Warum drohen heute manche Herero den Deutschen mit Gewalt
1. Was ist eigentlich ein Völkermord und was geschah tatsächlich 1904 in Deutsch-Südwestafrika?
Eine Definition für den Tatbestand des Völkermordes entwarf Raphael Lemkin. Seine Definition fand Eingang in die 1948 von der UNO verabschiedete Völkerrechtskonvention. Die Absicht eines Völkermordes ist die ganze oder teilweise Zerstörung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe nach vorheriger Ankündigung. Der Wille und die Umsetzung des Willens in die Tat erfüllen den Tatbestand des Völkermordes.
Nun zu den Ereignissen 1904. Samuel Maharero verfasste folgenden Befehl:
„Okahandja, den 11. Januar 1904. ICH KÄMPFE, TÖTET ALLE DEUTSCHEN! An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich habe einen Befehl für alle meine Leute angefertigt, daß sie nicht weiter ihre Hände legen an folgende: Engländer, Bastards, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nicht an. Tut dies nicht. Ich habe einen Eid geschworen, dass dieser Beschluss nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren.
Genug. Samuel Maharero.“
Einige (nicht alle!) Stämme der Herero folgten umgehend ab 12. Januar seinem Befehl und ermordeten 123 Deutsche, wobei im Blutrausch auch einige Frauen, Kinder, Buren und Italiener den Mördern zum Opfer fielen. Die deutsche Regierung musste auf diese Verbrechen reagieren, wollte man nicht weitere Morde und Plünderungen im Schutzgebiet zulassen. Die im Lande vorhandene nur einige hundert Mann zählende Schutztruppe war mit der Situation völlig überfordert, zumal die Attacken völlig überraschend kamen und nicht gegen die Soldaten sondern gegen wehrlose Zivilisten gerichtet waren. In den nächsten Monaten verschiffte man einige tausend Mann Verstärkungstruppen nach Südwestafrika und entwickelte den Plan, die Herero in ihrem aktuellen Aufenthaltsgebiet am Waterberg zu stellen und militärisch vernichtend zu schlagen. Ziel der Operation war es, dass die Herero als Volk kampfunfähig gemacht wurden, indem die bewaffneten Krieger im Kampf besiegt oder zur Waffenstreckung oder zum Rückzug von den Kampfhandlungen gezwungen wurden. Also dass die Herero als Volk kampfesmüde und aussichtslos auf einen Sieg über die Schutztruppe den bewaffneten Aufstand aufgaben.
Schutztruppe greift an, unterstützt von Witbooi-Nama
Am 11. August 1904 begann der Angriff der deutschen Truppen und der mit ihnen verbündeten Witbooi-Nama mit 1.488 Gewehren, 30 Geschützen und 12 Maschinengewehren auf die mit 6.000 modernen Hinterlader-Gewehren bewaffneten Teile des Herero-Volkes. Nach einigen Einzelgefechten gingen die Kampfhandlungen mit Einbruch der Dunkelheit zu Ende. Es gab nach diesem Tag weder Sieger noch Besiegte. Noch in der darauffolgenden Nacht machten sich die Herero mit ihren Rinderherden auf den Weg. Unbesiegt und ihr Vieh in Sicherheit bringen wollend, suchten sie den Weg ins Exil oder in andere für die Deutschen unerreichbare Orte.
Ihren Marsch legten die Herero in mehreren Abteilungen in verschiedenen Richtungen zu unterschiedlichen Zielen zurück. Sie passierten die ihnen bekannten Wasserstellen, die allerdings nicht immer die Ergiebigkeit hatten, um Mensch und Vieh in der Trockenzeit zu versorgen. Eine bis heute nicht zu ermittelnde Anzahl von Herero verdurstete auf ihrem Weg in das Exil oder in die von ihnen früher bewohnten Gebiete. Samuel Maharero erreichte spätestens am 28. September 1904 mit ca. 1.000 Begleitern das Britische Betschuanaland.
Eine sofortige Verfolgung der Herero durch deutsche Truppen scheiterte an deren Unbeweglichkeit. Pferde und Zugtiere waren verendet oder zu sehr geschwächt. Der Nachschub mit Lebensmitteln und Futter war völlig unzureichend. Die Truppe litt an völlig ungewohnten Strapazen und an Krankheiten wie Typhus. Die Anfang September einsetzende Verfolgung scheiterte an der vergeblichen Suche nach den Herero. Sie waren kampflos und unerreichbar verschwunden. Am 8. Oktober 1904 endeten die Kampfhandlungen mit vorausgegangenen fünf unbedeutenden Feindberührungen beim Ort Oorlogsende.
Die Herero waren für die deutschen Truppen nicht auffindbar. Zurückkehrende Herero wurden sowohl von der Mission als auch von der Truppe verpflegt und versorgt.
Ein Völkermord von Deutschen an Herero hat auf diese Art und Weise nicht stattfinden können.
2. Von der Versöhnung zur Spaltung / Gepflegter Schuldkult führt zur Entfremdung zwischen Herero und Deutschen
Trotz des Krieges von 1904 war das Verhältnis zwischen den Herero und den deutschstämmigen Einwohnern Südwestafrikas/Namibias anschließend über Jahrzehnte hinweg nahezu ungetrübt. Ältere Herero begründeten dies in Gesprächen sinngemäß damit, die Deutschen hätten in der Auseinandersetzung zwischen beiden Völkern nun einmal den Sieg davongetragen, und so gebühre ihnen auch die Ehre des Stärkeren und Überlegeneren. Als sich mit der Einberufung der Turnhallenkonferenz im Jahre 1975 das Klima zwischen Schwarzen und Weißen insgesamt verbesserte und Kontakte jenseits der Rassengrenzen entstanden, kamen sich auch die Herero und die deutschsprachige Volksgruppe Namibias näher. Geradezu freundschaftlich wurden die Beziehungen zwischen den beiden ethnischen Gruppierungen des Landes, als nach der Ermordung von Clemens Kapuuo 1978 der neugewählte Herero-Führer Kuaima Riruako auf die einstigen Gegner zuging und ihnen ausdrücklich Versöhnung anbot. So lud er die Südwester Deutschen zur Teilnahme am Herero tag in Okahandja ein, und im Gegenzug beschloss die Kameradschaft Deutscher Soldaten, die Waterbergfeier in Zukunft gemeinsam mit einer Abordnung des Herero Volkes zu begehen, was 1981 erstmals in die Tat umgesetzt und dann in den folgenden Jahren immer wieder erfolgreich praktiziert wurde. Von „Völkermord“ oder gar „Reparationen“ war damals nie die Rede.
