Vor 100 Jahren Truppentransport nach "Deutsch-Südwest" (II)
Am 30. Dezember 1904 machte die "Prinzregent" morgens um 4 Uhr im Hafen von Las Palmas auf Gran Canaria an einer Boje fest, um die Kohlevorräte des Schiffes zu ergänzen. Vier große Kohleprähme legten sich längsseits, und die Schiffskräne begannen, aus den offenen Booten jeweils mehrere Kohlesäcke auf einmal hochzuhieven und in die Luken des Dampfers zu schütten, dessen helle Aufbauten sich zunehmend mit einer grauen Staubschicht überzogen. Die Offiziere, Unteroffiziere und Beamten des Transports setzten nach dem Frühstück mit der Dampfpinasse zur Hafenmole über, um Las Palmas zu besichtigen. Die Mannschaften dagegen erhielten keine Erlaubnis zum Landgang, da es bei einem der letzten Transporte dieser Art auf Teneriffa zu Messerstechereien gekommen war. Grund"Cherchez les femmes!"
In Las Palmas, der Inselhauptstadt mit damals ca. 20750 Einwohnern, machte die Gruppe einen Stadtrundgang. Lindner, der die vergangenen 14 Jahre in Colmar im blitzsauberen Elsaß stationiert gewesen war und noch nie eine südliche Stadt gesehen hatte, wunderte sich über "fußtiefe Löcher" im Straßenpflaster, stellte überall "Schmutz und Unsauberkeit" fest und empfand die Stadt insgesamt als "schauerlich verlottert".
Währenddessen hatten sich um das Schiff zahlreiche Boote mit Händlern eingefunden, die mit Hilfe von Schnüren und Körben einen schwunghaften Handel mit den Soldaten an Bord aufnahmenSüdfrüchte, Ansichtskarten, Kanarienvögel und Papageien, junge Hunde, selbst Ferngläser und Revolver wurden angeboten. Junge Burschen tauchten nach Münzen, die ihnen ins Wasser zugeworfen wurden. Sie erhaschten die Geldstücke im Niedersinken, zeigten sie beim Auftauchen zum Beweis vor und steckten sie dann zur Aufbewahrung in den Mund. Hatten sie den Mund voller Münzen, wechselten sie bei ihren Zuschauern das Kleingeld gegen Markstücke und die Belustigung konnte erneut beginnen.
Nachdem die "Prinzregent" ihre Bunker aufgefüllt hatte, legte sie um 18.30 Uhr ab und nahm bei ruhiger See und klarer Sicht Kurs nach Süden. In der Ferne sah man noch lange die schneebedeckte Vulkanspitze der Nachbarinsel Teneriffa.
Schießübungen und Silvester
Hatte die Fahrt der "Prinzregent" für manchen Passagier bisher fast den Charakter einer Gesellschaftsreise gehabt, so änderte sich dies nach dem Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln. Jetzt war militärische Ausbildung mit Waffen-, Schieß- und Sportdrill angesetzt. Bei glatter, tiefblauer See und zunehmender Wärme wurde scharf geschossen und die ganzen Tage über herrschte "viel Schießen und Geknalle". Daneben wurde Gymnastik betrieben "und was sich die Herren Offiziere sonst ausdenken".
Zum Abschluss des Jahres 1904 wurden abends erneut "Liebesgaben" an die Mannschaften und Unteroffiziere ausgegeben. Danach kamen Offiziere und Beamte bei Glühwein zusammen, was hier auf Höhe der Sahara etwas seltsam anmutete. Außerdem war die "Stimmung sehr flau", denn viele waren von einer tags zuvor durchgeführten Typhus-Impfung ziemlich mitgenommen. Als man nach Mitternacht gerade auf das Jahr 1905 anstieß, fingen die Mannschaften an, an Deck herumzuschießen, bis der Offizier vom Dienst dies unterband.
Das neue Jahr begann mit einem Festgottesdienst. Nachmittags zahlte Lindner bei einem "Löhnungsappell" jedem einen Abschlag auf den Januarsold aus"Die Leute möchten gern mehr haben, ich muss aber auf Befehl hart bleiben", denn sie "kaufen sich alle möglichen unnötigen Dinge, manche auch mehr Bier als wünschenswert".
An den folgenden Tagen wurde es immer wärmer. Manche schliefen bereits an Deck und ließen sich frühmorgens, wenn die Matrosen anfingen, das Schiff zu säubern, von diesen mit "bouillon_warmem" Seewasser abspritzen. Der gleichen Prozedur wurde nachmittags in Gruppen von je 20 Mann sowie unter "viel Spaß und Gelächter" die ganze Truppe unterzogen.
