Von Sucht nach Selbstdarstellung
Was trägt es zum Erkenntnisgewinn über das Innenleben und die Motive eines Verbrechers bei, wenn ihm Pressevertreter nach der Verurteilung die Gelegenheit bieten, sich in bewegten Bildern zu äußern, die eigene Tat zu relativieren oder zu leugnen?
Diese Frage stellt sich, nachdem soziale Medien auch die Gerichtssäle erfasst, nachdem dort Redakteure im Wettlauf um Aufmerksamkeit von Lesern und Werbekunden eine weitere Hemmschwelle überwunden und begonnen haben, Angeklagten ein Forum zu bieten. Nutznießer dieser Gelegenheit zur Selbstinszenierung war gestern der Mörder Friedel Dausab, der seine Freundin durch 27 Messerstiche getötet hat und für mindestens 25 Jahre ins Gefängnis muss.
In epischer Breite legte er vor einem geduldig filmendem Zeitungsreporter dar, warum seine Verurteilung fehlerhaft und das ihm auferlegte Strafmaß unangemessen sei, sprach von Liebe für das Opfer über den Tod hinaus, von Unmenschlichkeit des Freiheitsentzugs, von Inkompetenz namibischer Richter.
Wer sich als Reporter an Zeiten vor sozialen Medien erinnert, dem schaudert in Anbetracht eines derartigen Schauspiels. Der ist versucht, der Kamera die Sicht auf den Angeklagten zu verstellen und den journalistischen Blick auf die weinenden Angehörigen des Opfers zu lenken. Der will darauf hinweisen, dass Dausab aus niederen Beweggründen gehandelt und keine Bühne zur Rechtfertigung in eigener Sache verdient hat.
Aber dem wird der Vorgesetze in der Vertriebs- oder Vermarktungsabteilung erklären, dass Opfer der Auflage oder Quote nicht förderlich seien, weil ihnen nur eine passive, eine uninteressante Rolle zukäme. Dem wird man sagen, dass sein Gehalt von der Sensationslust seiner Zielgruppe abhänge und er sich dem Zeitalter digitaler Medien anpassen müsse.
Und der bleibt mit dem unguten Gefühl zurück, dass hier ein zweites Mal Unrecht geschieht, dass die Angehörigen des Opfers erneut zu Statisten werden, weil der Monolog des Täters mehr werbewirksames Interesse verspricht.
Marc Springer
Diese Frage stellt sich, nachdem soziale Medien auch die Gerichtssäle erfasst, nachdem dort Redakteure im Wettlauf um Aufmerksamkeit von Lesern und Werbekunden eine weitere Hemmschwelle überwunden und begonnen haben, Angeklagten ein Forum zu bieten. Nutznießer dieser Gelegenheit zur Selbstinszenierung war gestern der Mörder Friedel Dausab, der seine Freundin durch 27 Messerstiche getötet hat und für mindestens 25 Jahre ins Gefängnis muss.
In epischer Breite legte er vor einem geduldig filmendem Zeitungsreporter dar, warum seine Verurteilung fehlerhaft und das ihm auferlegte Strafmaß unangemessen sei, sprach von Liebe für das Opfer über den Tod hinaus, von Unmenschlichkeit des Freiheitsentzugs, von Inkompetenz namibischer Richter.
Wer sich als Reporter an Zeiten vor sozialen Medien erinnert, dem schaudert in Anbetracht eines derartigen Schauspiels. Der ist versucht, der Kamera die Sicht auf den Angeklagten zu verstellen und den journalistischen Blick auf die weinenden Angehörigen des Opfers zu lenken. Der will darauf hinweisen, dass Dausab aus niederen Beweggründen gehandelt und keine Bühne zur Rechtfertigung in eigener Sache verdient hat.
Aber dem wird der Vorgesetze in der Vertriebs- oder Vermarktungsabteilung erklären, dass Opfer der Auflage oder Quote nicht förderlich seien, weil ihnen nur eine passive, eine uninteressante Rolle zukäme. Dem wird man sagen, dass sein Gehalt von der Sensationslust seiner Zielgruppe abhänge und er sich dem Zeitalter digitaler Medien anpassen müsse.
Und der bleibt mit dem unguten Gefühl zurück, dass hier ein zweites Mal Unrecht geschieht, dass die Angehörigen des Opfers erneut zu Statisten werden, weil der Monolog des Täters mehr werbewirksames Interesse verspricht.
Marc Springer
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen