Vom Müllplatz zum Einod
Von Eva-Marie Born, Windhoek
Man muss ein wenig suchen um das Haus von Phillip Shambwangala (36) und seiner Partnerin Hilde Kadila (35) zu finden, denn es liegt ziemlich weit außerhalb der Windhoeker Stadtmitte, am Rande von Havanna, einer informellen Siedlung. Dennoch sticht das kleine Grundstück aus dem Grau und Silber der umliegenden Hütten hervor: es ist leuchtend rosa und hellblau gestrichten.
Und nicht nur das - auch im Inneren ist das Zuhause der kleinen Familie, bestehend aus Phillip, Hilde und deren achtjährigem Sohn Bromeus etwas ganz besonderes. Man betritt das Grundstück über ein Schiebetor und landet in einer kleinen Oase. Überall wachsen Gemüse und Kräuter, deren Grün einen starken Kontrast zum trockenen Buschland drum herum bildet. Die Terrasse, das Herzstück des Gartens, ist, wie fast alles, was man auf Phillips und Hildes Grundstück bestaunen kann, aus dem Sperrmüll anderer Leute entstanden. Nichts wird hier weggeworfen, alles findet eine neue Bestimmung und wird recycelt.
Auf der Terrasse steht eine bequeme Sonnenliege, der Sonnenschirm darüber ist aus alten Plastikplanen und Holzstücken zusammengebaut. „Früher war hier eine Mülldeponie“, sagt Phillip. Er und Hilde sind im Januar 2011 aus Omusati im Norden Namibias nach Windhoek gekommen, um eine Festanstellung zu finden und sich ein besseres Leben aufzubauen. Zunächst lebten sie zusammen mit Phillips Schwester in einer kleinen Hütte, finanzierten sich eine Zeit lang durch Zeitarbeitsjobs. Als sie genug Geld zusammengespart hatten, fingen sie an den Müllplatz aufzuräumen und eine kleine Hütte auf der neu gewonnenen Fläche zu errichten. Zunächst bestand diese aus nur einem Zimmer. Mit der Zeit ist die einstige Hütte um einiges gewachsen.
Heute betritt man zunächst das Empfangszimmer mit einem Bücherregal, das aus einem alten Küchenschrank entstanden ist. Die Stühle sind aus alten Paletten zusammengezimmert und der Boden besteht nicht, wie in vielen anderen Behausungen der informellen Siedlung aus festgetretenem Sand und Erde, sondern aus alten Fliesen und Holzstücken, die fast schon künstlerisch angeordnet in Beton gegossen wurden. An den Wänden hängen Zertifikate von Kursen die Phillip absolviert hat, zu Themen wie Buchhaltung und Unternehmensführung.
Was besonders auffällt: man wird als Gast ganz selbstverständlich hineingebeten. Die Familie ist stolz auf das, was sie aus dem Nichts geschaffen hat. In der Ecke steht ein komplett von Phillip selbstgebastelter Kühlschrank. Wie zum Beweis, dass dieser auch wirklich funktioniert, schenkt Hilde den Gästen sofort ein Glas kaltes Wasser ein. Eine absolute Besonderheit in der Gegend, wo fast niemand eine Kühlvorrichtung besitzt.
