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Von der Farm ins Vier-Sterne-Hotel

Claudia Reiter
Von Wiebke Schmidt, Windhoek

Gerson ist der Älteste von insgesamt sieben Kindern. In Keetmanshoop ging er zur Schule. Dort schaffte er die ersten sieben Klassen, 2016 brach er die Schule jedoch ab. Ein Jahr lebte er auf der Farm, bei seiner alleinerziehenden Mutter und kümmerte sich um die jüngeren Geschwister. Eine gute Freundin der Familie, die Gerson ebenfalls als Mutter bezeichnet, redet ihm ins Gewissen. „Sie meinte, es würde mir nichts bringen, auf der Farm herumzusitzen und nichts aus meinem Leben zu machen. Ich solle lieber nach Windhoek kommen. Dort hätte ich eher eine Chance mein Leben zu gestalten“, erinnert er sich.

Unterkunft fand Gerson im Genade Kinderbewaarhuis im Windhoeker Stadtteil Katutura. Dieses Heim wurde vor über 20 Jahren von Justine Stephanus gegründet. Hier leben 25 Waisen und vernachlässigte Kinder und Jugendliche. Gerson machte sich von Anfang an nützlich – half, wo Hilfe gebraucht wurde und kümmerte sich liebevoll um die Kinder.

„Wir können nur die Türen öffnen“

Seine soziale Art wurde von Barbara Winterfeldt bemerkt. Die Deutsche ist zusammen mit Ulrike Mai ehrenamtlich für den gemeinützigen Verein Children’s Home Namibia aktiv. Seit über zehn Jahren unterstützen sie das Genade Kinderbewaarhuis im Windhoeker Stadtteil Katutura. Neben Lebensmitteln erhalten die Schulkinder Schuluniformen. Außerdem werden Schul- und Studiengebühren für insgesamt 45 Kinder und Jugendliche aufgebracht.

Winterfeldt weiß von dem Süd-Nordprogramm des Deutsche Rote Kreuz, bei dem deutsche Volontäre in Namibia und namibische Volontäre in Deutschland ehrenamtlich ein soziales Jahr leisten können. Sie bietet Gerson an, dafür zu sorgen, dass er ein soziales Jahr in Deutschland leisten kann.

„Ich begeisterte mich immer mehr für diese Idee“, erzählt Gerson. Drei Montate lang lernt er am Goethe-Instiut in Windhoek intensiv die deutsche Sprache in Schrift und Wort. Doch das war Gerson nicht genug. Zusätzlich schaut er Sprach-Lehrfilme für die deutsche Sprache auf You Tube an. Seine Bemühungen haben Erfolg – die Deutschprüfung am Goethe-Institut besteht er in allen Fächern mit über 80 Prozent.

„Wir können für die Kinder und Jugendlichen nur die Türen öffnen“, sagt Winterfeldt, „durchgehen müssen sie selbst“.

Am 8. Februar 2019 hebt die Air Namibia vom internationalen Flughafen Hosea Kutako ab. An Bord befinden sich unter anderem Gerson Ruhumba und Elvis Kotungon. Elvis lebt ebenfalls im Genade Kinderbewaarhuis. Er wird bei einer Gastfamilie in Seligenstadt/Hessen untergebracht und arbeitet dort in der Klinik als Krankenpfleger. Gerson lebt bei einer Gastfamilie in Roßdorf, ebenfalls in Hessen. Dort arbeitet er in einer Pflegetagesstätte für Menschen mit Behinderungen.

Viel Schnee und viel Salat

„Ich kam aus einem Dritte-Welt-Land und war auf einmal in Deutschland. Alles war komplett anders, als ich es mir vorgestellt habe“, berichtet Gerson. „Es nützt überhaupt nichts, wenn man sich Bilder oder Filme von Deutschland anschaut. Ist man erstmal da, hat es nichts mit dem zu tun, was man vorher gesehen hat.“ Zum ersten Mal kommt Gerson mit Kälte und Schnee in Berührung, ebenso mit der Disziplin der Deutschen, ihrer Pünktlichkeit und den vielen Regeln. Anfangs erscheint ihm das alles recht merkwürdig. Mit dem Essen hat er ebenfalls seine Probleme. „Die Deutschen essen so viel Salat, das fand ich furchtbar. Ich wollte lieber Fleisch haben.“

