Wandelbar wie ein Chamäleon
Marilyn Monroe war eines seiner ersten Modelle, als Künstler Uli Aschenborn seine "beweglichen Bilder" kreierte. Nähert man sich ihrem Bildnis von rechts, ist die blonde Schönheit angezogen; betrachtet man es allerdings von der anderen Seite, dann ist sie nackt, und der Rock nichts als ein durchsichtiger Schleier. Eine Reihe solch beweglicher, auf Sand gemalter Bilder will der Künstler demnächst in der namibischen Nationalgalerie ausstellen.
Er nennt sie "Chamäleon-Bilder" oder Metamorphosen, denn sie verändern sich mit jeder neuen Perspektive, aus der man sie betrachtet. Da ist beispielsweise dieses Gemälde einer Elefantenherde - mal scheinen die Dickhäuter im aufgewirbelten Staub zu verschwinden, mal sind sie ganz klar zu erkennen. Landschaften wechseln ihre Farben von sommerlich-sattem Grün zu herbstlichen Brauntönen. Eine Oryxantilope liegt unter einem Kameldornbaum am Ufer eines blau spiegelnden Wasserloches; betrachtet man das Bild von der anderen Seite, ist das Wasserloch nur noch eine verkrustete Lehmschicht.
Die Bilder sind auf Sand gemalt. "Der Effekt kommt dadurch zustande, dass man das Sandkorn zuerst von der einen, dann von der anderen Seite anschaut. Auf beiden Seiten ist es unterschiedlich bemalt", erklärt Hans Ulrich Aschenborn seine Technik. Ganz neu sei das Konzept nicht, so der Künstler, in Ansätzen habe es das schon gegeben. Doch keiner habe es bisher so weit geführt, sagt Aschenborn, und "ein bisschen Geheimnis" sei doch dabei bei seiner Methode.
Die Idee für die beweglichen Bilder kam dem gebürtigen Namibier, Jahrgang 1947, bei einem Besuch des Centre Pompidou, dem Pariser Museum für zeitgenössische Kunst. Dort habe er eine Drahtskulptur gesehen, die von weitem wie die Strichzeichnung eines Gesichtes aussah. Trat man jedoch näher, konnte man erkennen, dass es sich vielmehr um ein plastisches Kunstwerk handelt, das zudem von der Seite ganz anders aussieht als von vorne.
"Das hat mich beeindruckt", erinnert sich Aschenborn, "so was wollte ich machen." Seine ersten Versuche galten Skulpturen. Die aus Pappe gefertigten Gestalten montierte er auf einem drehbaren Sockel und richtete eine Lichtquelle auf sie. Beginnt die Skulptur zu rotieren, wirft sie einen beweglichen Schatten auf die weiße Wand dahinter: Das Profil eines Kindes verwandelt sich in das einer alten Frau mit Hängebusen; aus einem Affen wird ein Mensch - und umgekehrt. Das Schattenspiel wirkt wie ein Kurzfilm mit Zeitraffer, der den Zyklus des Lebens darstellt - oder die Evolution gar.
Als nächstes entwickelte der Künstler Leuchtobjekte, dann folgten die Würfel mit Glasbausteinen, in denen dargestellte Objekte eine Metamorphose durchlaufen. Da ist beispielsweise das Gesicht eines Mannes, das sich zu den Gesichtern seiner ganzen Familie ändert, je nachdem, wie man auf den Würfel guckt. In einem anderen Bild wandelt sich das kubistische Porträt einer Frau in das von zwei Frauen, die einander böse anblicken - "Two Angry Women or Not", hat Aschenborn das Werk treffenderweise genannt. Ein weiterer Glaswürfel wirkt wie das Aquarium eines Goldfischchens, das seine Form und seinen Ausdruck aufs Lustigste verändert, je nachdem, aus welcher Richtung man hinein schaut.
Die Glaskuben eignen sich besonders dazu, Fische oder Meerestiere darzustellen, findet Aschenborn. Der Effekt der Lichtbrechung im Glas ist nämlich ganz ähnlich wie der im Wasser: Es ist, als sehe man ein Objekt auf dem Boden eines Schwimmbades liegen. Die Bewegung des Wassers lässt die Umrisse des Gegenstands zerfließen. Und doch ist bei Aschenborns Kunst nichts dem Zufall überlassen. "Ich kenne ja die physikalischen Gesetze", sagt der Professor für Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Köln. "Das ist die Kunst: genau die gewollten Verzerrungen zu erzielen." Anfangs, erzählt er, hatte er anhand eines Schachbrettmusters ausrechnen wollen, wie die Verformungen vom Blickpunkt abhängen. Doch das sei viel zu abstrakt und kompliziert gewesen. "Jetzt stelle ich mir das eher wie einen Film vor - wie Pinocchio eine Nase wächst, etwa."