Noch bis zum Beginn dieses Jahrhunderts blieb das Verhältnis zwischen Herero und deutschstämmigen Namibiern weitgehend spannungsfrei. Gerade Oberhäuptling Kuaima Riruako betonte dabei immer wieder, dass man die Vergangenheit ruhen lassen und stattdessen eine gemeinsame Zukunft aufbauen wolle. Erst mit dem Herannahen des Jahres 2004 und damit der 100. Wiederkehr des Krieges begannen sich Eintrübungen abzuzeichnen, die von Herero-Seite bald in Schuldzuweisungen mündeten und schließlich Entschädigungsforderungen nach sich zogen, wobei sich diese zunächst nicht an die Namibia-Deutschen richteten, sondern vielmehr an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als der Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Deutschen Kaiserreiches.
Spalterische Tendenzen
Wie aber konnten aus einer jahrelangen Versöhnungshaltung solch spalterische Tendenzen erwachsen? Maßgebliche Verantwortung für diese Entwicklung trugen vor allem gesellschaftliche Gruppen in Deutschland, zunächst „progressive“ Wissenschaftler, überdies Pfarrer, insbesondere der Evangelischen Kirche und oft im Kontext mit der Anti-Apartheid-Bewegung, seit 2004 aber auch in vermehrtem Umfang deutsche Politiker, allen voran der Partei Die Linke (bedingt durch die alte Verbundenheit zwischen der SWAPO und der SED), doch auch der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen, und schließlich gesellten sich namhafte Rechtsanwälte aus Deutschland und den USA dazu, um aus der Angelegenheit Kapital zu schlagen. All diesen Interessengruppen gemeinsam war die Argumentation: Wenn die Juden für den Holocaust entschädigt wurden, dann haben die Herero ebenso ein Anrecht darauf, wobei vorher jedoch aus dem Krieg ein „Völkermord“ gedeutet werden muss. Auf diese Weise wurden unter den Herero natürlich große Hoffnungen genährt, und seit den 1990er Jahren verstiegen sich sogar deutsche Historiker zu der Ansicht, Vorbilder für den Mord an den Juden habe es bereits in der deutschen Kolonialgeschichte und hier insbesondere im Herero-Krieg von 1904 gegeben. So waren denn die Herero sogar bereit, sich vor den Karren deutscher Kommunisten spannen zu lassen. Tatsächlich ist dadurch im Laufe der Jahre ein immer größerer Keil zwischen Herero einerseits und Deutschen sowie deutschstämmigen Namibiern auf der anderen Seite getrieben worden, der zur allmählichen Entfremdung geführt hat und die Gefahr birgt, eine so tiefe Spaltung voranzutreiben, dass letztlich jegliche Versöhnung fast unmöglich wird.
Ermordete Farmer berücksichtigen
Bei Besuchen von Herero-Führern in Deutschland merkten diese natürlich schnell, dass sie in den Linken Partner fanden, die in der Reparationsfrage nicht nur ein offenes Ohr hatten, sondern sie vielmehr ausdrücklich in dem Anliegen bestärkten. „Wer kann es uns also verdenken“, so erläuterte Riruako 2003 im Gespräch, „wenn wir uns das ständige Drängen deutscher Kreise folglich selbst zu Eigen machen?!“ Immerhin seien Juden, Zigeuner, Homosexuelle, ehemalige Partisanen und politische Verfolgte aller Couleur durch deutsche Bundesregierungen seit 1949 entschädigt worden - warum also nicht auch die Herero? Wo so viel Geld geflossen sei, da werde doch bestimmt noch weiteres bereitliegen, das man eben nur „abrufen“ müsse. Und so wurden die Forderungen nach Reparationen gebetsmühlenartig wiederholt und leider inzwischen in Berlin „erhört“, denn 2015 gab die CDU/CSU/SPD-Bundesregierung dem jahrelangen Druck nach und stufte den Herero-Krieg als „Völkermord“ ein. Damit war die erste Barriere gefallen, und nun erklangen verstärkt Forderungen nach Reparationszahlungen, wobei allerdings Bundestagspräsident Lammert bei seinem Besuch in Namibia im selben Jahr zum Erstaunen der Öffentlichkeit und der Journalisten zu verstehen gab, dass bei den bilateralen Gesprächen selbstverständlich auch die deutschen Opfer, also die zu Beginn des Aufstands von den Herero ermordeten Farmer und deren Familienangehörige, Berücksichtigung finden müssten, was eine völlig neue Sicht der Dinge darstellt und wovon bisher nie die Rede gewesen war.
Besonders unverschämte Äußerungen leistete sich schon 2011 der damalige DTA-Präsident Katuutire Kaura, der von der „Fortdauer des Kolonialismus“ sprach, indem er etwa die Frage stellte, warum in Namibia heute noch in Deutsch unterrichtet werde. Damit erwies er potentiellen weißen deutschstämmigen Wählern in Namibia einen Bärendienst und versetzte den Bemühungen um Versöhnung einen heftigen Schlag. Das Verhalten Kauras war auch insofern unverständlich, weil er noch in den 1980er Jahren zu jenen Herero gehörte, die ebenso wie Riruako stets den Ausgleich suchten.
Eigentlicher Scharfmacher aber ist Advokat Vekuii Rukoro, seit 2014 Nachfolger des verstorbenen Oberhäuptlings Riruako als Chef der Traditionellen OvaHerero-Behörde (OTA), der schon kurz nach seiner Amtsübernahme beim Besuch einer Delegation seines Volkes in Berlin „die Verweigerung der Anerkennung des Völkermordes durch die Bundesregierung“ scharf verurteilte, weshalb er diese „in die gleiche Ecke mit den Nationalsozialisten“ stellte. Im Jahr darauf ging er noch einen Schritt weiter, indem er die deutsche Haltung zu den inzwischen erhobenen Wiedergutmachungsforderungen als „arrogante und neo-imperialistische Tendenzen“, ja als „Kriegserklärung gegen unser Volk“ bezeichnete. Dass er damit selbst eine Kriegserklärung ausgesprochen hatte, kam ihm offenbar nicht in den Sinn, denn er ergänzte, man werde ein Programm mit Aktionen auflegen, das Deutschland und deutschen Interessen in aller Welt zum Schaden gereichen solle.
