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Waffen, Nussholz und Friseurgespräche

In Edmund Galls Büchsenmacherwerkstatt The Riflemaker im Windhoeker Stadtteil Pionierspark verläuft die Zeit nicht besonders schnell, aber gut hörbar. Jede halbe Stunde fliegt das Türchen der Kuckucksuhr neben dem Eingang auf und ein kleiner Holzvogel vermeldet die Uhrzeit. Gall, ein Österreicher, sitzt auf einem Hocker hinter dem Tresen, raucht eine Zigarette und schaut mit zusammengekniffenen Augen nach draußen ins grelle Sonnenlicht. "Das ist hier wie beim Friseur", sagt der 49-Jährige, "ich kriege Geschichten aus ganz Afrika zu hören". Zeitunglesen könne er sich sparen und wenn er sie doch mal aufschlage, dann wolle er nicht sehen, dass einer seiner Kunden ums Leben kam. "Wir haben eine Riesenverantwortung in unserem Job", sagt der Büchsenmacher.

Die Hündin Rani liegt schläfrig unter seinem Schreibtisch, auf dem in regelmäßigen Abständen das Telefon klingelt in der Waffenwerkstatt türmen sich die Aufträge. Galls Kunden, meist Berufsjäger oder Farmer, kommen aus dem ganzen südlichen Afrika: Tansania, Botswana, Südafrika, Angola. Nur zwei Prozent davon sind Frauen. Wegen der großen Nachfrage beträgt die Wartezeit für den Bau einer neuen Waffe mittlerweile eineinhalb Jahre. Mindestens 100 Arbeitsstunden sind notwendig, um aus einem Stück Holz, einem Lauf und einem System eine der hochfunktionellen Waffen zu bauen, die Gall an seine Kunden weitergibt.

Die meisten Arbeiten erledigt Gall gemeinsam mit seinem Angestellten Andreas Brandhuber für das Waffengeschäft Ahrens Guns in Windhoek. Für dieses hat er jetzt die wahrscheinlich teuerste Waffe eingeschossen, die je in Namibia über den Ladentisch gegangen ist. Ein namibischer Waffenliebhaber hat sich die Heym-Doppelbüchse, Kaliber 577 Nitro Express eine halbe Million Namibia-Dollar kosten lassen. Die Jagdwaffe, mit der hauptsächlich Elefanten und Büffel geschossen werden, ist eine Einzelanfertigung. Der Besitzer hat sich seine Initialen eingravieren lassen. "So ein großes Kaliber ist sehr selten", sagt Sven Ahrens, Besitzer von Ahrens Guns, "da kostet ein Schuss gute 500 Namibia-Dollar."

In Namibia gibt es insgesamt sieben Büchsenmacher, die, wie er, einen Meistertitel haben, meint Gall. Ernst Scholz, ein Berufsjäger aus Windhoek, der viel in Zentralafrika unterwegs ist, gehört zur Stammkundschaft. "Edmund ist einfach der Beste", sagt Scholz. Er hat seinen Repetierer in einer gut gepolsterten Waffentasche dabei und möchte eine kleine Änderung vorne am Korn vornehmen lassen. Waffen sind für ihn sein tägliches Arbeitswerkzeug, deshalb legt Scholz Wert auf beste Qualität. "Wenn ich meine Leute in den Busch bringe und wir machen Jagd auf einen Elefanten, dann muss alles funktionieren", erzählt er. "Da ist nicht mehr viel Platz zwischen dir und dem Tier - da darf nichts haken, klemmen oder blockieren."
Jeder, der in Namibia einen dauerhaften Aufenthaltsstatus hat, bekommt Lizenzen für bis zu vier Waffen - vorausgesetzt das polizeiliche Führungszeugnis ist einwandfrei. In Deutschland ist ein Waffenschein mit aufwändigen Voraussetzungen und Auflagen verbunden. Dennoch passieren erstaunlich wenige Unfälle mit Waffen in Namibia. "Die Aufklärung funktioniert hier sehr gut", sagt der 49-Jährige, "schon die kleinen Farmerjungen wachsen mit Waffen auf, die gehören im Alltag einfach dazu".

