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Vom Ostwind zerzaust, von Hoffnung getrieben

Eberhard Hofmann
Zum Jahreszyklus zwischen Regenzeit, wenn sie denn ihren Namen verdient, und Trocken­zeit, die sich ohne Flehen und Bitten einstellt, gehört unbedingt der Ostwind. Der rüttelt die Küstengemeinden von Henties-Baai bis Oranjemund ordentlich durch. Lässt Dachpappe flattern, wo es die noch gibt. Dringt morgens ab 3 Uhr mit Staub durch die Türrahmen und verstopft die Schlüssel-Löcher der Zweitwohnungen von Windhoekern, die ihre Ferientage in der Regel dann in Tsoachaobmund verbringen, wenn der Ostwind nich bläst.

Der Ostwind und der Südwester – beide peitschen Dir Sand an die Beine und ins Gesicht– wenn Du zur falschen Zeit am falschen Ort bist und dazu noch falsche Klamotten trägst, z.B. kurze Khaki-Hosen, Mini-Rock oder Hot Pänts, wo stief nacktes, auch behaartes Bein dem Sandgebläse bloßgestellt is. Es müsste möglich sein, in dem Flugsand, den der Sturm sommer so über Nacht bis in die Vormittagsstunden hinein an den Leeseiten der Lüderitzbuchter und Swakopmunder Buden, Zapfsäulen und Bretterzäune ablagert, feine Klippetjies zu sammeln. Wie denn sonst hätten die Sandschaufler von August Stauch beim Schienenstrang von Kolmanskop und Grasplatz die Glitzersteinchen gefunden, wenn sie die Winde der Jahrmillionen nich im Flugsand transportiert hätten? Also, Buchter, Swakopmunder, Henties- und Walvis Bayern, checkt net moi, ob der Wind nich etwa so´n glitzernden Kuller-Bonus beschert hat.

Wenn kalte Luftmassen vom Hochplateau über die Randstufe in die Namib hinabfließen und dann auch noch Tempo und Windstärke steigern, kommt Freude auf. Aus Kalt wird Heiß und der Sturm entwickelt Tragfähigkeit, stief Sand – und vielleicht auch ´n paar Klippetjies – zu transportieren. „Der große Kontinent atmet aus“, so hat Henno Martin den Wind mit Worten gebändigt. Und wenn sich der Ostwind ab Mittag legt, um eventuell in der kommenden Nacht von Neuem zu toben, schwebt gefiederte Grassaat aus dem grellen Licht herab und hüpfen plötzlich Heupferde durch die Straßen von Tsoachaobmund.

Ostwind mit Sandgebläse gehört muhts in den Jahreskalender der Küstenstädte, denen ansonsten die Urlauberidylle zu Kopf steigen könnte. Nachdem der Sturm auch durch die Gemüter gebraust is, dürften sich die Spießbürger gewiss zu Erneuerung und Mut zu neuen Taten aufraffen. Swakopmunder Spießbürger waren es, die ihr städtisches und unser nationales Erbe, das olympische Hallenbad, der schnöden Luxus-Spekulation überlassen haben. Sie versuchen nun, die Öffentlichkeit mit einem „halb-olympischen Hallenersatz“ zu düpieren. Bei ihnen war der Ostwind net nich stark genug, verkrustetes Denken durchzupusten (das letzte Wort is Deutsch, nich Afrikaans!)

Aber lassen wir das Hallenbad-Thema, das schon ziemlich ausgedroschen is.



Aufbruch in Angra Pequena

Der Ostwind und der Südwester, die in Lüderitzbucht noch viel stärker als an der Walfischbucht und in Swakop stürmen, haben dort wrachtach in der Kommune eine Courage entfacht, woran sich die Swakopmunder mit Hallenbad-Trabbel und versetzten Träumen einer Kunstgalerie für die Nationalsammlung und die noch heimatlose Hinterlassenschaft des Peter Strack eine Scheibe abschneiden können.

Die vormals verkommene, dem Abriss nahe Industrieruine des Lüderitzbuchter E-Werks erstrahlt jetzt renoviert und wird nach kühnen Plänen noch zu einem Vorzeigekomplex zur Multi-Verwendung ausgebaut. Zu seiner Zeit als E-Werk war es schon eine Anlage der Superlative. Es mag das größte E-Werk der südlichen Halbkugel gewesen sein. Es bewegte Original-Schüttelsiebe in den Anlagen der Diamantfelder und trieb für damalige Zeiten High-Tech-Elektro-Lokomotiven durch das Dünenmeer, heute ein kostbares UNESCO-Welt-Naturerbe, noch bevor der Erste Weltkrieg begonnen hatte. Die historische Kulisse macht den Ausbau des industriellen Altbaus als ehrgeiziges Projekt der Kommune sowie des Vorsitzenden der Lüderitz-Waterfront Development Co. und Fischereibaas, Angel Tordesillas, besonders brisant.

Derweil Kolonialschämlinge in Otjindoitjilanda Straßennamen der ehemaligen kaiserlichen Kolonialwelt entfernen, entsteht in Lüderitzbucht ein Mehrzweckbau aus kaiserlicher Industriesubstanz – noch eine Superlative – bis 2019 das größte maritime Museum in Afrika. Das wird teutsche Kolonialschämlinge wüst wurmen, wenn se das erfahren. Das Projekt geht weit über bescheidene Zielsetzungen hinaus, die sich die Lüderitzbucht-Stiftung Anfang der 80-iger Jahre einmal zur Rettung der von Südafrika vernachlässigten Hafenstadt erträumt hatte. Schon jetzt kann der frisch vorgerichtete Altbau nach Sinn und Inhalt iesie mit der nordkoreanischen Kaffeemaschine von Ovenduka konkurrieren, in der es in den Beschriftungen der Exponate und im Gruselkabinett nur so von Sach- und Schreibfehlern wimmelt. Die Gründer des maritimen Museums werden die Ausgestaltung gewiss nich den Kräften einer asiatischen Diktatur überlassen.

Mach kein´ Fout. Ost- und Südwestwind sind in Angra Pequena muhts durch die Hirne gefahren. Aus Alt mach Neu!

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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