Drohungen
Seither haben Hetze und Drohungen von Seiten Rukoros stetig zugenommen, und man muss sich schon ernsthaft fragen, warum bislang weder die deutsche Regierung und deren Botschafter in Windhoek noch die namibische Regierung darauf reagiert haben, obwohl doch beide Seiten seit 2015 durch Sondergesandte in einem „Genozid-Dialog“ miteinander stehen. Dabei beleidigte Rukoro erst unlängst den deutschen Botschafter als „unfähig“ und in bester Goebbels-Manier als „Chef-Propagandisten Deutschlands“, während er den Unterhändler der namibischen Regierung - Dr. Zedekia Ngavirue, ein angesehener Herero des Landes - als „Clown“ herabwürdigte. Seit Beginn des Jahres 2018 verschärfte Rukoro seine Tonlage ohnehin weiter, als er den deutschen Namibiern unverhohlen mit Gewaltanwendung drohte. Im Januar kündigte er an, man werde „kämpfen und streiten, bis wir Recht bekommen“. Und sollte „unser Recht nicht bestätigt werden“, betonte er dann, werde man „die deutschen Bürger hier im Lande auf einer ganz anderen Ebene bekämpfen.“ Im Februar ging er schließlich noch einen Schritt weiter, als er indirekte Morddrohungen gegen die Namibia-Deutschen ausstieß. In den jüngeren Herero, so sagte er, brodele es nämlich, und er wisse nicht, wie lange er sie noch unter Kontrolle halten könne. Und dann folgte der entscheidende Satz: „Wenn unserem Recht nicht Genüge getan wird, dürft ihr euch nicht wundern, wenn ihr morgens aufwacht und nicht die Gesichter um euer Bett erkennt.“ Wohl wissend, was er da von sich gegeben hatte, fügte er an, dies sei keineswegs eine Drohung, sondern nur eine freundliche Warnung, denn „noch“ sei sein Volk friedlich. Obwohl damit sichtbar alle moralischen Grenzen überschritten wurden, reagierten weder die Regierung in Berlin noch die in Windhoek darauf, dass hier der deutschen Bevölkerungsgruppe Namibias unzweideutig der Krieg erklärt worden war und sie damit rechnen müsste, zum Ziel von Angriffen zu werden. Die Namibisch-Deutsche Stiftung (NaDS) konnte sich lediglich zu einer Distanzierung von Rukoros Aussagen durchringen, signalisierte aber ansonsten den Willen zum Dialog. Die Antwort seitens der Traditionellen OvaHerero-Behörde ließ nicht lange auf sich warten: Man lehnte die Gesprächsbereitschaft demonstrativ als „arrogantes Angebot“ ab und bemerkte beschwichtigend, man wolle natürlich niemanden gegen die Namibier deutscher Abstammung aufhetzen, gleichwohl müsse man auf den Frust und die Radikalisierung junger Herero und Nama hinweisen, die sich „vertrieben, ausgeschlossen und entmachtet“ fühlten.
Erstaunlich dabei ist immer wieder, dass Rukoro ja selbst Jurist ist und offensichtlich genau auszuloten weiß, wo die Grenze dessen ist, was er sagen kann, ohne sich strafbar zu machen. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob einige seiner Auslassungen wirklich noch im Einklang mit der Verfassung Namibias stehen.
Wie weit können Forderungen zurückreichen?
Was die endlosen Rufe nach Reparationszahlungen angeht, so verdichtet sich längst die Vermutung, dass es den Herero allein um Geld geht. Dabei stellt sich zudem die Frage, ob es nach mehr als einem Jahrhundert überhaupt Sinn macht, ja gerechtfertigt ist, solche Forderungen noch zu stellen, zumal wenn diese zwischenzeitlich, also seit dem Ende des Krieges, gar nicht erhoben wurden, sondern man sich erst in den letzten Jahren darauf „besann“? Und wie weit, so die Überlegung, kann man eigentlich mit solchen Forderungen in die Geschichte zurückgehen? Sind 100, 200 oder 500 Jahre ein „angemessener“ Zeitraum? Es ist ja bekannt, dass Staaten der Dritten Welt etwa im Zusammenhang mit der Sklaverei Entschädigungsforderungen an die einstigen Kolonialmächte erwägen, was dann bis in die Anfänge der Neuzeit, also etwa ein halbes Jahrtausend, zurückreichen würde.
Und wie sieht es mit den San (Buschleuten), Nama oder Damara aus, die einst in den Eroberungskriegen mit den Herero erschlagen, misshandelt, gedemütigt oder verschleppt wurden? Können ihre Nachfahren heute noch Reparationen von den Herero verlangen, die dann die Entschädigungssummen, die sie von Deutschland bekämen, gleich wieder an die Buschleute, Nama und Damara weiterreichen müssten?
Aus der Geschichte für die Zukunft lernen
Man sieht, es wäre eine Kette ohne Ende und ein gegenseitiges Aufrechnen, das man endlos zurückverfolgen könnte. Ist es da nicht eher angebracht, den berühmten Schlussstrich zu ziehen, um der Versöhnung willen in die Zukunft zu schauen und gemeinsam etwas aufzubauen, wie es z.B. die Verfassung der Republik Namibia vorsieht? In diesem Sinne äußerte sich dann ja auch - übrigens von Hereroseite unkommentiert - der Präsident von Botswana, Ian Khama, der im Februar 2018 Namibia einen Staatsbesuch abstattete und dabei klar und deutlich Stellung gegen etwaige Reparationsforderungen durch die Herero bezog. Man solle, so sagte er, vielmehr aus der Geschichte für die Zukunft lernen, und außerdem könne letztlich kein Geld der Welt das einst Geschehene ungeschehen machen. Dass sich Khama überhaupt zu dem Thema äußerte, dürfte damit zusammenhängen, dass ja auch in Botswana eine zahlenmäßig nicht unbedeutende Minderheit von Herero lebt, nämlich Nachfahren jener Herero, die 1904 aus Deutsch-Südwestafrika ins benachbarte britische Betschuanaland wechselten, wo sie seither im Exil leben. Es darf wohl angenommen werden, auch wenn das nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass Khamas Worte mit den Herero-Führern in Botswana vorher abgesprochen waren.