Das wichtigste Kriterium für seine Kunden sei die Präzision einer Waffe, so Gall. "Hier schießt man 200 bis 300 Meter weit - in Europa meist nur bis zu 100 Meter", sagt der Büchsenmacher. Nie gibt Gall eine Waffe heraus, die er nicht selbst auf der Schießbahn getestet hat. Das ist seine Endkontrolle - eine von mehreren. Auch das Material wird zuletzt gewissenhaft auf Risse, Unebenheiten und Fehler hin überprüft. Doch der richtige Umgang mit der Waffe liegt schließlich bei dem Kunden selbst. Einige Unglücksfälle hängen wie ein Mahnmal über Galls Werkstatttresen. Vier Gewehre, oder besser das, was von ihnen übrigblieb, sind an der Wand befestigt: ein auseinandergerissener Schaft, zwei durch einen Autobrand verkohlte Waffenüberreste und ein gesprengter Lauf.

Für die Herstellung seiner Waffen lässt Gall türkisches Nussholz importieren. "Es ist hart und gleichzeitig flexibel", erklärt er, "außerdem hat es eine schöne Maserung". Ein gutes Stück Schaftholz gibt es ab 30 000 Namibia-Dollar , denn das Holz ist sehr selten: Die Nussholzbäume sind bis zu 600 Jahre alt, darüber hinaus muss das Holz bis zu zehn Jahre eingelagert und getrocknet werden, damit sich an der Waffe später nichts verzieht. Im Riflemaker reichen die Metallregale bis an die Decke. Die Fächer sind voller Kisten, die Metallteile in allen Größen und Formen enthalten. Doch nur in seltenen Fällen passt ein Ersatzteil. "Die meisten teuren Waffen sind Handanfertigungen", sagt Gall, "das sind Unikate, bei denen nur individuelle Teile passen". Diese Feinarbeiten mit Kleinstteilen, wie einer Feder im Abzug, brauchen die meiste Zeit - und eine Menge Geduld. "Fluchen hilft immer, wenn was nicht klappt", sagt Gall.

Ihre Ausbildung haben die Büchsenmacher vom Riflemaker an einer Schule in Ferlach in Österreich abgeschlossen. Diese ist mit einer Schule in Deutschland die Einzige weltweit, die diese traditionelle Ausbildung noch anbietet. Waffentechnik, Ballistik, Holz- und Stahlarbeit sowie Optik gehören zum Pflichtprogramm. "Viele denken, sie sind fertig nach der vierjährigen Ausbildung", sagt Gall, der nach der Ausbildung seinen Meister machte, "aber das stimmt nicht. Es fehlt die Praxiserfahrung". Nach 36 Jahren hat der Österreicher mittlerweile Einiges an Berufserfahrung - trotzdem komme immer wieder etwas Neues dazu. "Das mag ich am meisten an diesem Beruf: Die Abwechslung", sagt er.

1986 kam er nach Namibia, nachdem er eine Stellenanzeige gesehen hatte, dass in Windhoek ein Büchsenmacher gesucht werde. Eigentlich wollte er nur kurz bleiben, denn die Einöde, die Gall aus Prospekten über Namibia, die er sich nach der Jobzusage besorgt hatte, entgegen staubte, langweilte ihn schon beim ersten Anblick. Seit sechs Jahren führt Gall nun seine eigene Waffenwerkstatt in einem Anbau hinter seinem Wohnhaus. Durch das offene Fenster strahlt der türkisblaue Pool aus dem Garten herein. Ob er irgendwann nach Österreich zurück will? Galls Antwort kommt sofort, ohne ein Zögern: "Niemals!"

Julia Kohl

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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