Warmbad: (Noch) Abseits der Touristenrouten
Schlagartig verwandelt sich die staubige, aber gute Pad in meterhohe Schutthaufen. Von Straße keine Spur. Nur Sekunden zuvor hatten wir das rostige Ortsschild "Warm a " passiert, wo irgendwann einmal der komplette Name "Warmbad" gestanden haben muss. Eine historische Stadt, auf deren Boden sich ein großer Teil deutsch-namibischer Geschichte abgespielt hat. Doch wer heute davon noch Spuren finden will, braucht einen guten Führer. Den haben wir zum Glück noch gefunden.
Dabei hatte alles denkbar schlecht angefangen. Die Schutthaufen nach über zwei Stunden Fahrt vom Campingplatz am Fish River Canyon. Behelmte Köpfe, die aus den Löcher neben den Hügeln schossen, hektisch den Kopf schüttelten und in eine andere Richtung zeigten. Und schließlich die vermeintliche Lösung. Ein Schild zeigte in die Richtung, wo ein Museum und eine Touristeninformation sein sollte. Dort angekommen aber wieder Ernüchterung: Das Museum abgeschlossen, niemand in Sicht und auch von einem Angestellten keine Spur. Von der Touristeninformation sowieso nicht. Nebenan ein paar Ruinen, in denen sich alte Stallungen erahnen ließen. Vielleicht ein Relikt aus der Kolonialzeit?
Wir auch immer, wir beschlossen, trotz der aufgeschütteten Straße, nochmal mit dem Auto eine Runde durch das Dorf zu drehen, vielleicht fiele uns ja im Vorbeifahren etwas auf. Um es kurz zu machen: Außer einer anscheinend alten Steinkirche fiel uns absolut nichts auf. Auf der anderen Seite des Dorfes, die schnell erreicht war, ging es über ein ausgetrocknetes Rivierbett, dann ein paar Blechhütten, das wars. Wer hier weiterfährt, landet irgendwann in Südafrika. Enttäuscht über die Leere des Ortes machten wir uns also auf den Rückweg, sollten es am Ende also vier Stunden Fahrt für eine Dreiviertelstunde in einem Ort gewesen sein, in dem nichtmal von der warmen Quelle, die ihm den Namen gibt, eine Spur zu sehen war? - Sollte es nicht, denn dann sahen wir das Auto.
Dank Autopanne seit einem Jahr in WarmbadEin Auto mit deutschem Kennzeichen. EF, das steht doch für Erfurt. "Ein deutsches Auto, ausgerechnet in Warmbad?", fragten wir uns und kurbelten im Vorbeifahren das Fenster herunter. Eine bunt gekleidete Frau stand daneben und musterte uns genauso neugierig, wie wir sie. Es ist Christine, und wir wussten es noch nicht, aber sie würde uns in den kommenden Stunden "ihren" Ort zeigen. Und ihre Geschichte erzählen, denn die ist mindestens genauso bemerkenswert wie der Ort selbst.
"Ich bin 2011 zum ersten Mal hier gewesen", erzählte sie, nachdem wir uns vorgestellt hatten. Eigentlich hatte sie für Lufthansa in Südafrika gearbeitet und war nur für den Urlaub nach Namibia gefahren. Auf dem Weg in den Norden hatte sie aber eine Panne - ausgerechnet in Warmbad. "Der amtierende Nama-König Joseph Christiaan hat uns dann eingeladen, hier zu bleiben und dem Ort beim Ausbau touristischer Infrastruktur zu helfen." Das war im September letzten Jahres. Seitdem lebt Christine mit ihren Kindern im Ort und hilft, wo sie kann. Jeder kennt und grüßt sie, die Bondelswarts haben sie in ihrer Gemeinschaft aufgenommen. Sie erklärte uns auch, was die Schutthaufen statt Straße zu bedeuten haben: "Um zu helfen, die Millenium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, soll der ganze Ort jetzt mit fließendem Wasser versorgt werden. Deshalb werden alle unterirdischen Leitungen erneuert." Sie führt jedoch auch an, dass viele der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Nama im Ort, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus ihren Ziegen bestreiten, sich dieses Wasser gar nicht werden leisten können. 90 Prozent der rund 1200 Einwohner sind arbeitslos.