Nachhaltig
Der Strom dafür speist sich aus Solarzellen, welche im Garten stehen. Auch eine Alarmanlage mit Bewegungsmelder hat das Grundstück. Das Bedienungspanel dazu besteht aus vielen Drähten und einem alten Tastenhandy. Sobald jemand nachts das Grundstück betritt, lösen die Drähte den Melder aus - mit direkter Verbindung ins Schlafzimmer. Mittlerweile ist die einstige Hütte zu einem geräumigen Heim mit weiteren fünf Räumen gewachsen. Es gibt ein Schlafzimmer, ein Esszimmer und ein großes Wohnzimmer mit im Boden eingelassenen LEDs und Lautsprechern für einen gemütlichen Fernsehabend. Sogar ein Gästezimmer gibt es. Die Küche hat fließend Wasser - keine Selbstverständlichkeit in Havanna. Das Wasser selbst muss trotz aller sonstigen Annehmlichkeiten nach wie vor entweder während einem der seltenen Regenfälle aufgefangen oder mit dem Leiterwagen - welcher ebenfalls selbst aus einer alten Einkaufskiste und Metallstücken zusammengebaut wurde - bei einer circa 100 Meter entfernten Wasserstelle geholt werden. Einige Male am Tag muss jemand los, um neues Wasser zu holen. Dazu ist es wichtig, morgens schon sehr früh aufzustehen - meist sind alle Familienmitglieder schon um vier Uhr morgens auf den Beinen, da sonst die Schlange an der Wasserpumpe zu lang ist.
Mit viel Geduld und Mühe hat Phillip ein Rohrsystem entworfen, das ihm, Hilde und Bromeus in zwei Zimmern und in ihrem Toilettenhäuschen, welches auch als Dusche dient, fließendes Wasser bietet.
Vorausschauend
Betritt man den Garten, muss man sich zunächst die Hände waschen. Ein Schild über den Wasserbehältern weist auf die steigenden Hepatitis E-Infektionen im Land hin. Das Wasser zum Händewaschen wird aufgefangen und über ein kleines Rohr direkt zu den Kohlpflanzen weitergeleitet. Kein Tropfen geht verloren.
Eine weitere Besonderheit ist, dass das Paar sich bewusst dafür entschieden hat, nur ein Kind zu haben. „Wir können uns momentan einfach nicht mehr Kinder leisten, deshalb bleibt Bromeus erst einmal Einzelkind. Aber man weiß nie, was Gott für uns bereithält und vielleicht verdienen wir irgendwann einmal so viel, dass wir weitere Kinder bekommen können.“, so Phillip.
Hilde und er machen einen sehr zielstrebigen Eindruck. Jeder Handgriff ist durchdacht. Anders ist auch nicht zu erklären, dass in ihrem Garten mittlerweile über 15 Gemüse- und Kräutersorten wachsen - und das bei großer Dürre im ganzen Land, denn seit langem hat es nicht mehr richtig geregnet. Begonnen hatten sie zunächst mit einer kleinen Einheit Spinat und Kohl um zu ergründen, wie die Pflanzen wachsen und ob überhaupt jemand die Produkte abnehmen würde.
Mittlerweile kommen viele Nachbarn vorbei und möchten wissen, wie sie selbst einen solchen Garten anlegen können. Aus Platzmangel hat Phillip mittlerweile ein Hochbeet angelegt. Viele Pflanzen wachsen in alten Kanistern und Autoreifen oder anderen Behältnissen. Auch hier ist essentiell, dass kein Tropfen Wasser ungenutzt in der Erde versickert. Sein Wissen gibt er gerne weiter, gibt jedoch zu bedenken: „Viele interessieren sich für den Anbau, setzen dies dann aber nicht in die Tat um. Sie leben von der Hand in den Mund. Ich denke man kann sich nur etwas aufbauen, wenn man langfristig plant.“ Deshalb würde er gerne Kurse geben, um mehr Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich mit einem eigenen Gemüsegarten selbstständig und unabhängig zu machen.
Als nächstes möchte Phillip sein Haus aufstocken. Außerdem ist Hildes Nähmaschine kaputt gegangen. Ihr kleines Studio, mit welchem sie maßgeblich zum Einkommen der Familie beiträgt, befindet sich in einem kleinen Häuschen im Garten. Sie fertigt bunte, einzigartige Kleidungsstücke an und verdient auch am Verleih von Roben für Abschlussfeiern. So werden langfristig mehr Einnahmen generiert als durch den bloßen Verkauf von Kleidung.
Sohn Bromeus hat ebenfalls große Pläne - er möchte einmal Tierarzt werden, oder vielleicht Polizist. Und wenn er auch nur ein wenig nach seinen Eltern artet, wird ihm das sicher gelingen.