Gerson lebt sich schnell ein. Das ist sowohl seinen Gasteltern, mit denen er sich ausgezeichnet versteht, zu verdanken, als auch der Arbeit in der Tagesstätte, die ihm sehr viel Spaß bringt. Bei dieser Gelegenheit kann er außerdem seine Deutschkennisse noch erweitern. „Dieses Jahr in Deutschland zählt mit zu meinen besten und wertvollsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe.“

Neue Erfahrungen

Fast auf den Tag genau, ein Jahr später, kehren Gerson und Elvis wieder in ihre Heimat zurück. Nur schwer können sie sich an ihr altes Leben gewöhnen. Gerson beginnt in der Welwitschia-Brückenschule seine abgebrochene Schullaufbahn wieder aufzunehmen. Er muss noch vier Fächer absolvieren, um sein Abitur machen zu können. Finanziert wird der Unterricht durch Children’s Home Namibia. Doch es kommt anders. „Durch Ulrike Mai habe ich die Chance erhalten, im Leo’s Garden Restaurant in Windhoek zu arbeiten und ein wenig Geld zu verdienen“, erzählt er. „Als ich Leo’s Garden Restaurant zum ersten Mal betreten habe, dachte ich bei mir: ,Hier will ich arbeiten’. Ehrlich gesagt, ich esse zwar sehr gerne, aber ich hatte keine Ahnung, was mich hier erwartet. Es war für mich eine völlig neue Erfahrung“, gesteht er lachend. Leo’s Garden Restaurant-Geschäftsleiter, Leo Kurz, arbeitet gerne den jungen, engagierten Mann ein. „Ich habe das Potenzial von Gerson schnell erkannt“, sagt er. Sein gutes Deutsch und seine freundliche, offene Art gefällt nicht nur Kurz, sondern auch den Gästen. Je mehr Gerson über das Restaurantwesen erfährt, desto mehr interessiert er sich dafür. „In einem Restaurant sind wir die Gastgeber. Es gehört mehr dazu, als eine Bestellung entgegenzunehmen und das Gewünschte vor dem Gast hinzustellen. Der Gast muss sich willkommen fühlen, er soll gut beraten werden, man kann ihm zum Beispiel ein Essen empfehlen und dazu einen passenden Wein vorschlagen. Vielleicht will er sich kurz unterhalten oder seine Ruhe haben. Leo hat mir so Vieles gezeigt, zum Beispiel wie Tische gedeckt und Cocktails gemixt werden. Wie der Einkauf vorgenommen und wie Waren kontrolliert werden. Dafür bin ich ihm wirklich sehr dankbar“, bemerkt Gerson.

Sich früh genug ein Ziel setzen

Ende September ist Gerson wieder nach Deutschland geflogen. Dieses Mal wird er für drei Jahre im Hotel Hofgut Hohenkarpfen, in Baden Württemberg sein, dessen Geschäftsleiter Leo’s Bruder Francois Kurz ist. In dieser Zeit erhält er in dem Vier-Sterne-Hotel eine Ausbildung als Restaurantfachmann. Seit zehn Jahren wird im Hotel Hofgut Hohenkarpfen ein Ausbildungsprogramm angeboten, in denen junge Namibier in der Hotel- und Restaurantbranche geschult werden. „Bisher haben elf Namibier an dieser dreijährigen Ausbildung teilgenommen“, erklärt Kurz. Gerson ist der erste schwarze Namibier, der an diesem Program mitwirkt. Er wurde aufgrund seiner Deutschkenntnisse und seiner Lernbereitschaft ausgewählt.

„Mit dieser Ausbildung steht Gerson die Welt offen, denn gute Leute sind in dieser Branche immer und überall gesucht“, sagt Kurz.

„Ich weiß, es wird nicht einfach werden“, meint Gerson. „Um etwas in seinem Leben zu erreichen, darf man nicht aufgeben. Alles muss erarbeitet werden. Man sollte früh genug wissen, was man machen möchte und dieses Ziel verfolgen, sonst verschwendet man nur seine Zeit“.

Den Ansporn, erfolgreich zu sein, gibt ihm seine Familie. „Ich bin der Älteste von sieben Kindern und daher muss ich ein gutes Vorbild für meine Schwestern und Brüder sein. Meine Mutter hatte es nie leicht, uns alle zu ernähren und gut zu erziehen. Ich möchte auch deshalb erfolgreich sein, um meine Familie unterstützen zu können.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-21

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