Christine besorgte uns dann auch die Schlüssel für das Museum und begleitete uns dorthin. Noch nicht ganz dort angekommen trafen wir auf Timotheus Morris, einen Bondelswart, dessen Opa noch gegen die deutschen Truppen gekämpft hatte. "Willst du den beiden nicht vielleicht das Museum zeigen?", fragte Christine ihn. Wollte er eigentlich nicht, aber Christine kann im Dorf wohl niemand einen Wunsch ausschlagen. Er führte uns durch die kleinen Räume der ehemaligen Polizeistation und erklärte uns einiges zur Geschichte der Nama am Ort. Einmal angefangen, konnte er lebhaft viele der alten Fotografien, aus denen das Museum hauptsächlich bestand, erläutern. Dann, erklärte er, müsse er aber weiter.
Zurück in die SchuleWir wollten uns schon bei Christine für ihre Hilfe bedanken und alleine weiter, da fragte sie: "Wollt ihr nicht vielleicht auch mal die Schule sehen?" Wollten wir. Bei ungefähr 1200 Einwohnern gehen ca. 160 Kinder auf die Schule des Ortes. Wir trafen dort auch die Kinder von Christine, die inzwischen auch die wichtigsten Worte Nama mit ihren Mitschülern wechseln und den Lehrer Pieter Nico Coetzee, der die Kinder in Kunst, Kultur und Sport unterrichtet. "Wollen Sie ein Lied hören?", fragte er uns und stellt im selben Moment schon die Kinder auf. Drei faszinierende Lieder sangen sie für uns, die sich ja eigentlich schon längst wieder auf dem Heimweg wähnten. Über die Schönheit des Landes und die Schönheit des Dorfes, drei Lieder gespickt mit Klicklauten und fremd klingenden Rhythmen.
Weiter ging unsere Tour durchs Dorf zu Daniel Kaloppa. Er ist Tuberkulose und Aids-Spezialist und auch für zahlreiche Entwicklungen im Dorf verantwortlich. "Ja, es sieht an vielen Stellen momentan nicht gut aus, aber Warmbad hat so viel Potenzial", erzählt er uns. Und das hat es tatsächlich, vor allem als historische Stätte. Warmbad war einst wichtiger Knotenpunkt der deutschen Kolonialmacht auf dem Weg in Richtung Süden. Als solcher war der Ort größer und bedeutender als Karasburg, das jetzt als regionales Verwaltungszentrum fungiert, während Warmbad immer kleiner und ärmer wird. Die Ruinen, die wir neben dem Museum sahen, waren tatsächlich einmal Stallungen. Und zwar für die Kamele, mit denen die deutschen Truppen die Aufständischen durch Namibias Süden verfolgten. Einer der berüchtigsten und erfolgreichsten Führer der Nama zu dieser Zeit war Jakob Morenga, dem auf dem Friedhof Warmbads ein kleines Denkmal gewidmet ist.
Kaloppa erzählte uns von den Entwicklungsplänen, die Warmbad als Ort für Touristen interessanter machen soll, unter anderem neue Räume für die warme Quelle im unteren Teil des Dorfes. Als wir sie schließlich fanden (im ganzen Ort ist außer dem Museum nichts wirklich beschildert), sahen wir auch die Notwendigkeit dafür. Was vor einigen Jahren noch sehr ansehnlich gewesen sein muss, ist jetzt auch dem gnadenlosen Verfall preisgegeben. Ein Innen- und ein Außenpool, dazu Duschen und Umkleidekabinen. Doch das Wasser ist dreckig, alle Türen stehen offen und die Ziegen scheinen dankbar für das Obdach, das ihnen die Räumlichkeiten gewähren.
Was erst nach nur einem kurzen, enttäuschenden Aufenthalt in einem trostlosen Ort aussah, ist schließlich ein langer, herzlicher, interessanter und bewegender Aufenthalt in einem kleinen Ort geworden und wir mussten uns beeilen, damit wir den größten Teil unseres Rückweges noch vor Einbruch der Dunkelheit absolvieren konnten.
