und kalt geworden, dass sie dies nicht mehr wahrnehmen kann?
Abgesehen von dieser mir unverständlichen Tendenz finde ich, dass das Thema Rassismus - und meist regt man sich kurioserweise über angeblichen Rassismus der Weißen gegenüber den Schwarzen, auf, selten umgekehrt - ziemlich schal geworden ist, zumal ich schon seit vielen, vielen Jahren zumindest in meinem weiteren Umfeld keine Form von Rassismus erlebt habe.
Als ich das auf einem öffentlichen Forum Julika Schmidt gegenüber erwähnte, deren „Black lives matter too“ - Leserbrief zur Verteidigung der Schweigezeit dieser DHPS-Initiative am 25. Juni in der AZ erschien, meinte sie, das läge wohl daran, dass ich weiß und privilegiert sei (wieder das Zebra-Denken!), denn sie erlebe es fast täglich. Auf meine Frage, wie das denn sein kann, zumal sie auch weiß und privilegiert ist, habe ich noch keine Antwort erhalten.
Wie wäre es, zur Abwechslung mal eine Schweigeminute für all die armen, unter den katastrophalen Wirtschaftsfolgen des Lockdowns leidenden Seelen einzulegen, egal ob grün, kariert oder gesprenkelt, und das Zebra einfach mal ad acta zu legen? WENN überhaupt Schweigeminute, denn pädagogisch macht es für mich, die ich aus einer Lehrerfamilie stamme, nicht den geringsten Sinn, sich selbst nur 30 Sekunden lang für einen drogenabhängigen Gangster aus der USA auf die Erde zu knien, um seiner zu gedenken. Warum überhaupt Schweigezeit? Ich begebe mich täglich während meiner Meditation sieben Minuten oder mehr auf die Knie. Na und? Dabei fühlt man sich entspannt und kann seinen eigenen Gedanken nachhängen. Oder glauben Sie allen Ernstes, dass die Oberschüler sieben Minuten lang an „Black Lives Matter Too“ gedacht haben? WENN es in meiner Schulzeit an eben genau DER Schule so etwas gegeben hätte, dann wären meine Gedanken mitten in der Pubertätsphase allenfalls an coolen boys und der nächsten Party hängengeblieben - aber GANZ bestimmt nicht an George Floyd oder irgendeinem anderen Verbrecher!
Und noch besser: Wie wäre es, wenn die Oberschüler, statt sich sieben Minuten auf die Knie zu begeben, um den armen, von Rassismus gepeinigten Menschen dieser Erde theoretisch zu „helfen“, ihr Taschengeld für die nächsten drei Monate zusammenlegten und ganz praktisch eine Familie ausfindig machten, die ihre Arbeit verloren hat und nun nicht mehr weiß, wie es für sie weitergeht. Das wäre mal ein kleines Opfer, das man an der eigenen Haut zu spüren bekommt, und nicht nur dieser nichtssagende Bewusstwerdungsprozess, der für mich in denselben Topf fällt, wie der ich-bezogene Selbstfindungswahn in unserer verwöhnten, westlichen Welt. Reden und Schweigen kann jeder, aber einen persönlichen Verzicht bringen zugunsten eines anderen, das muss schon gekonnt sein!
Susann Kinghorn
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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