Wie viele Herero wirklich hinter Rukoro und seinen radikalen Positionen stehen, ist nicht abzuschätzen, denn eine wahrscheinlich eher schweigende Mehrheit dürfte sich inzwischen hinter Tjinaani Maharero als traditionellem Führer des Tjamuaha/Maharero Royal House versammelt haben. Auch war auffällig, dass an der offiziellen Inthronisierung Rukoros 2015 keiner der anderen acht legal anerkannten OvaHerero- und OvaMbanderu-Chefs teilnahm. Selbst in der Frage des Umgangs mit der Aufarbeitung des Hererokriegs und dem Verhältnis zu Deutschland bzw. zu den deutschstämmigen Namibiern sind sich beide Gruppierungen uneinig. Rukoro und die Traditionelle OvaHerero-Behörde sind durch die „Genozid-Stiftung der OvaHerero/OvaMbanderu“ vertreten, demgegenüber gibt es das „Dialogkomitee der OvaHerero über Genozid 1904“, welches das Königshaus Tjamuaha/Maharero vertritt und dem sich auch das Häuptlingshaus Zeraua angeschlossen hat. Aber selbst wenn Rukoro nur einige hundert oder gar tausend Herero vertreten sollte, so muss bedacht werden, dass es sich dabei um vornehmlich junge radikale Elemente handelt, bei denen möglicherweise ein Funke genügt, um einen Flächenbrand auszulösen. Die deutschstämmigen Namibier sind jedenfalls gewarnt, aber sie wissen andererseits auch, wen sie verantwortlich machen können, wenn es denn gar zu Farmbesetzungen oder Aufständen kommen sollte, wie die Äußerungen Rukoros vermuten bzw. befürchten lassen.
Jahrzehntelang war das Verhältnis zwischen Herero und Deutschen nicht nur ungetrübt, sondern ein besonders freundschaftliches. An diese Tradition sollte man wieder anknüpfen und dabei linke Vergangenheitsbewältiger und ahnungslose deutsche Außenpolitiker endgültig in ihre Schranken verweisen oder aber schlichtweg ignorieren.
3. Die Folgen der Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland auf die deutsche Volksgruppe in Namibia
Nachdem sich die Verhandlungspartner bei den bilateralen Gesprächen inzwischen auf zwei Punkte - Definition des Kolonialkrieges 1904-08 als Völkermord sowie Entschuldigung der Bundesrepublik - geeinigt haben (AZ vom 1.2.2018), steht die Höhe einer Entschädigung noch aus. Fest steht, dass die Entschädigung im Rahmen von Entwicklungshilfe über verschiedene Förderbereiche an die namibische Regierung gehen soll. Die Herero als Namibische Volksgruppe werden keine direkten Empfänger von Entschädigungen sein. Diese Vorgehensweise ihrer Regierung teilen die Herero nicht. Sie fühlen sich als unmittelbare Opfer eines Genozids und erwarten Reparationen aus Deutschland direkt an sie. Aus dieser Haltung heraus klagen die Herero zusammen mit den Nama an einem New Yorker Gericht mit einer Privatklage gegen den deutschen Staat. Die Forderungen sollen sich in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages in Euro bewegen. Deutschland lehnt die Zulässigkeit der Klage aus Gründen der Staatsimmunität ab.
Die verbalen Drohungen der Herero gegen die deutsche Volksgruppe sollen sie einschüchtern und sie zu Fürsprechern der Herero bei der deutschen Regierung machen, um diese zu Zahlungen zu bewegen. Ansonsten drohe ihnen Gewalt, Plünderung und Vertreibung.
Die Aussichten der Herero auf Geld aus Deutschland sind im Augenblick denkbar schlecht. Über die namibische Regierung werden sie nichts erhalten und der Weg über New York erscheint aus vielerlei Gründen wenig erfolgversprechend. Nichtdestotrotz ist ihre Erwartungshaltung sehr hoch. Sie haben in die Klageerhebung in New York viel Geld investiert, ihre wirtschaftliche Situation ist infolge der auf hohem Niveau befindlichen und wachsenden Arbeitslosigkeit in Namibia nicht gut. Die von Oberhäuptling Rukoro aufgehetzten jungen Herero werden nicht geduldig den Lauf der Dinge abwarten wollen.
Der Ausbruch von Gewalt gegen die deutsche Volksgruppe ist unter den derzeitigen Verhältnissen nicht auszuschließen.
Keine Stellungnahme zu den Ausfällen
Die namibische Regierung hat bisher noch keine Stellungnahme zu den Rukoro-Ausfällen bezogen. Eine scharfe Verurteilung und der Einsatz von Rechtsmitteln gegen die Äußerungen von Rukoro wären sicherlich notwendig gewesen und hätten zur Beruhigung der Lage beigetragen. Genauso verhält es sich mit der Reaktion der Bundesregierung. Keinerlei Verurteilung der Herero erfolgte aus Berlin, und eine Beistandserklärung an die deutsche Volksgruppe in Namibia erging nicht.
Dabei haben beide Regierungen erheblich zu dem Konflikt beigetragen. Entgegen gesicherten historischen Tatsachen hält man an der Völkermordthese fest und schürt damit über einhundert Jahre später neue Konflikte zwischen zwei Völkern.
Es erscheint inzwischen völlig absurd, dass die Bundesregierung immer noch an der DDR-Kriegspropaganda aus dem Kalten Krieg festhält, wonach die BRD als vorgeblichem Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches mit diesem Völkermordvorwurf diskreditiert werden sollte. Die Nichtberücksichtigung von historischen und auf Primärquellen basierenden Abhandlungen durch das Auswärtige Amt wird noch zu klären sein. Auf jeden Fall muss die Völkermordthese sofort auf den Prüfstand. Die Regierungen in Berlin und Windhuk müssen umgehend alles dafür tun, um die Herero von ihrem Weg, der auf einer nicht bewiesenen Behauptung beruht, schnellstens abzubringen. Die deutsche Volksgruppe muss das Gefühl wiedererlangen, friedlich und ohne Angst in Namibia leben zu können.
