Vor 100 Jahren Truppentransport nach "Deutsch-Südwest" (I)
Der Verband war einer der vielen Truppentransporte, mit denen das deutsche Kaiserreich nach Ausbruch des Herero-Aufstandes im Januar 1904 und den dadurch ausgelösten Kämpfen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika die hier eingesetzte Schutztruppe laufend verstärkte. Noch 1903 hatte die Truppe nur knapp 800 Mann umfasst; danach wuchs ihr Umfang bis zur Höchststärke von nahezu 21000 Mann im August 1905.
Abschied aus Deutschland
Zusammengestellt wurde der Transportverband "R" im Dezember 1904 auf dem Truppenübungsplatz Munsterlager in der Lüneburger Heide. Er bestand aus vier Teileinheiten, die jeweils von einem Hauptmann geführt wurden und von denen zwei für Swakopmund, die beiden anderen für Lüderitzbucht bestimmt waren. In der Frühe des 23. Dezember 1904 wurde diese Truppe im nächtlichen Eisenbahntransport nach Hamburg in den Hafen gebracht. Hier traf sie um 7.30 Uhr bei trübem Wetter und Temperaturen um den Nullpunkt am Petersenkai ein, wo schon der Dampfer "Prinzregent" der Deutschen Ost-Afrika-Linie (DOAL) wartete.
Auf diesen wurde der Verband nun samt Pferden, Wagen und zahllosen Kisten mit Waffen, Bekleidung, Reitzeug und sonstiger militärischer Ausrüstung verladen, was rasch vonstatten ging. Die Offiziere und Beamten wurden in der Ersten Klasse untergebracht, die ranghöheren Unteroffiziere in der Zweiten Klasse, alle übrigen Unteroffiziere und die Mannschaften in der Dritten Klasse, dem so genannten "Zwischendeck".
Gegen Mittag traf aus Berlin Oberstleutnant Ohnesorg ein, der Chef des Stabes des Oberkommandos der Schutztruppen. Er unterstand unmittelbar dem Reichskanzler und war als oberster Offizier der Schutztruppen deren eigentlicher Kommandeur. In einem Schiffssalon wurden ihm die Offiziere und Beamten gemeldet. Der Oberstleutnant hielt eine kleine Ansprache, mahnte u.a. "zu vorsichtiger Lebensweise" und wünschte allen viel Glück und eine gute Reise, bevor er sich von jedem einzeln verabschiedete. Danach ging es in den Speisesaal zum Mittagessen unter dem Vorsitz des Schiffseigners, des bekannten Reeders Adolph Woermann. Zu diesem Abschiedsessen hatten viele Offiziere und Beamte Familienangehörige oder Bekannte eingeladen, "zumeist also Damen".
Um 14.45 Uhr trat die ganze Truppe auf dem Kai vor der "Prinzregent" an, um durch den Kommandierenden General des X. Armeekorps verabschiedet zu werden. Dessen Ankunft ließ allerdings auf sich warten. Während eine Militärkapelle spielte, nutzten Fotografen die Gelegenheit, gegen Gebühr Aufnahmen der Abreisenden zu machen. Um 15.30 Uhr erschien schließlich der General. Er hielt eine kurze Ansprache"Weihnacht zur See, Grüße seiner Majestät usw." Die Truppe brachte ein Hoch auf den Kaiser aus und drängte dann zurück an Bord, während Offiziere und Beamte dem General noch persönlich vorgestellt wurden.
Um 16 Uhr löste ein Hafenschlepper die "Prinzregent" vom Kai. Die Kapelle spielte den "Preußenmarsch" und die in die Rettungsboote, Wanten und Masten gekletterten Soldaten brachten ein lautes "Hurra" aus, das die an Land Zurückbleibenden erwiderten. Der Dampfer legte ab, nahm Fahrt auf und glitt die Elbe abwärts, dann wurde es dunkel. Als gegen 19 Uhr die Lichter von Cuxhaven sichtbar wurden, ging der Lotse von Bord; zu einer Zeit, als die Schiffe noch keine Funkausstattung besaßen, war das zugleich die letzte Möglichkeit, noch irgendwelche Post oder Telegramme an Land mitzugeben. Danach drehte das Schiff nach Westen in die Nordsee hinein und an Bord machte sich nach der durchfahrenen vergangenen Nacht allgemeine Müdigkeit breit.
Weihnachtsfest auf See
Am nächsten Morgen steuerte die "Prinzregent" bereits in den Ärmelkanal hinein. Der Dampfer war erst im April 1903 in Dienst gestellt worden, also noch recht neu. Er war 127 Meter lang, 15 Meter breit und hatte eine Verdrängung von 6375 Bruttoregistertonnen (BRT); seine beiden Maschinen gaben ihm über zwei Schrauben eine Geschwindigkeit von 13 Knoten. Mit dem Kapitän, seinen vier Offizieren und dem Schiffsarzt umfasste die Besatzung 138 Mann, so dass das Schiff nun mit rund 850 Mann, aber ohne eine einzige Frau an Bord unterwegs war.