Es bleibt also viel Arbeit für Christine, Coetzee und Kaloppa, doch alle machten den Eindruck, als wollten und als könnten sie in Warmbad für zukünftige Generationen etwas bewegen. Und bei der Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die uns dort entgegengebracht wurde, war und ist der Ort vielleicht gerade vor den Entwicklungen eine Reise wert. Wenn man nicht gerade in der heißen Quelle baden möchte.
Marc Fröhling
Dabei hatte alles denkbar schlecht angefangen. Die Schutthaufen nach über zwei Stunden Fahrt vom Campingplatz am Fish River Canyon. Behelmte Köpfe, die aus den Löcher neben den Hügeln schossen, hektisch den Kopf schüttelten und in eine andere Richtung zeigten. Und schließlich die vermeintliche Lösung. Ein Schild zeigte in die Richtung, wo ein Museum und eine Touristeninformation sein sollte. Dort angekommen aber wieder Ernüchterung: Das Museum abgeschlossen, niemand in Sicht und auch von einem Angestellten keine Spur. Von der Touristeninformation sowieso nicht. Nebenan ein paar Ruinen, in denen sich alte Stallungen erahnen ließen. Vielleicht ein Relikt aus der Kolonialzeit?
Wir auch immer, wir beschlossen, trotz der aufgeschütteten Straße, nochmal mit dem Auto eine Runde durch das Dorf zu drehen, vielleicht fiele uns ja im Vorbeifahren etwas auf. Um es kurz zu machen: Außer einer anscheinend alten Steinkirche fiel uns absolut nichts auf. Auf der anderen Seite des Dorfes, die schnell erreicht war, ging es über ein ausgetrocknetes Rivierbett, dann ein paar Blechhütten, das wars. Wer hier weiterfährt, landet irgendwann in Südafrika. Enttäuscht über die Leere des Ortes machten wir uns also auf den Rückweg, sollten es am Ende also vier Stunden Fahrt für eine Dreiviertelstunde in einem Ort gewesen sein, in dem nichtmal von der warmen Quelle, die ihm den Namen gibt, eine Spur zu sehen war? - Sollte es nicht, denn dann sahen wir das Auto.
Dank Autopanne seit einem Jahr in WarmbadEin Auto mit deutschem Kennzeichen. EF, das steht doch für Erfurt. "Ein deutsches Auto, ausgerechnet in Warmbad?", fragten wir uns und kurbelten im Vorbeifahren das Fenster herunter. Eine bunt gekleidete Frau stand daneben und musterte uns genauso neugierig, wie wir sie. Es ist Christine, und wir wussten es noch nicht, aber sie würde uns in den kommenden Stunden "ihren" Ort zeigen. Und ihre Geschichte erzählen, denn die ist mindestens genauso bemerkenswert wie der Ort selbst.
"Ich bin 2011 zum ersten Mal hier gewesen", erzählte sie, nachdem wir uns vorgestellt hatten. Eigentlich hatte sie für Lufthansa in Südafrika gearbeitet und war nur für den Urlaub nach Namibia gefahren. Auf dem Weg in den Norden hatte sie aber eine Panne - ausgerechnet in Warmbad. "Der amtierende Nama-König Joseph Christiaan hat uns dann eingeladen, hier zu bleiben und dem Ort beim Ausbau touristischer Infrastruktur zu helfen." Das war im September letzten Jahres. Seitdem lebt Christine mit ihren Kindern im Ort und hilft, wo sie kann. Jeder kennt und grüßt sie, die Bondelswarts haben sie in ihrer Gemeinschaft aufgenommen. Sie erklärte uns auch, was die Schutthaufen statt Straße zu bedeuten haben: "Um zu helfen, die Millenium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, soll der ganze Ort jetzt mit fließendem Wasser versorgt werden. Deshalb werden alle unterirdischen Leitungen erneuert." Sie führt jedoch auch an, dass viele der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Nama im Ort, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus ihren Ziegen bestreiten, sich dieses Wasser gar nicht werden leisten können. 90 Prozent der rund 1200 Einwohner sind arbeitslos.