Wolfgang Reith (Neuss und Kapstadt) & Helmut Lessing (Berlin)
Eine Definition für den Tatbestand des Völkermordes entwarf Raphael Lemkin. Seine Definition fand Eingang in die 1948 von der UNO verabschiedete Völkerrechtskonvention. Die Absicht eines Völkermordes ist die ganze oder teilweise Zerstörung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe nach vorheriger Ankündigung. Der Wille und die Umsetzung des Willens in die Tat erfüllen den Tatbestand des Völkermordes.
Nun zu den Ereignissen 1904. Samuel Maharero verfasste folgenden Befehl:
„Okahandja, den 11. Januar 1904. ICH KÄMPFE, TÖTET ALLE DEUTSCHEN! An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich habe einen Befehl für alle meine Leute angefertigt, daß sie nicht weiter ihre Hände legen an folgende: Engländer, Bastards, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nicht an. Tut dies nicht. Ich habe einen Eid geschworen, dass dieser Beschluss nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren.
Genug. Samuel Maharero.“
Einige (nicht alle!) Stämme der Herero folgten umgehend ab 12. Januar seinem Befehl und ermordeten 123 Deutsche, wobei im Blutrausch auch einige Frauen, Kinder, Buren und Italiener den Mördern zum Opfer fielen. Die deutsche Regierung musste auf diese Verbrechen reagieren, wollte man nicht weitere Morde und Plünderungen im Schutzgebiet zulassen. Die im Lande vorhandene nur einige hundert Mann zählende Schutztruppe war mit der Situation völlig überfordert, zumal die Attacken völlig überraschend kamen und nicht gegen die Soldaten sondern gegen wehrlose Zivilisten gerichtet waren. In den nächsten Monaten verschiffte man einige tausend Mann Verstärkungstruppen nach Südwestafrika und entwickelte den Plan, die Herero in ihrem aktuellen Aufenthaltsgebiet am Waterberg zu stellen und militärisch vernichtend zu schlagen. Ziel der Operation war es, dass die Herero als Volk kampfunfähig gemacht wurden, indem die bewaffneten Krieger im Kampf besiegt oder zur Waffenstreckung oder zum Rückzug von den Kampfhandlungen gezwungen wurden. Also dass die Herero als Volk kampfesmüde und aussichtslos auf einen Sieg über die Schutztruppe den bewaffneten Aufstand aufgaben.
Schutztruppe greift an, unterstützt von Witbooi-Nama
Am 11. August 1904 begann der Angriff der deutschen Truppen und der mit ihnen verbündeten Witbooi-Nama mit 1.488 Gewehren, 30 Geschützen und 12 Maschinengewehren auf die mit 6.000 modernen Hinterlader-Gewehren bewaffneten Teile des Herero-Volkes. Nach einigen Einzelgefechten gingen die Kampfhandlungen mit Einbruch der Dunkelheit zu Ende. Es gab nach diesem Tag weder Sieger noch Besiegte. Noch in der darauffolgenden Nacht machten sich die Herero mit ihren Rinderherden auf den Weg. Unbesiegt und ihr Vieh in Sicherheit bringen wollend, suchten sie den Weg ins Exil oder in andere für die Deutschen unerreichbare Orte.
Ihren Marsch legten die Herero in mehreren Abteilungen in verschiedenen Richtungen zu unterschiedlichen Zielen zurück. Sie passierten die ihnen bekannten Wasserstellen, die allerdings nicht immer die Ergiebigkeit hatten, um Mensch und Vieh in der Trockenzeit zu versorgen. Eine bis heute nicht zu ermittelnde Anzahl von Herero verdurstete auf ihrem Weg in das Exil oder in die von ihnen früher bewohnten Gebiete. Samuel Maharero erreichte spätestens am 28. September 1904 mit ca. 1.000 Begleitern das Britische Betschuanaland.
Eine sofortige Verfolgung der Herero durch deutsche Truppen scheiterte an deren Unbeweglichkeit. Pferde und Zugtiere waren verendet oder zu sehr geschwächt. Der Nachschub mit Lebensmitteln und Futter war völlig unzureichend. Die Truppe litt an völlig ungewohnten Strapazen und an Krankheiten wie Typhus. Die Anfang September einsetzende Verfolgung scheiterte an der vergeblichen Suche nach den Herero. Sie waren kampflos und unerreichbar verschwunden. Am 8. Oktober 1904 endeten die Kampfhandlungen mit vorausgegangenen fünf unbedeutenden Feindberührungen beim Ort Oorlogsende.
Die Herero waren für die deutschen Truppen nicht auffindbar. Zurückkehrende Herero wurden sowohl von der Mission als auch von der Truppe verpflegt und versorgt.
Ein Völkermord von Deutschen an Herero hat auf diese Art und Weise nicht stattfinden können.
2. Von der Versöhnung zur Spaltung / Gepflegter Schuldkult führt zur Entfremdung zwischen Herero und Deutschen
Trotz des Krieges von 1904 war das Verhältnis zwischen den Herero und den deutschstämmigen Einwohnern Südwestafrikas/Namibias anschließend über Jahrzehnte hinweg nahezu ungetrübt. Ältere Herero begründeten dies in Gesprächen sinngemäß damit, die Deutschen hätten in der Auseinandersetzung zwischen beiden Völkern nun einmal den Sieg davongetragen, und so gebühre ihnen auch die Ehre des Stärkeren und Überlegeneren. Als sich mit der Einberufung der Turnhallenkonferenz im Jahre 1975 das Klima zwischen Schwarzen und Weißen insgesamt verbesserte und Kontakte jenseits der Rassengrenzen entstanden, kamen sich auch die Herero und die deutschsprachige Volksgruppe Namibias näher. Geradezu freundschaftlich wurden die Beziehungen zwischen den beiden ethnischen Gruppierungen des Landes, als nach der Ermordung von Clemens Kapuuo 1978 der neugewählte Herero-Führer Kuaima Riruako auf die einstigen Gegner zuging und ihnen ausdrücklich Versöhnung anbot. So lud er die Südwester Deutschen zur Teilnahme am Herero tag in Okahandja ein, und im Gegenzug beschloss die Kameradschaft Deutscher Soldaten, die Waterbergfeier in Zukunft gemeinsam mit einer Abordnung des Herero Volkes zu begehen, was 1981 erstmals in die Tat umgesetzt und dann in den folgenden Jahren immer wieder erfolgreich praktiziert wurde. Von „Völkermord“ oder gar „Reparationen“ war damals nie die Rede.
