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Vor 50 Jahren
Vor 50 Jahren

Vor 50 Jahren

8. Mai 1970
Wiebke Schmidt
WINDHOEKS PHÄNOMENALES WACHSTUM

Windhoek - Südwestafrikas Hauptstadt wies in den letzten 20 Jahren eine Wachstumsrate von 9,6 Prozent für die weiße Bevölkerung auf. Die Gesamtausgaben der Stadt, einschließlich des Kapitalaufwandes, betrugen im gleichen Zeitraum 19,3 Prozent jährlich. Das sind langfristige Angaben über die Entwicklung. Der Windhoeker Stadtrat muss jedoch auch in kurzen Fristen rechnen und berücksichtigen, dass Windhoeks natürlicher Zuwachs sich innerhalb der letzten fünf Jahre verdoppelt hat. Die Stadtplaner sehen langfristig eine Wachstumsrate von acht bis neun Prozent voraus. Bis 1983/85 wird Windhoek eine weiße Bevölkerung von über 100000 Personen aufweisen. Der Stadtrat muss jedoch kurzfristig bereits für das künftige raschere Wachstum vorsorgen.

Diese Angaben machte Windhoeks Bürgermeister J. B. H. von Prittwitz in einer Ansprache am letzten, sehr gut besuchten monatlichen Mittagessen der Windhoeker Handelskammer im Grand Hotel, an dem Kurt Böhme, stellvertretender Präsident, den Vorsitz führte. Um ein geordnetes, gleichmäßiges Wachstum zu sichern, sagte der Bürgermeister, müssen Raum und Dienste für etwa 10 000 weitere Häuser geschaffen werden, die innerhalb des nächsten Jahrzehnts notwendig sind. Es gilt, 30 000 zusätzliche Arbeitsstellen und Erleichterungen für 22 000 Kraftwagen (nur für Weiße allein) zu schaffen, 25 neue Schulen zu bauen, 400 Kilometer neue Straßen zu errichten, 500 Kilometer Wasserleitungen bereitzustellen, um täglich fünf Millionen Kubikmeter Wasser zu beschaffen. Es müssen 800 Kilometer lange neue elektrische Kabel gelegt werden.

Die Stadtverwaltung hat bereits alles vorausgeplant für Eros-Extension, den ersten Teil der Ausdehnung nach Süden, provisorisch Olympia genannt, die alte Werft, die Erweiterung der alten Werft in Klein Windhoek und für kleinere Siedlungen. Die Proklamierung von Academia steht kurz bevor.


MOSKAU VERMEIDET DROHUNGEN GEGEN WASHINGTON

Moskau - Präsident Nixons Entscheidung, den Vietnam-Krieg auf Kambodscha auszudehnen, konnte für die Sowjetunion zu keinem ungelegeneren Zeitpunkt kommen. Politisch, wirtschaftlich und militärisch bis zum Halse engagiert im Nahen Osten, Mao Tse-tung im Rücken, im Inneren von wirtschaftlichen Schwierigkeiten geplagt, sahen die Kremlführer die gemeinsamen Verständigungsbemühungen mit den USA, die sich vor allem jetzt in den SALT-Gesprächen manifestieren, als einen chancenreichen Ruhepunkt ihrer Außenpolitik. Die weitere Eskalation des Indochinakonflikts durch Washington könnte zu einem Knüppel in den Rädern des langsam anrollenden amerikanisch-sowjetischen Kooperationsgefährts werfen.

In diesem Lichte ist die jüngste Erklärung der amtlichen Moskauer Nachrichtenagentur TASS zu sehen, die nach Meinung westlicher Beobachter alles vermeidet, was von sowjetischer Seite zu einer Eskalation beitragen könnte. Es fehlt jede direkte Drohung gegenüber Washington. Moskau beteuert seinen Respekt für die Neutralität und Unabhängigkeit Kambodschas sowie seine Souveränität und territoriale Integrität. Den Amerikanern werden lediglich die „Konsequenzen“ für ihre Aktionen in Kambodscha angelastet, ohne dass der Kreml bisher eigene Konsequenzen ankündigt. Beobachter verweisen in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Parteichef Leonid Breschnew in seiner Ansprache zum 1. Mai kein Wort über Kambodscha verlor.


STUDENTEN-DEMONSTRATIONEN

Washington - Ungefähr 136 Universitäten und Colleges in den Vereinigten Staaten waren am Mittwoch geschlossen. Studenten demonstrierten gegen die US-Intervention in Kambodscha und gegen die Erschießung von vier Studenten in der Universität Kent, Ohio. An verschiedenen Universitäten wurden Sachschäden angerichtet. Da und dort gab es auch Verletzte. Präsident Nixon empfing acht Universitätspräsidenten, um mit ihnen über die Ursachen und die Bekämpfung der Unrast unter den Studenten zu beraten. Präsident Nixon wird heute, Freitag, eine Pressekonferenz abhalten, in der er über die Studentenunruhen sprechen wird.

An der Universität New York hatten Studenten das Computer-Zentrum besetzt. Sie erklärten, den Platz nicht zu räumen, bis sie 100000 Dollar Lösegeld erhalten hatten, um damit gefangene „Black Panthers“ zu befreien. Der Universitätspräsident erwirkte jedoch einen Befehl des Obergerichtes, wonach das Computer-Zentrum von den Studenten zu räumen sei. Die Studenten zogen sich daraufhin zurück.


MASSNAHMEN GEGEN AUSLÄNDISCHES KAPITAL

Tripolis - Ein neues Gesetz beschränkt in Libyen die Beteiligung ausländischen Kapitals. Gesellschaften, die sich mit Import und Export, mit Groß- und Kleinhandel beschäftigen, dürfen nur mit Kapital arbeiten, das Libyern gehört. Es ist nur Libyern gestattet, Partner in solchen Gesellschaften zu sein. Ausgenommen vom neuen Gesetz sind nur die ausländischen Erdölgesellschaften und Einrichtungen, soweit sie eine Konzession der libyschen Regierung besitzen. Die betroffenen Firmen erhalten ein Jahr Zeit, um sich den neuen Bedingungen anzupassen. Ausländische Gesellschaften mit Zweigstellen in Libyen können ihre Tätigkeit fortsetzen, soweit die Regierung damit einverstanden ist. Es betrifft dies besonders Ingenieursfirmen, die irgendwie mit der Erdölindustrie zu tun haben.


WURDE LEA DOCH NICHT ENTFÜHRT?

Kampala - Präsident Obote erklärte am Donnerstag, dass nach der Auffassung der Regierung der 49-jährige britische Diplomat Brian Lea nicht entführt worden sei. Lea verschwand letzten Samstag, als er von seiner Wohnung zu dem britischen Hochkommissariat im Zentrum der Stadt fuhr. Er konnte erst nach drei Tagen gefunden werden. Obote erklärte, er habe eine Ein-Mann-Kommission unter Oberrichter Russell ernannt, um die mysteriöse Angelegenheit zu untersuchen. Obote sagte, Lea habe sich mit drei anderen Männern auf einem Kanu nach der Nkunze-Insel im Viktoriasee begeben, wo sie sich erholen wollten. Als sie im Rundfunk über das Verschwinden Leas hörten, hatten zwei der Männer die Ankündigung mit Drinks gefeiert.

Wie zu erfahren ist, befindet sich Lea immer noch in Kampala. Beamte des Hochkommissariats wollen sich nicht über die Aussagen Obotes äußern, da sie in Widerspruch zu den Aussagen Leas stehen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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