Christine besorgte uns dann auch die Schlüssel für das Museum und begleitete uns dorthin. Noch nicht ganz dort angekommen trafen wir auf Timotheus Morris, einen Bondelswart, dessen Opa noch gegen die deutschen Truppen gekämpft hatte. "Willst du den beiden nicht vielleicht das Museum zeigen?", fragte Christine ihn. Wollte er eigentlich nicht, aber Christine kann im Dorf wohl niemand einen Wunsch ausschlagen. Er führte uns durch die kleinen Räume der ehemaligen Polizeistation und erklärte uns einiges zur Geschichte der Nama am Ort. Einmal angefangen, konnte er lebhaft viele der alten Fotografien, aus denen das Museum hauptsächlich bestand, erläutern. Dann, erklärte er, müsse er aber weiter.
Zurück in die SchuleWir wollten uns schon bei Christine für ihre Hilfe bedanken und alleine weiter, da fragte sie: "Wollt ihr nicht vielleicht auch mal die Schule sehen?" Wollten wir. Bei ungefähr 1200 Einwohnern gehen ca. 160 Kinder auf die Schule des Ortes. Wir trafen dort auch die Kinder von Christine, die inzwischen auch die wichtigsten Worte Nama mit ihren Mitschülern wechseln und den Lehrer Pieter Nico Coetzee, der die Kinder in Kunst, Kultur und Sport unterrichtet. "Wollen Sie ein Lied hören?", fragte er uns und stellt im selben Moment schon die Kinder auf. Drei faszinierende Lieder sangen sie für uns, die sich ja eigentlich schon längst wieder auf dem Heimweg wähnten. Über die Schönheit des Landes und die Schönheit des Dorfes, drei Lieder gespickt mit Klicklauten und fremd klingenden Rhythmen.
Weiter ging unsere Tour durchs Dorf zu Daniel Kaloppa. Er ist Tuberkulose und Aids-Spezialist und auch für zahlreiche Entwicklungen im Dorf verantwortlich. "Ja, es sieht an vielen Stellen momentan nicht gut aus, aber Warmbad hat so viel Potenzial", erzählt er uns. Und das hat es tatsächlich, vor allem als historische Stätte. Warmbad war einst wichtiger Knotenpunkt der deutschen Kolonialmacht auf dem Weg in Richtung Süden. Als solcher war der Ort größer und bedeutender als Karasburg, das jetzt als regionales Verwaltungszentrum fungiert, während Warmbad immer kleiner und ärmer wird. Die Ruinen, die wir neben dem Museum sahen, waren tatsächlich einmal Stallungen. Und zwar für die Kamele, mit denen die deutschen Truppen die Aufständischen durch Namibias Süden verfolgten. Einer der berüchtigsten und erfolgreichsten Führer der Nama zu dieser Zeit war Jakob Morenga, dem auf dem Friedhof Warmbads ein kleines Denkmal gewidmet ist.
Kaloppa erzählte uns von den Entwicklungsplänen, die Warmbad als Ort für Touristen interessanter machen soll, unter anderem neue Räume für die warme Quelle im unteren Teil des Dorfes. Als wir sie schließlich fanden (im ganzen Ort ist außer dem Museum nichts wirklich beschildert), sahen wir auch die Notwendigkeit dafür. Was vor einigen Jahren noch sehr ansehnlich gewesen sein muss, ist jetzt auch dem gnadenlosen Verfall preisgegeben. Ein Innen- und ein Außenpool, dazu Duschen und Umkleidekabinen. Doch das Wasser ist dreckig, alle Türen stehen offen und die Ziegen scheinen dankbar für das Obdach, das ihnen die Räumlichkeiten gewähren.
Was erst nach nur einem kurzen, enttäuschenden Aufenthalt in einem trostlosen Ort aussah, ist schließlich ein langer, herzlicher, interessanter und bewegender Aufenthalt in einem kleinen Ort geworden und wir mussten uns beeilen, damit wir den größten Teil unseres Rückweges noch vor Einbruch der Dunkelheit absolvieren konnten.
Es bleibt also viel Arbeit für Christine, Coetzee und Kaloppa, doch alle machten den Eindruck, als wollten und als könnten sie in Warmbad für zukünftige Generationen etwas bewegen. Und bei der Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die uns dort entgegengebracht wurde, war und ist der Ort vielleicht gerade vor den Entwicklungen eine Reise wert. Wenn man nicht gerade in der heißen Quelle baden möchte.
Marc Fröhling
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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