Noch bis zum Beginn dieses Jahrhunderts blieb das Verhältnis zwischen Herero und deutschstämmigen Namibiern weitgehend spannungsfrei. Gerade Oberhäuptling Kuaima Riruako betonte dabei immer wieder, dass man die Vergangenheit ruhen lassen und stattdessen eine gemeinsame Zukunft aufbauen wolle. Erst mit dem Herannahen des Jahres 2004 und damit der 100. Wiederkehr des Krieges begannen sich Eintrübungen abzuzeichnen, die von Herero-Seite bald in Schuldzuweisungen mündeten und schließlich Entschädigungsforderungen nach sich zogen, wobei sich diese zunächst nicht an die Namibia-Deutschen richteten, sondern vielmehr an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als der Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Deutschen Kaiserreiches.
Spalterische Tendenzen
Wie aber konnten aus einer jahrelangen Versöhnungshaltung solch spalterische Tendenzen erwachsen? Maßgebliche Verantwortung für diese Entwicklung trugen vor allem gesellschaftliche Gruppen in Deutschland, zunächst „progressive“ Wissenschaftler, überdies Pfarrer, insbesondere der Evangelischen Kirche und oft im Kontext mit der Anti-Apartheid-Bewegung, seit 2004 aber auch in vermehrtem Umfang deutsche Politiker, allen voran der Partei Die Linke (bedingt durch die alte Verbundenheit zwischen der SWAPO und der SED), doch auch der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen, und schließlich gesellten sich namhafte Rechtsanwälte aus Deutschland und den USA dazu, um aus der Angelegenheit Kapital zu schlagen. All diesen Interessengruppen gemeinsam war die Argumentation: Wenn die Juden für den Holocaust entschädigt wurden, dann haben die Herero ebenso ein Anrecht darauf, wobei vorher jedoch aus dem Krieg ein „Völkermord“ gedeutet werden muss. Auf diese Weise wurden unter den Herero natürlich große Hoffnungen genährt, und seit den 1990er Jahren verstiegen sich sogar deutsche Historiker zu der Ansicht, Vorbilder für den Mord an den Juden habe es bereits in der deutschen Kolonialgeschichte und hier insbesondere im Herero-Krieg von 1904 gegeben. So waren denn die Herero sogar bereit, sich vor den Karren deutscher Kommunisten spannen zu lassen. Tatsächlich ist dadurch im Laufe der Jahre ein immer größerer Keil zwischen Herero einerseits und Deutschen sowie deutschstämmigen Namibiern auf der anderen Seite getrieben worden, der zur allmählichen Entfremdung geführt hat und die Gefahr birgt, eine so tiefe Spaltung voranzutreiben, dass letztlich jegliche Versöhnung fast unmöglich wird.
Ermordete Farmer berücksichtigen
Bei Besuchen von Herero-Führern in Deutschland merkten diese natürlich schnell, dass sie in den Linken Partner fanden, die in der Reparationsfrage nicht nur ein offenes Ohr hatten, sondern sie vielmehr ausdrücklich in dem Anliegen bestärkten. „Wer kann es uns also verdenken“, so erläuterte Riruako 2003 im Gespräch, „wenn wir uns das ständige Drängen deutscher Kreise folglich selbst zu Eigen machen?!“ Immerhin seien Juden, Zigeuner, Homosexuelle, ehemalige Partisanen und politische Verfolgte aller Couleur durch deutsche Bundesregierungen seit 1949 entschädigt worden - warum also nicht auch die Herero? Wo so viel Geld geflossen sei, da werde doch bestimmt noch weiteres bereitliegen, das man eben nur „abrufen“ müsse. Und so wurden die Forderungen nach Reparationen gebetsmühlenartig wiederholt und leider inzwischen in Berlin „erhört“, denn 2015 gab die CDU/CSU/SPD-Bundesregierung dem jahrelangen Druck nach und stufte den Herero-Krieg als „Völkermord“ ein. Damit war die erste Barriere gefallen, und nun erklangen verstärkt Forderungen nach Reparationszahlungen, wobei allerdings Bundestagspräsident Lammert bei seinem Besuch in Namibia im selben Jahr zum Erstaunen der Öffentlichkeit und der Journalisten zu verstehen gab, dass bei den bilateralen Gesprächen selbstverständlich auch die deutschen Opfer, also die zu Beginn des Aufstands von den Herero ermordeten Farmer und deren Familienangehörige, Berücksichtigung finden müssten, was eine völlig neue Sicht der Dinge darstellt und wovon bisher nie die Rede gewesen war.
Besonders unverschämte Äußerungen leistete sich schon 2011 der damalige DTA-Präsident Katuutire Kaura, der von der „Fortdauer des Kolonialismus“ sprach, indem er etwa die Frage stellte, warum in Namibia heute noch in Deutsch unterrichtet werde. Damit erwies er potentiellen weißen deutschstämmigen Wählern in Namibia einen Bärendienst und versetzte den Bemühungen um Versöhnung einen heftigen Schlag. Das Verhalten Kauras war auch insofern unverständlich, weil er noch in den 1980er Jahren zu jenen Herero gehörte, die ebenso wie Riruako stets den Ausgleich suchten.
Eigentlicher Scharfmacher aber ist Advokat Vekuii Rukoro, seit 2014 Nachfolger des verstorbenen Oberhäuptlings Riruako als Chef der Traditionellen OvaHerero-Behörde (OTA), der schon kurz nach seiner Amtsübernahme beim Besuch einer Delegation seines Volkes in Berlin „die Verweigerung der Anerkennung des Völkermordes durch die Bundesregierung“ scharf verurteilte, weshalb er diese „in die gleiche Ecke mit den Nationalsozialisten“ stellte. Im Jahr darauf ging er noch einen Schritt weiter, indem er die deutsche Haltung zu den inzwischen erhobenen Wiedergutmachungsforderungen als „arrogante und neo-imperialistische Tendenzen“, ja als „Kriegserklärung gegen unser Volk“ bezeichnete. Dass er damit selbst eine Kriegserklärung ausgesprochen hatte, kam ihm offenbar nicht in den Sinn, denn er ergänzte, man werde ein Programm mit Aktionen auflegen, das Deutschland und deutschen Interessen in aller Welt zum Schaden gereichen solle.