Man muss ein wenig suchen um das Haus von Phillip Shambwangala (36) und seiner Partnerin Hilde Kadila (35) zu finden, denn es liegt ziemlich weit außerhalb der Windhoeker Stadtmitte, am Rande von Havanna, einer informellen Siedlung. Dennoch sticht das kleine Grundstück aus dem Grau und Silber der umliegenden Hütten hervor: es ist leuchtend rosa und hellblau gestrichten.
Und nicht nur das - auch im Inneren ist das Zuhause der kleinen Familie, bestehend aus Phillip, Hilde und deren achtjährigem Sohn Bromeus etwas ganz besonderes. Man betritt das Grundstück über ein Schiebetor und landet in einer kleinen Oase. Überall wachsen Gemüse und Kräuter, deren Grün einen starken Kontrast zum trockenen Buschland drum herum bildet. Die Terrasse, das Herzstück des Gartens, ist, wie fast alles, was man auf Phillips und Hildes Grundstück bestaunen kann, aus dem Sperrmüll anderer Leute entstanden. Nichts wird hier weggeworfen, alles findet eine neue Bestimmung und wird recycelt.
Auf der Terrasse steht eine bequeme Sonnenliege, der Sonnenschirm darüber ist aus alten Plastikplanen und Holzstücken zusammengebaut. „Früher war hier eine Mülldeponie“, sagt Phillip. Er und Hilde sind im Januar 2011 aus Omusati im Norden Namibias nach Windhoek gekommen, um eine Festanstellung zu finden und sich ein besseres Leben aufzubauen. Zunächst lebten sie zusammen mit Phillips Schwester in einer kleinen Hütte, finanzierten sich eine Zeit lang durch Zeitarbeitsjobs. Als sie genug Geld zusammengespart hatten, fingen sie an den Müllplatz aufzuräumen und eine kleine Hütte auf der neu gewonnenen Fläche zu errichten. Zunächst bestand diese aus nur einem Zimmer. Mit der Zeit ist die einstige Hütte um einiges gewachsen.
Heute betritt man zunächst das Empfangszimmer mit einem Bücherregal, das aus einem alten Küchenschrank entstanden ist. Die Stühle sind aus alten Paletten zusammengezimmert und der Boden besteht nicht, wie in vielen anderen Behausungen der informellen Siedlung aus festgetretenem Sand und Erde, sondern aus alten Fliesen und Holzstücken, die fast schon künstlerisch angeordnet in Beton gegossen wurden. An den Wänden hängen Zertifikate von Kursen die Phillip absolviert hat, zu Themen wie Buchhaltung und Unternehmensführung.
Was besonders auffällt: man wird als Gast ganz selbstverständlich hineingebeten. Die Familie ist stolz auf das, was sie aus dem Nichts geschaffen hat. In der Ecke steht ein komplett von Phillip selbstgebastelter Kühlschrank. Wie zum Beweis, dass dieser auch wirklich funktioniert, schenkt Hilde den Gästen sofort ein Glas kaltes Wasser ein. Eine absolute Besonderheit in der Gegend, wo fast niemand eine Kühlvorrichtung besitzt.
Nachhaltig
Der Strom dafür speist sich aus Solarzellen, welche im Garten stehen. Auch eine Alarmanlage mit Bewegungsmelder hat das Grundstück. Das Bedienungspanel dazu besteht aus vielen Drähten und einem alten Tastenhandy. Sobald jemand nachts das Grundstück betritt, lösen die Drähte den Melder aus - mit direkter Verbindung ins Schlafzimmer. Mittlerweile ist die einstige Hütte zu einem geräumigen Heim mit weiteren fünf Räumen gewachsen. Es gibt ein Schlafzimmer, ein Esszimmer und ein großes Wohnzimmer mit im Boden eingelassenen LEDs und Lautsprechern für einen gemütlichen Fernsehabend. Sogar ein Gästezimmer gibt es. Die Küche hat fließend Wasser - keine Selbstverständlichkeit in Havanna. Das Wasser selbst muss trotz aller sonstigen Annehmlichkeiten nach wie vor entweder während einem der seltenen Regenfälle aufgefangen oder mit dem Leiterwagen - welcher ebenfalls selbst aus einer alten Einkaufskiste und Metallstücken zusammengebaut wurde - bei einer circa 100 Meter entfernten Wasserstelle geholt werden. Einige Male am Tag muss jemand los, um neues Wasser zu holen. Dazu ist es wichtig, morgens schon sehr früh aufzustehen - meist sind alle Familienmitglieder schon um vier Uhr morgens auf den Beinen, da sonst die Schlange an der Wasserpumpe zu lang ist.