Der Künstler ist an der Fachhochschule Köln Professor für computergesteuertes Design, EDV, Mathematik und Mechanik. Manche seiner Kunstwerke plant er zuerst am Computer, bevor er die Ideen in die Tat umsetzt.
Der in Aachen wohnhafte Namibier kehrt oft zu den alten Motiven zurück, für die schon sein Vater Dieter Aschenborn (1915-2002) und Großvater Hans Anton Aschenborn (1888-1931) als Künstler bekannt wurden: die Tiere und die Landschaften Afrikas. Derzeit plant er die Herausgabe eines Buches. Es soll eine Art vergleichende Stilkunde werden und zeigen, wie ähnlich und aber auch unterschiedlich Großvater, Vater und Sohn etwa einen Löwen oder einen Elefanten dargestellt haben. Wer Farbbilder von einem der verstorbenen Aschenborns im Besitz hat, ruft Sohn und Enkel Hans Ulrich die Namibier auf, möge sich bei ihm melden - und könne damit helfen, eine Art künstlerische Familienchronik zusammenzustellen. "Wir selber haben nämlich gar nicht so viele der alten Bilder", bedauert er.
Uli Aschenborns Kunst hat heute Sammler in Deutschland, Holland und im südlichen Afrika. Es sind nicht nur die beweglichen Bilder, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Da gibt es auch die Escher-ähnlichen Puzzlebilder wie "The World of Red Beard": Ein Aqrylgemälde eines rotbärtigen Mannes und einer Frau. Das Bild verrät sein Geheimnis erst nach längerer Betrachtung: Insgesamt sind hier nämlich zwei Männer und zwei Frauen im Profil zu sehen, und im roten Bart wuseln Dutzende weitere Gestalten. Doch das erkennt man erst, wenn man das Bild auf den Kopf stellt. "Der Käufer des Bildes macht sich immer einen Spaß daraus", erzählt Aschenborn. "Wenn seine Gäste auf Toilette sind, dreht er das Bild heimlich um."
Die Ausstellung von Uli Aschenborn in der Nationalgalerie in Windhoek wird am 11. August um 18.30 Uhr von seiner Schwester und Galeristin Hannelise Kendzia eröffnet. Die Kunstwerke sind nur bis zum 25. August in Windhoek zu sehen, dann werden sie wieder nach Deutschland verschifft. Mehr Infos zu Aschenborns Kunst auf http//kunst.aschenborn.de. Nachfragen bei Uli Aschenborn während seines Aufenthaltes in Windhoek: Tel. 227413.
Er nennt sie "Chamäleon-Bilder" oder Metamorphosen, denn sie verändern sich mit jeder neuen Perspektive, aus der man sie betrachtet. Da ist beispielsweise dieses Gemälde einer Elefantenherde - mal scheinen die Dickhäuter im aufgewirbelten Staub zu verschwinden, mal sind sie ganz klar zu erkennen. Landschaften wechseln ihre Farben von sommerlich-sattem Grün zu herbstlichen Brauntönen. Eine Oryxantilope liegt unter einem Kameldornbaum am Ufer eines blau spiegelnden Wasserloches; betrachtet man das Bild von der anderen Seite, ist das Wasserloch nur noch eine verkrustete Lehmschicht.
Die Bilder sind auf Sand gemalt. "Der Effekt kommt dadurch zustande, dass man das Sandkorn zuerst von der einen, dann von der anderen Seite anschaut. Auf beiden Seiten ist es unterschiedlich bemalt", erklärt Hans Ulrich Aschenborn seine Technik. Ganz neu sei das Konzept nicht, so der Künstler, in Ansätzen habe es das schon gegeben. Doch keiner habe es bisher so weit geführt, sagt Aschenborn, und "ein bisschen Geheimnis" sei doch dabei bei seiner Methode.
Die Idee für die beweglichen Bilder kam dem gebürtigen Namibier, Jahrgang 1947, bei einem Besuch des Centre Pompidou, dem Pariser Museum für zeitgenössische Kunst. Dort habe er eine Drahtskulptur gesehen, die von weitem wie die Strichzeichnung eines Gesichtes aussah. Trat man jedoch näher, konnte man erkennen, dass es sich vielmehr um ein plastisches Kunstwerk handelt, das zudem von der Seite ganz anders aussieht als von vorne.