Erste Eindrücke in Afrika
Am 4. Januar 1905 warf die "Prinzregent" vor Monrovia, "der Hauptstadt der Neger Republik Liberia", dre Kilometer vom Land entfernt Anker. Ein Schuss aus der Bordkanone informierte die Hafenbehörde, das deutsche Konsulat und die Agentur der Woermann-Linie über die Ankunft des Schiffes. Als erstes näherten sich aber mehrere Kanus, in denen jeweils bis zu drei teils spärlich, teils gar nicht bekleidete Einheimische saßen. Kaum in Rufweite, forderten sie lauthals "money, cigar, cigarette" und fingen an, begeistert nach den ihnen von der Reling aus zugeworfenen Münzen zu tauchen.
Eine halbe Stunde später kam "das Regierungsboot mit den Amtspersonen, lauter Schwarze in europäischer Kleidung, zum Teil sogar mit Schuhen". Lindner beobachtete den Vorgang, ging dann, einer plötzlichen Ahnung folgend, in seine Kabine und traf dort "5 - 6 schwarze, halbnackte Ruderknechte". Sie hatten seine Stiefel, Mützen und seinen Säbel in Händen und waren dabei, "sich neugierig und grinsend im großen Toilettenspiegel zu betrachten". Mit "Donnerwettern und anderen Höflichkeiten" warf er alle handgreiflich wieder hinaus.
Die Unterbrechung der Fahrt in Monrovia war notwendig, um das später für die Ausladung des Transports in Südwestafrika erforderliche Personal, die so genannten "Kru-Boys", anzuheuern, Angehörige eines Volksstammes, der hier an der liberianischen Küste lebte. Die Kru waren ein kräftiger Menschenschlag und sehr geschickt bei allen Arbeiten auf dem Wasser. Da es an der Westküste Afrikas kaum ausgebaute Hafeneinrichtungen gab, waren sie für Lade- und Löscharbeiten unentbehrlich. Die Woermann-Linie arbeitete schon lange mit ihnen zusammen und hatte dabei beste Erfahrungen gemacht. Auf ihren Dampfern fuhren deshalb auch ständig Kru mit. Deren Anwerbung war Sache der Dampferkapitäne, doch konnten sich diese dabei auf die örtlichen Woermann-Agenten abstützen.
Während sich also der hiesige "Woermannman" um die Anheuerung von 150 "Boys" bemühte, unternahmen die Offiziere und Beamten des Transports am nächsten Tag einen Landgang. Mit der Pinasse wurde ihr Boot bis zur "Barre" geschleppt, der Sandbank, welche die Reede vom Strand trennte und die gewaltige Brandung verursachte, die Anlandungen an der westafrikanischen Küste so erschwerte. Die Pinasse konnte die Barre nicht überwinden, und so mussten ab hier die schwarzen Ruderer übernehmen. Unter Singsang legten sie sich in die Riemen und brachten die nassgespritzten Passagiere an Land. Dort verlangten sie allerdings "english money" und nahmen nur widerstrebend deutsches Geld an, denn"german money no good for Monrovia".
In Las Palmas, der Inselhauptstadt mit damals ca. 20750 Einwohnern, machte die Gruppe einen Stadtrundgang. Lindner, der die vergangenen 14 Jahre in Colmar im blitzsauberen Elsaß stationiert gewesen war und noch nie eine südliche Stadt gesehen hatte, wunderte sich über "fußtiefe Löcher" im Straßenpflaster, stellte überall "Schmutz und Unsauberkeit" fest und empfand die Stadt insgesamt als "schauerlich verlottert".
Währenddessen hatten sich um das Schiff zahlreiche Boote mit Händlern eingefunden, die mit Hilfe von Schnüren und Körben einen schwunghaften Handel mit den Soldaten an Bord aufnahmenSüdfrüchte, Ansichtskarten, Kanarienvögel und Papageien, junge Hunde, selbst Ferngläser und Revolver wurden angeboten. Junge Burschen tauchten nach Münzen, die ihnen ins Wasser zugeworfen wurden. Sie erhaschten die Geldstücke im Niedersinken, zeigten sie beim Auftauchen zum Beweis vor und steckten sie dann zur Aufbewahrung in den Mund. Hatten sie den Mund voller Münzen, wechselten sie bei ihren Zuschauern das Kleingeld gegen Markstücke und die Belustigung konnte erneut beginnen.
Nachdem die "Prinzregent" ihre Bunker aufgefüllt hatte, legte sie um 18.30 Uhr ab und nahm bei ruhiger See und klarer Sicht Kurs nach Süden. In der Ferne sah man noch lange die schneebedeckte Vulkanspitze der Nachbarinsel Teneriffa.