Drohungen
Seither haben Hetze und Drohungen von Seiten Rukoros stetig zugenommen, und man muss sich schon ernsthaft fragen, warum bislang weder die deutsche Regierung und deren Botschafter in Windhoek noch die namibische Regierung darauf reagiert haben, obwohl doch beide Seiten seit 2015 durch Sondergesandte in einem „Genozid-Dialog“ miteinander stehen. Dabei beleidigte Rukoro erst unlängst den deutschen Botschafter als „unfähig“ und in bester Goebbels-Manier als „Chef-Propagandisten Deutschlands“, während er den Unterhändler der namibischen Regierung - Dr. Zedekia Ngavirue, ein angesehener Herero des Landes - als „Clown“ herabwürdigte. Seit Beginn des Jahres 2018 verschärfte Rukoro seine Tonlage ohnehin weiter, als er den deutschen Namibiern unverhohlen mit Gewaltanwendung drohte. Im Januar kündigte er an, man werde „kämpfen und streiten, bis wir Recht bekommen“. Und sollte „unser Recht nicht bestätigt werden“, betonte er dann, werde man „die deutschen Bürger hier im Lande auf einer ganz anderen Ebene bekämpfen.“ Im Februar ging er schließlich noch einen Schritt weiter, als er indirekte Morddrohungen gegen die Namibia-Deutschen ausstieß. In den jüngeren Herero, so sagte er, brodele es nämlich, und er wisse nicht, wie lange er sie noch unter Kontrolle halten könne. Und dann folgte der entscheidende Satz: „Wenn unserem Recht nicht Genüge getan wird, dürft ihr euch nicht wundern, wenn ihr morgens aufwacht und nicht die Gesichter um euer Bett erkennt.“ Wohl wissend, was er da von sich gegeben hatte, fügte er an, dies sei keineswegs eine Drohung, sondern nur eine freundliche Warnung, denn „noch“ sei sein Volk friedlich. Obwohl damit sichtbar alle moralischen Grenzen überschritten wurden, reagierten weder die Regierung in Berlin noch die in Windhoek darauf, dass hier der deutschen Bevölkerungsgruppe Namibias unzweideutig der Krieg erklärt worden war und sie damit rechnen müsste, zum Ziel von Angriffen zu werden. Die Namibisch-Deutsche Stiftung (NaDS) konnte sich lediglich zu einer Distanzierung von Rukoros Aussagen durchringen, signalisierte aber ansonsten den Willen zum Dialog. Die Antwort seitens der Traditionellen OvaHerero-Behörde ließ nicht lange auf sich warten: Man lehnte die Gesprächsbereitschaft demonstrativ als „arrogantes Angebot“ ab und bemerkte beschwichtigend, man wolle natürlich niemanden gegen die Namibier deutscher Abstammung aufhetzen, gleichwohl müsse man auf den Frust und die Radikalisierung junger Herero und Nama hinweisen, die sich „vertrieben, ausgeschlossen und entmachtet“ fühlten.
Erstaunlich dabei ist immer wieder, dass Rukoro ja selbst Jurist ist und offensichtlich genau auszuloten weiß, wo die Grenze dessen ist, was er sagen kann, ohne sich strafbar zu machen. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob einige seiner Auslassungen wirklich noch im Einklang mit der Verfassung Namibias stehen.
Wie weit können Forderungen zurückreichen?
Was die endlosen Rufe nach Reparationszahlungen angeht, so verdichtet sich längst die Vermutung, dass es den Herero allein um Geld geht. Dabei stellt sich zudem die Frage, ob es nach mehr als einem Jahrhundert überhaupt Sinn macht, ja gerechtfertigt ist, solche Forderungen noch zu stellen, zumal wenn diese zwischenzeitlich, also seit dem Ende des Krieges, gar nicht erhoben wurden, sondern man sich erst in den letzten Jahren darauf „besann“? Und wie weit, so die Überlegung, kann man eigentlich mit solchen Forderungen in die Geschichte zurückgehen? Sind 100, 200 oder 500 Jahre ein „angemessener“ Zeitraum? Es ist ja bekannt, dass Staaten der Dritten Welt etwa im Zusammenhang mit der Sklaverei Entschädigungsforderungen an die einstigen Kolonialmächte erwägen, was dann bis in die Anfänge der Neuzeit, also etwa ein halbes Jahrtausend, zurückreichen würde.
Und wie sieht es mit den San (Buschleuten), Nama oder Damara aus, die einst in den Eroberungskriegen mit den Herero erschlagen, misshandelt, gedemütigt oder verschleppt wurden? Können ihre Nachfahren heute noch Reparationen von den Herero verlangen, die dann die Entschädigungssummen, die sie von Deutschland bekämen, gleich wieder an die Buschleute, Nama und Damara weiterreichen müssten?
Aus der Geschichte für die Zukunft lernen
Man sieht, es wäre eine Kette ohne Ende und ein gegenseitiges Aufrechnen, das man endlos zurückverfolgen könnte. Ist es da nicht eher angebracht, den berühmten Schlussstrich zu ziehen, um der Versöhnung willen in die Zukunft zu schauen und gemeinsam etwas aufzubauen, wie es z.B. die Verfassung der Republik Namibia vorsieht? In diesem Sinne äußerte sich dann ja auch - übrigens von Hereroseite unkommentiert - der Präsident von Botswana, Ian Khama, der im Februar 2018 Namibia einen Staatsbesuch abstattete und dabei klar und deutlich Stellung gegen etwaige Reparationsforderungen durch die Herero bezog. Man solle, so sagte er, vielmehr aus der Geschichte für die Zukunft lernen, und außerdem könne letztlich kein Geld der Welt das einst Geschehene ungeschehen machen. Dass sich Khama überhaupt zu dem Thema äußerte, dürfte damit zusammenhängen, dass ja auch in Botswana eine zahlenmäßig nicht unbedeutende Minderheit von Herero lebt, nämlich Nachfahren jener Herero, die 1904 aus Deutsch-Südwestafrika ins benachbarte britische Betschuanaland wechselten, wo sie seither im Exil leben. Es darf wohl angenommen werden, auch wenn das nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass Khamas Worte mit den Herero-Führern in Botswana vorher abgesprochen waren.