Die "Prinzregent" fuhr im Auftrag der Hamburger Woermann-Linie. Diese war auf den Liniendienst entlang der afrikanischen Westküste ausgerichtet, während die DOAL vor allem die Ostküste Afrikas befuhr. Beide Gesellschaften gehörten Adolph Woermann, der somit zu Beginn des 20. Jahrhunderts der eigentliche Herr über die deutsche Afrika-Schifffahrt war. Nach Ausbruch der Kämpfe in "Deutsch-Südwest" und dem dadurch drastisch erhöhten Bedarf an Transportkapazität hatte die Reichsregierung daher alle Transporte in das Kriegsgebiet der Woermann-Linie übertragen. Allerdings reichte deren Schiffsbestand dafür nicht aus und so hatte sie für diesen Transport ein Schiff ihrer Schwestergesellschaft DOAL gechartert.
Gleich der erste Abend auf See war der Heilige Abend. Nach dem Abendessen fand im Zwischendeck unter beengten Verhältnissen die Bescherung der Mannschaften und Unteroffiziere statt. Als "Liebesgaben", also Geschenke, waren Bücher, Liederbücher, Taschenmesser, Hosenträger, Zigarren und alkoholische Getränke eingegangen und wurden verteilt, was umgehend regen Tauschhandel auslöste.
Im "Damensalon" erhielten sodann die Reisenden der Ersten und Zweiten Klasse von der Woermann-Linie je ein gut gefülltes Zigarrenetui, danach wurden von der Kaiserin gestiftete Geschenke wie "Feld-Eßbestecke, Rasierzeug, Luftkopfkissen und vieles andere" verlost. Der Major brachte ein Hoch auf die Kaiserin aus, ein Hauptmann ein weiteres auf die Woermann-Linie. Um 21.30 Uhr wurden die Lichter von Dover gemeldetDas Schiff näherte sich bis auf einige Meilen der Stadt und gab dem dortigen Agenten der Woermann-Linie ein grün-rot-blaues Lichtsignal, das von diesem erwidert wurde. In den nächsten Ausgaben der Zeitungen würde zu lesen sein"Prinzregent 24. Abends 10 Uhr Dover wohlbehalten passiert".
Der Weihnachtsgottesdienst fand am nächsten Vormittag unter freiem Himmel statt. Die Offiziere und das Gros der Truppe standen auf Deck, alle anderen waren in die Wanten und Masten geklettert oder saßen in den Rettungsbooten. Da kein Geistlicher an Bord war, las einer der Hauptleute aus dem Lukas-Evangelium vor und hielt eine kurze Weihnachtsansprache.
"Die Sache wird immer wackliger"
Im Kanal war das Wasser spiegelglatt. Die "Prinzregent" legte in 24 Stunden 329 Seemeilen zurück und fuhr abends bereits in den Atlantik ein. Hier jedoch wurde die See am nächsten Tag bei der Fahrt durch die Biskaya zunehmend rauer und Lindner notierte"Die Sache wird immer wackliger". Auch am folgenden Tag "schlingerte das Schiff abscheulich"; nach dem Aufstehen wurde er in seiner Kabine so herumgeschleudert, dass er Schwierigkeiten hatte, sich anzuziehen. Dennoch ging er zum Frühstück, wo inzwischen alles mit Schlingerleisten gesichert war, und aß noch mit Appetit. Irgendwann jedoch musste auch er, wie schon die meisten Mitreisenden, "Poseidon opfern". Alles schimpfte über den "Äppelkahn", der "unaufhörlich ? hin- und herpendelt." Die meisten Passagiere fanden es am erträglichsten im Bett, eine Auffassung, der sich Lindner alsbald anschloss. Trotz großer Übelkeit registrierte er jedoch, dass die Schiffsküche glänzende Geschäfte machte, "da absoluter Appetitmangel in Erster, Zweiter und Dritter Klasse, selbst bei den Pferden"! Gleiches am nächsten Tag"Fortsetzung der Seekrankheit und des Schimpfens über den Äppelkahn". Dieser hatte trotzdem gute Fahrt gemacht und befand sich bereits auf der Höhe der Straße von Gilbraltar.
Erst in der 3. Nacht ließ die schwere Dünung nach und die Passagiere der "Prinzregent" lebten tagsüber allmählich wieder auf, zumal es mit der Fahrt nach Süden auch wärmer geworden war. Nördlich der Kanarischen Inseln kam ihnen der ebenfalls zur DOAL gehörende, gleich große Dampfer "Kronprinz" auf dem Rückweg nach Deutschland entgegen. Die Schiffe tauschten die von Dover her bekannte Lichterfolge aus und Besatzungen wie Passagiere grüßten einander mit Winken und "Hurra"-Rufen.