Schießübungen und Silvester
Hatte die Fahrt der "Prinzregent" für manchen Passagier bisher fast den Charakter einer Gesellschaftsreise gehabt, so änderte sich dies nach dem Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln. Jetzt war militärische Ausbildung mit Waffen-, Schieß- und Sportdrill angesetzt. Bei glatter, tiefblauer See und zunehmender Wärme wurde scharf geschossen und die ganzen Tage über herrschte "viel Schießen und Geknalle". Daneben wurde Gymnastik betrieben "und was sich die Herren Offiziere sonst ausdenken".
Zum Abschluss des Jahres 1904 wurden abends erneut "Liebesgaben" an die Mannschaften und Unteroffiziere ausgegeben. Danach kamen Offiziere und Beamte bei Glühwein zusammen, was hier auf Höhe der Sahara etwas seltsam anmutete. Außerdem war die "Stimmung sehr flau", denn viele waren von einer tags zuvor durchgeführten Typhus-Impfung ziemlich mitgenommen. Als man nach Mitternacht gerade auf das Jahr 1905 anstieß, fingen die Mannschaften an, an Deck herumzuschießen, bis der Offizier vom Dienst dies unterband.
Das neue Jahr begann mit einem Festgottesdienst. Nachmittags zahlte Lindner bei einem "Löhnungsappell" jedem einen Abschlag auf den Januarsold aus"Die Leute möchten gern mehr haben, ich muss aber auf Befehl hart bleiben", denn sie "kaufen sich alle möglichen unnötigen Dinge, manche auch mehr Bier als wünschenswert".
An den folgenden Tagen wurde es immer wärmer. Manche schliefen bereits an Deck und ließen sich frühmorgens, wenn die Matrosen anfingen, das Schiff zu säubern, von diesen mit "bouillon_warmem" Seewasser abspritzen. Der gleichen Prozedur wurde nachmittags in Gruppen von je 20 Mann sowie unter "viel Spaß und Gelächter" die ganze Truppe unterzogen.
Erste Eindrücke in Afrika
Am 4. Januar 1905 warf die "Prinzregent" vor Monrovia, "der Hauptstadt der Neger Republik Liberia", dre Kilometer vom Land entfernt Anker. Ein Schuss aus der Bordkanone informierte die Hafenbehörde, das deutsche Konsulat und die Agentur der Woermann-Linie über die Ankunft des Schiffes. Als erstes näherten sich aber mehrere Kanus, in denen jeweils bis zu drei teils spärlich, teils gar nicht bekleidete Einheimische saßen. Kaum in Rufweite, forderten sie lauthals "money, cigar, cigarette" und fingen an, begeistert nach den ihnen von der Reling aus zugeworfenen Münzen zu tauchen.
Eine halbe Stunde später kam "das Regierungsboot mit den Amtspersonen, lauter Schwarze in europäischer Kleidung, zum Teil sogar mit Schuhen". Lindner beobachtete den Vorgang, ging dann, einer plötzlichen Ahnung folgend, in seine Kabine und traf dort "5 - 6 schwarze, halbnackte Ruderknechte". Sie hatten seine Stiefel, Mützen und seinen Säbel in Händen und waren dabei, "sich neugierig und grinsend im großen Toilettenspiegel zu betrachten". Mit "Donnerwettern und anderen Höflichkeiten" warf er alle handgreiflich wieder hinaus.
Die Unterbrechung der Fahrt in Monrovia war notwendig, um das später für die Ausladung des Transports in Südwestafrika erforderliche Personal, die so genannten "Kru-Boys", anzuheuern, Angehörige eines Volksstammes, der hier an der liberianischen Küste lebte. Die Kru waren ein kräftiger Menschenschlag und sehr geschickt bei allen Arbeiten auf dem Wasser. Da es an der Westküste Afrikas kaum ausgebaute Hafeneinrichtungen gab, waren sie für Lade- und Löscharbeiten unentbehrlich. Die Woermann-Linie arbeitete schon lange mit ihnen zusammen und hatte dabei beste Erfahrungen gemacht. Auf ihren Dampfern fuhren deshalb auch ständig Kru mit. Deren Anwerbung war Sache der Dampferkapitäne, doch konnten sich diese dabei auf die örtlichen Woermann-Agenten abstützen.
Während sich also der hiesige "Woermannman" um die Anheuerung von 150 "Boys" bemühte, unternahmen die Offiziere und Beamten des Transports am nächsten Tag einen Landgang. Mit der Pinasse wurde ihr Boot bis zur "Barre" geschleppt, der Sandbank, welche die Reede vom Strand trennte und die gewaltige Brandung verursachte, die Anlandungen an der westafrikanischen Küste so erschwerte. Die Pinasse konnte die Barre nicht überwinden, und so mussten ab hier die schwarzen Ruderer übernehmen. Unter Singsang legten sie sich in die Riemen und brachten die nassgespritzten Passagiere an Land. Dort verlangten sie allerdings "english money" und nahmen nur widerstrebend deutsches Geld an, denn"german money no good for Monrovia".
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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