Wie viele Herero wirklich hinter Rukoro und seinen radikalen Positionen stehen, ist nicht abzuschätzen, denn eine wahrscheinlich eher schweigende Mehrheit dürfte sich inzwischen hinter Tjinaani Maharero als traditionellem Führer des Tjamuaha/Maharero Royal House versammelt haben. Auch war auffällig, dass an der offiziellen Inthronisierung Rukoros 2015 keiner der anderen acht legal anerkannten OvaHerero- und OvaMbanderu-Chefs teilnahm. Selbst in der Frage des Umgangs mit der Aufarbeitung des Hererokriegs und dem Verhältnis zu Deutschland bzw. zu den deutschstämmigen Namibiern sind sich beide Gruppierungen uneinig. Rukoro und die Traditionelle OvaHerero-Behörde sind durch die „Genozid-Stiftung der OvaHerero/OvaMbanderu“ vertreten, demgegenüber gibt es das „Dialogkomitee der OvaHerero über Genozid 1904“, welches das Königshaus Tjamuaha/Maharero vertritt und dem sich auch das Häuptlingshaus Zeraua angeschlossen hat. Aber selbst wenn Rukoro nur einige hundert oder gar tausend Herero vertreten sollte, so muss bedacht werden, dass es sich dabei um vornehmlich junge radikale Elemente handelt, bei denen möglicherweise ein Funke genügt, um einen Flächenbrand auszulösen. Die deutschstämmigen Namibier sind jedenfalls gewarnt, aber sie wissen andererseits auch, wen sie verantwortlich machen können, wenn es denn gar zu Farmbesetzungen oder Aufständen kommen sollte, wie die Äußerungen Rukoros vermuten bzw. befürchten lassen.
Jahrzehntelang war das Verhältnis zwischen Herero und Deutschen nicht nur ungetrübt, sondern ein besonders freundschaftliches. An diese Tradition sollte man wieder anknüpfen und dabei linke Vergangenheitsbewältiger und ahnungslose deutsche Außenpolitiker endgültig in ihre Schranken verweisen oder aber schlichtweg ignorieren.
3. Die Folgen der Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland auf die deutsche Volksgruppe in Namibia
Nachdem sich die Verhandlungspartner bei den bilateralen Gesprächen inzwischen auf zwei Punkte - Definition des Kolonialkrieges 1904-08 als Völkermord sowie Entschuldigung der Bundesrepublik - geeinigt haben (AZ vom 1.2.2018), steht die Höhe einer Entschädigung noch aus. Fest steht, dass die Entschädigung im Rahmen von Entwicklungshilfe über verschiedene Förderbereiche an die namibische Regierung gehen soll. Die Herero als Namibische Volksgruppe werden keine direkten Empfänger von Entschädigungen sein. Diese Vorgehensweise ihrer Regierung teilen die Herero nicht. Sie fühlen sich als unmittelbare Opfer eines Genozids und erwarten Reparationen aus Deutschland direkt an sie. Aus dieser Haltung heraus klagen die Herero zusammen mit den Nama an einem New Yorker Gericht mit einer Privatklage gegen den deutschen Staat. Die Forderungen sollen sich in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages in Euro bewegen. Deutschland lehnt die Zulässigkeit der Klage aus Gründen der Staatsimmunität ab.
Die verbalen Drohungen der Herero gegen die deutsche Volksgruppe sollen sie einschüchtern und sie zu Fürsprechern der Herero bei der deutschen Regierung machen, um diese zu Zahlungen zu bewegen. Ansonsten drohe ihnen Gewalt, Plünderung und Vertreibung.
Die Aussichten der Herero auf Geld aus Deutschland sind im Augenblick denkbar schlecht. Über die namibische Regierung werden sie nichts erhalten und der Weg über New York erscheint aus vielerlei Gründen wenig erfolgversprechend. Nichtdestotrotz ist ihre Erwartungshaltung sehr hoch. Sie haben in die Klageerhebung in New York viel Geld investiert, ihre wirtschaftliche Situation ist infolge der auf hohem Niveau befindlichen und wachsenden Arbeitslosigkeit in Namibia nicht gut. Die von Oberhäuptling Rukoro aufgehetzten jungen Herero werden nicht geduldig den Lauf der Dinge abwarten wollen.
Der Ausbruch von Gewalt gegen die deutsche Volksgruppe ist unter den derzeitigen Verhältnissen nicht auszuschließen.
Keine Stellungnahme zu den Ausfällen
Die namibische Regierung hat bisher noch keine Stellungnahme zu den Rukoro-Ausfällen bezogen. Eine scharfe Verurteilung und der Einsatz von Rechtsmitteln gegen die Äußerungen von Rukoro wären sicherlich notwendig gewesen und hätten zur Beruhigung der Lage beigetragen. Genauso verhält es sich mit der Reaktion der Bundesregierung. Keinerlei Verurteilung der Herero erfolgte aus Berlin, und eine Beistandserklärung an die deutsche Volksgruppe in Namibia erging nicht.
Dabei haben beide Regierungen erheblich zu dem Konflikt beigetragen. Entgegen gesicherten historischen Tatsachen hält man an der Völkermordthese fest und schürt damit über einhundert Jahre später neue Konflikte zwischen zwei Völkern.
Es erscheint inzwischen völlig absurd, dass die Bundesregierung immer noch an der DDR-Kriegspropaganda aus dem Kalten Krieg festhält, wonach die BRD als vorgeblichem Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches mit diesem Völkermordvorwurf diskreditiert werden sollte. Die Nichtberücksichtigung von historischen und auf Primärquellen basierenden Abhandlungen durch das Auswärtige Amt wird noch zu klären sein. Auf jeden Fall muss die Völkermordthese sofort auf den Prüfstand. Die Regierungen in Berlin und Windhuk müssen umgehend alles dafür tun, um die Herero von ihrem Weg, der auf einer nicht bewiesenen Behauptung beruht, schnellstens abzubringen. Die deutsche Volksgruppe muss das Gefühl wiedererlangen, friedlich und ohne Angst in Namibia leben zu können.
Wolfgang Reith (Neuss und Kapstadt) & Helmut Lessing (Berlin)
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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