Abschied aus Deutschland
Zusammengestellt wurde der Transportverband "R" im Dezember 1904 auf dem Truppenübungsplatz Munsterlager in der Lüneburger Heide. Er bestand aus vier Teileinheiten, die jeweils von einem Hauptmann geführt wurden und von denen zwei für Swakopmund, die beiden anderen für Lüderitzbucht bestimmt waren. In der Frühe des 23. Dezember 1904 wurde diese Truppe im nächtlichen Eisenbahntransport nach Hamburg in den Hafen gebracht. Hier traf sie um 7.30 Uhr bei trübem Wetter und Temperaturen um den Nullpunkt am Petersenkai ein, wo schon der Dampfer "Prinzregent" der Deutschen Ost-Afrika-Linie (DOAL) wartete.
Auf diesen wurde der Verband nun samt Pferden, Wagen und zahllosen Kisten mit Waffen, Bekleidung, Reitzeug und sonstiger militärischer Ausrüstung verladen, was rasch vonstatten ging. Die Offiziere und Beamten wurden in der Ersten Klasse untergebracht, die ranghöheren Unteroffiziere in der Zweiten Klasse, alle übrigen Unteroffiziere und die Mannschaften in der Dritten Klasse, dem so genannten "Zwischendeck".
Gegen Mittag traf aus Berlin Oberstleutnant Ohnesorg ein, der Chef des Stabes des Oberkommandos der Schutztruppen. Er unterstand unmittelbar dem Reichskanzler und war als oberster Offizier der Schutztruppen deren eigentlicher Kommandeur. In einem Schiffssalon wurden ihm die Offiziere und Beamten gemeldet. Der Oberstleutnant hielt eine kleine Ansprache, mahnte u.a. "zu vorsichtiger Lebensweise" und wünschte allen viel Glück und eine gute Reise, bevor er sich von jedem einzeln verabschiedete. Danach ging es in den Speisesaal zum Mittagessen unter dem Vorsitz des Schiffseigners, des bekannten Reeders Adolph Woermann. Zu diesem Abschiedsessen hatten viele Offiziere und Beamte Familienangehörige oder Bekannte eingeladen, "zumeist also Damen".
Um 14.45 Uhr trat die ganze Truppe auf dem Kai vor der "Prinzregent" an, um durch den Kommandierenden General des X. Armeekorps verabschiedet zu werden. Dessen Ankunft ließ allerdings auf sich warten. Während eine Militärkapelle spielte, nutzten Fotografen die Gelegenheit, gegen Gebühr Aufnahmen der Abreisenden zu machen. Um 15.30 Uhr erschien schließlich der General. Er hielt eine kurze Ansprache"Weihnacht zur See, Grüße seiner Majestät usw." Die Truppe brachte ein Hoch auf den Kaiser aus und drängte dann zurück an Bord, während Offiziere und Beamte dem General noch persönlich vorgestellt wurden.
Um 16 Uhr löste ein Hafenschlepper die "Prinzregent" vom Kai. Die Kapelle spielte den "Preußenmarsch" und die in die Rettungsboote, Wanten und Masten gekletterten Soldaten brachten ein lautes "Hurra" aus, das die an Land Zurückbleibenden erwiderten. Der Dampfer legte ab, nahm Fahrt auf und glitt die Elbe abwärts, dann wurde es dunkel. Als gegen 19 Uhr die Lichter von Cuxhaven sichtbar wurden, ging der Lotse von Bord; zu einer Zeit, als die Schiffe noch keine Funkausstattung besaßen, war das zugleich die letzte Möglichkeit, noch irgendwelche Post oder Telegramme an Land mitzugeben. Danach drehte das Schiff nach Westen in die Nordsee hinein und an Bord machte sich nach der durchfahrenen vergangenen Nacht allgemeine Müdigkeit breit.
Weihnachtsfest auf See
Am nächsten Morgen steuerte die "Prinzregent" bereits in den Ärmelkanal hinein. Der Dampfer war erst im April 1903 in Dienst gestellt worden, also noch recht neu. Er war 127 Meter lang, 15 Meter breit und hatte eine Verdrängung von 6375 Bruttoregistertonnen (BRT); seine beiden Maschinen gaben ihm über zwei Schrauben eine Geschwindigkeit von 13 Knoten. Mit dem Kapitän, seinen vier Offizieren und dem Schiffsarzt umfasste die Besatzung 138 Mann, so dass das Schiff nun mit rund 850 Mann, aber ohne eine einzige Frau an Bord unterwegs war.