Mit viel Geduld und Mühe hat Phillip ein Rohrsystem entworfen, das ihm, Hilde und Bromeus in zwei Zimmern und in ihrem Toilettenhäuschen, welches auch als Dusche dient, fließendes Wasser bietet.
Vorausschauend
Betritt man den Garten, muss man sich zunächst die Hände waschen. Ein Schild über den Wasserbehältern weist auf die steigenden Hepatitis E-Infektionen im Land hin. Das Wasser zum Händewaschen wird aufgefangen und über ein kleines Rohr direkt zu den Kohlpflanzen weitergeleitet. Kein Tropfen geht verloren.
Eine weitere Besonderheit ist, dass das Paar sich bewusst dafür entschieden hat, nur ein Kind zu haben. „Wir können uns momentan einfach nicht mehr Kinder leisten, deshalb bleibt Bromeus erst einmal Einzelkind. Aber man weiß nie, was Gott für uns bereithält und vielleicht verdienen wir irgendwann einmal so viel, dass wir weitere Kinder bekommen können.“, so Phillip.
Hilde und er machen einen sehr zielstrebigen Eindruck. Jeder Handgriff ist durchdacht. Anders ist auch nicht zu erklären, dass in ihrem Garten mittlerweile über 15 Gemüse- und Kräutersorten wachsen - und das bei großer Dürre im ganzen Land, denn seit langem hat es nicht mehr richtig geregnet. Begonnen hatten sie zunächst mit einer kleinen Einheit Spinat und Kohl um zu ergründen, wie die Pflanzen wachsen und ob überhaupt jemand die Produkte abnehmen würde.
Mittlerweile kommen viele Nachbarn vorbei und möchten wissen, wie sie selbst einen solchen Garten anlegen können. Aus Platzmangel hat Phillip mittlerweile ein Hochbeet angelegt. Viele Pflanzen wachsen in alten Kanistern und Autoreifen oder anderen Behältnissen. Auch hier ist essentiell, dass kein Tropfen Wasser ungenutzt in der Erde versickert. Sein Wissen gibt er gerne weiter, gibt jedoch zu bedenken: „Viele interessieren sich für den Anbau, setzen dies dann aber nicht in die Tat um. Sie leben von der Hand in den Mund. Ich denke man kann sich nur etwas aufbauen, wenn man langfristig plant.“ Deshalb würde er gerne Kurse geben, um mehr Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich mit einem eigenen Gemüsegarten selbstständig und unabhängig zu machen.
Als nächstes möchte Phillip sein Haus aufstocken. Außerdem ist Hildes Nähmaschine kaputt gegangen. Ihr kleines Studio, mit welchem sie maßgeblich zum Einkommen der Familie beiträgt, befindet sich in einem kleinen Häuschen im Garten. Sie fertigt bunte, einzigartige Kleidungsstücke an und verdient auch am Verleih von Roben für Abschlussfeiern. So werden langfristig mehr Einnahmen generiert als durch den bloßen Verkauf von Kleidung.
Sohn Bromeus hat ebenfalls große Pläne - er möchte einmal Tierarzt werden, oder vielleicht Polizist. Und wenn er auch nur ein wenig nach seinen Eltern artet, wird ihm das sicher gelingen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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