"Das hat mich beeindruckt", erinnert sich Aschenborn, "so was wollte ich machen." Seine ersten Versuche galten Skulpturen. Die aus Pappe gefertigten Gestalten montierte er auf einem drehbaren Sockel und richtete eine Lichtquelle auf sie. Beginnt die Skulptur zu rotieren, wirft sie einen beweglichen Schatten auf die weiße Wand dahinter: Das Profil eines Kindes verwandelt sich in das einer alten Frau mit Hängebusen; aus einem Affen wird ein Mensch - und umgekehrt. Das Schattenspiel wirkt wie ein Kurzfilm mit Zeitraffer, der den Zyklus des Lebens darstellt - oder die Evolution gar.
Als nächstes entwickelte der Künstler Leuchtobjekte, dann folgten die Würfel mit Glasbausteinen, in denen dargestellte Objekte eine Metamorphose durchlaufen. Da ist beispielsweise das Gesicht eines Mannes, das sich zu den Gesichtern seiner ganzen Familie ändert, je nachdem, wie man auf den Würfel guckt. In einem anderen Bild wandelt sich das kubistische Porträt einer Frau in das von zwei Frauen, die einander böse anblicken - "Two Angry Women or Not", hat Aschenborn das Werk treffenderweise genannt. Ein weiterer Glaswürfel wirkt wie das Aquarium eines Goldfischchens, das seine Form und seinen Ausdruck aufs Lustigste verändert, je nachdem, aus welcher Richtung man hinein schaut.
Die Glaskuben eignen sich besonders dazu, Fische oder Meerestiere darzustellen, findet Aschenborn. Der Effekt der Lichtbrechung im Glas ist nämlich ganz ähnlich wie der im Wasser: Es ist, als sehe man ein Objekt auf dem Boden eines Schwimmbades liegen. Die Bewegung des Wassers lässt die Umrisse des Gegenstands zerfließen. Und doch ist bei Aschenborns Kunst nichts dem Zufall überlassen. "Ich kenne ja die physikalischen Gesetze", sagt der Professor für Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Köln. "Das ist die Kunst: genau die gewollten Verzerrungen zu erzielen." Anfangs, erzählt er, hatte er anhand eines Schachbrettmusters ausrechnen wollen, wie die Verformungen vom Blickpunkt abhängen. Doch das sei viel zu abstrakt und kompliziert gewesen. "Jetzt stelle ich mir das eher wie einen Film vor - wie Pinocchio eine Nase wächst, etwa."
Der Künstler ist an der Fachhochschule Köln Professor für computergesteuertes Design, EDV, Mathematik und Mechanik. Manche seiner Kunstwerke plant er zuerst am Computer, bevor er die Ideen in die Tat umsetzt.
Der in Aachen wohnhafte Namibier kehrt oft zu den alten Motiven zurück, für die schon sein Vater Dieter Aschenborn (1915-2002) und Großvater Hans Anton Aschenborn (1888-1931) als Künstler bekannt wurden: die Tiere und die Landschaften Afrikas. Derzeit plant er die Herausgabe eines Buches. Es soll eine Art vergleichende Stilkunde werden und zeigen, wie ähnlich und aber auch unterschiedlich Großvater, Vater und Sohn etwa einen Löwen oder einen Elefanten dargestellt haben. Wer Farbbilder von einem der verstorbenen Aschenborns im Besitz hat, ruft Sohn und Enkel Hans Ulrich die Namibier auf, möge sich bei ihm melden - und könne damit helfen, eine Art künstlerische Familienchronik zusammenzustellen. "Wir selber haben nämlich gar nicht so viele der alten Bilder", bedauert er.
Uli Aschenborns Kunst hat heute Sammler in Deutschland, Holland und im südlichen Afrika. Es sind nicht nur die beweglichen Bilder, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Da gibt es auch die Escher-ähnlichen Puzzlebilder wie "The World of Red Beard": Ein Aqrylgemälde eines rotbärtigen Mannes und einer Frau. Das Bild verrät sein Geheimnis erst nach längerer Betrachtung: Insgesamt sind hier nämlich zwei Männer und zwei Frauen im Profil zu sehen, und im roten Bart wuseln Dutzende weitere Gestalten. Doch das erkennt man erst, wenn man das Bild auf den Kopf stellt. "Der Käufer des Bildes macht sich immer einen Spaß daraus", erzählt Aschenborn. "Wenn seine Gäste auf Toilette sind, dreht er das Bild heimlich um."
Die Ausstellung von Uli Aschenborn in der Nationalgalerie in Windhoek wird am 11. August um 18.30 Uhr von seiner Schwester und Galeristin Hannelise Kendzia eröffnet. Die Kunstwerke sind nur bis zum 25. August in Windhoek zu sehen, dann werden sie wieder nach Deutschland verschifft. Mehr Infos zu Aschenborns Kunst auf http//kunst.aschenborn.de. Nachfragen bei Uli Aschenborn während seines Aufenthaltes in Windhoek: Tel. 227413.
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Allgemeine Zeitung
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