Die "Prinzregent" fuhr im Auftrag der Hamburger Woermann-Linie. Diese war auf den Liniendienst entlang der afrikanischen Westküste ausgerichtet, während die DOAL vor allem die Ostküste Afrikas befuhr. Beide Gesellschaften gehörten Adolph Woermann, der somit zu Beginn des 20. Jahrhunderts der eigentliche Herr über die deutsche Afrika-Schifffahrt war. Nach Ausbruch der Kämpfe in "Deutsch-Südwest" und dem dadurch drastisch erhöhten Bedarf an Transportkapazität hatte die Reichsregierung daher alle Transporte in das Kriegsgebiet der Woermann-Linie übertragen. Allerdings reichte deren Schiffsbestand dafür nicht aus und so hatte sie für diesen Transport ein Schiff ihrer Schwestergesellschaft DOAL gechartert.
Gleich der erste Abend auf See war der Heilige Abend. Nach dem Abendessen fand im Zwischendeck unter beengten Verhältnissen die Bescherung der Mannschaften und Unteroffiziere statt. Als "Liebesgaben", also Geschenke, waren Bücher, Liederbücher, Taschenmesser, Hosenträger, Zigarren und alkoholische Getränke eingegangen und wurden verteilt, was umgehend regen Tauschhandel auslöste.
Im "Damensalon" erhielten sodann die Reisenden der Ersten und Zweiten Klasse von der Woermann-Linie je ein gut gefülltes Zigarrenetui, danach wurden von der Kaiserin gestiftete Geschenke wie "Feld-Eßbestecke, Rasierzeug, Luftkopfkissen und vieles andere" verlost. Der Major brachte ein Hoch auf die Kaiserin aus, ein Hauptmann ein weiteres auf die Woermann-Linie. Um 21.30 Uhr wurden die Lichter von Dover gemeldetDas Schiff näherte sich bis auf einige Meilen der Stadt und gab dem dortigen Agenten der Woermann-Linie ein grün-rot-blaues Lichtsignal, das von diesem erwidert wurde. In den nächsten Ausgaben der Zeitungen würde zu lesen sein"Prinzregent 24. Abends 10 Uhr Dover wohlbehalten passiert".
Der Weihnachtsgottesdienst fand am nächsten Vormittag unter freiem Himmel statt. Die Offiziere und das Gros der Truppe standen auf Deck, alle anderen waren in die Wanten und Masten geklettert oder saßen in den Rettungsbooten. Da kein Geistlicher an Bord war, las einer der Hauptleute aus dem Lukas-Evangelium vor und hielt eine kurze Weihnachtsansprache.
"Die Sache wird immer wackliger"
Im Kanal war das Wasser spiegelglatt. Die "Prinzregent" legte in 24 Stunden 329 Seemeilen zurück und fuhr abends bereits in den Atlantik ein. Hier jedoch wurde die See am nächsten Tag bei der Fahrt durch die Biskaya zunehmend rauer und Lindner notierte"Die Sache wird immer wackliger". Auch am folgenden Tag "schlingerte das Schiff abscheulich"; nach dem Aufstehen wurde er in seiner Kabine so herumgeschleudert, dass er Schwierigkeiten hatte, sich anzuziehen. Dennoch ging er zum Frühstück, wo inzwischen alles mit Schlingerleisten gesichert war, und aß noch mit Appetit. Irgendwann jedoch musste auch er, wie schon die meisten Mitreisenden, "Poseidon opfern". Alles schimpfte über den "Äppelkahn", der "unaufhörlich ? hin- und herpendelt." Die meisten Passagiere fanden es am erträglichsten im Bett, eine Auffassung, der sich Lindner alsbald anschloss. Trotz großer Übelkeit registrierte er jedoch, dass die Schiffsküche glänzende Geschäfte machte, "da absoluter Appetitmangel in Erster, Zweiter und Dritter Klasse, selbst bei den Pferden"! Gleiches am nächsten Tag"Fortsetzung der Seekrankheit und des Schimpfens über den Äppelkahn". Dieser hatte trotzdem gute Fahrt gemacht und befand sich bereits auf der Höhe der Straße von Gilbraltar.
Erst in der 3. Nacht ließ die schwere Dünung nach und die Passagiere der "Prinzregent" lebten tagsüber allmählich wieder auf, zumal es mit der Fahrt nach Süden auch wärmer geworden war. Nördlich der Kanarischen Inseln kam ihnen der ebenfalls zur DOAL gehörende, gleich große Dampfer "Kronprinz" auf dem Rückweg nach Deutschland entgegen. Die Schiffe tauschten die von Dover her bekannte Lichterfolge aus und Besatzungen wie Passagiere grüßten einander mit Winken und "Hurra"-Rufen.
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Allgemeine Zeitung
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