Watzkes düsteres Szenario
Kampf um „zügigen“ Fußball und Existenzen
Von P. Reichardt, H. Schmidt und M. Ritter, dpa
Frankfurt/Main
Bloß keine Sonderstellung - aber bitte „zügig“ zurück zum Fußball-Spielbetrieb! Im vehementen Werben für eine zeitnahe Rückkehr der Bundesliga hat BVB-Boss Hans-Joachim Watzke düstere Zukunftsszenarien gezeichnet und vor einem Kollaps des ganzen Systems gewarnt. „Wenn wir den Fußball nicht weiterspielen, dann säuft die ganze Bundesliga ab“, sagte Dortmunds Geschäftsführer in der Sendung „Wontorra - allein zu Hause“ bei Sky am Sonntag. Sollte man gar über ein Jahr keinen Fußball spielen können, „dann gehen überall die Lichter aus - auch beim BVB“, fügte Watzke an.
Das von der Deutschen Fußball Liga (DFL) erarbeitete Konzept hält Watzke für tadellos. „Wenn man unser Konzept jetzt ablehnt, wird sich auch in acht Wochen daran nichts ändern“, rief Watzke auch den politischen Entscheidern zu, die nun die Erlaubnis für eine Wiederaufnahme der Bundesliga mit Geisterspielen geben müssen. Doch aus der Politik blieben an diesem Wochenende die Mutmacher für den erhofften Neustart an diesem Wochenende aus.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der jüngst noch einen Start am 9. Mai in Aussicht gestellt hatte, sagte „Focus online“ mit Blick auf die nächste Runde von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am Donnerstag: „Aber ich würde diesmal nicht allzu viel erwarten. Es wäre sinnvoll, wenn wir nächsten Donnerstag ein Update machen, aber keine zusätzlichen überstürzten Aktionen einleiten.“ Die Bundesliga müsse maximale Hygiene-Forderungen erfüllen und könne selbst dann nur „auf Bewährung starten“, betonte Söder.
Auch der ehemalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß lobte die Beteiligten für ihr Management. „Bei der DFL wird in dieser Krisensituation sehr gut gearbeitet, wie gerade die Verhandlungen mit Sky zeigen: Damit wurde die notwendige Liquidität für einige Vereine geschaffen“, sagte Hoeneß dem „Kicker“. Er halte Geisterspiele für „fragwürdig, doch angesichts der wirtschaftlichen Lage einiger Vereine sind sie lebensnotwendig und bedingungslos“.
Watzke mag mit seiner Konzept-Beurteilung „Mehr geht nicht“ womöglich recht haben, doch auch dem 60-Jährigen müsste klar sein: Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Verhältnismäßigkeit von Aufnahme des Profifußballs zu sonstigen Maßnahmen dürften eine maßgebliche Rolle spielen. Werden die Kontaktbeschränkungen am 30. April erneut verlängert, dürften DFL und Clubs das beste Konzept zunächst nichts helfen, da weiterhin nicht mal ein reguläres Training stattfinden könnte. Zwischen Sicherheitskonzept und versprochener Disziplin bei der Isolierung bleibt deshalb nur eins: Geduld.
Ein Zwang, der einige Vereine in existenzielle Nöte bringt, solange die TV-Gelder für die neun ausstehenden Spieltage nicht fest eingeplant werden können. Werder Bremen muss nach eigenen Angaben bereits Schulden aufnehmen und rechnet im schlechtesten Fall mit einem Verlust von 40 Millionen Euro. Diese Fälle sorgen auch Watzke: „Wir wissen, dass Solidarität gefragt ist. Aber wenn wir was verteilen wollen, müssen wir auch mal wieder was einnehmen.“
Er fügte hinzu: „Und jeder weiß, wenn es Insolvenzen gibt, kommen auch die sogenannten Weißen Ritter, die dann sagen, wir geben euch Geld, aber ihr müsst dafür sorgen, dass 50+1 fällt.“ Mit der 50+1-Regel soll verhindert werden, dass Kapitalanleger die Stimmenmehrheit in Profi-Clubs übernehmen.
Kritik an der schnellen zuschauerlosen Bundesliga-Fortsetzung gibt es von vielen Seiten: von einzelnen Politikern, von Fan-Organisationen - und auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die vor möglichen Fan-Ansammlungen vor den Stadien warnt. „Geisterspiele sind eine Gefahr, auch wenn der Veranstalter im Stadion alles tut, damit Hygienevorschriften eingehalten werden, um das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich zu halten“, sagte GdP-Vize Jörg Radek in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Wenn das Stadion zu einem potenziellen Ziel von Fans werde, sei dies „verheerend“, fügte Radek an. „Es darf während dieser Pandemie nicht zu großen Menschenansammlungen vor den Stadiontoren kommen. Das ist nicht nur verboten, es wäre unverantwortlich.“ Beim bisher einzigen Geisterspiel Gladbach gegen Köln war es zu einer Zusammenkunft vor dem Stadion gekommen - allerdings in einer Phase, in der drei Tage zuvor ein volles Stadion noch der Normalzustand war. Herbert Reul, Innenminister in Nordrhein-Westfalen, hält Geisterspiele für möglich und sagte der Tageszeitung „Die Welt“: „Wir bereiten uns in der Polizei intensiv darauf vor, weil es Probleme geben könnte.“
Watzke sagte, er kenne keine Gruppierung, die so etwas angekündigt habe. „Den Fußball unter Generalverdacht zu stellen, ist auch nicht in Ordnung.“ Auch ein Vertreter des Fan-Bündnisses „Unsere Kurve“ widersprach den Befürchtungen der Polizei. Aus Sicht der Fans sei es in der aktuellen Lage „völlig irrsinnig, vor die Stadien zu gehen“, sagte Thomas Kessen in der TV-Sendung „Doppelpass“ von Sport1. „Das ist ein Ablauf, der da konstruiert wird, den halte ich für annähernd ausgeschlossen“, fügte der Fan-Sprecher hinzu.
Zumal viele Fans und Fangruppen die Geisterspiele gar nicht sehen wollen. Das Bündnis ProFans sowie „Unsere Kurve“ hatten sich erst gegen die Fortsetzung der Saison ohne Zuschauer ausgesprochen. „Unsere Kurve“-Sprecherin Helen Breit kritisierte nun zu den derzeitigen Club-Sorgen in der „Süddeutschen Zeitung“: „Im Fußball werden jedes Jahr Umsatzrekorde verkündet. Jetzt bringen neun Spieltage, die auszufallen drohen, nicht wenige Vereine in eine existenzbedrohende Situation. Die Vereine sind gefragt, offen zuzugeben, dass nicht Corona sie in eine prekäre Situation gebracht hat - durch Corona wurde die Situation erst sichtbar.“
Das Bild von der nimmersatten Milliardenbranche, die trotz immer höherer Summen so schnell vor dem Ruin steht, polarisiert das Meinungsbild zum Fußball derzeit noch mehr als sonst. Über die zahlreichen Kritiker und die zum Teil drastische Ablehnung für die Hygiene-Pläne hatte DFL-Boss Christian Seifert schon am Donnerstag gesagt, er spüre „eine Missgunst, die mich schon überrascht“ und „wenig good will“.
Auch Watzke fragte nun: „Wie kommt das, dass uns Teile der Gesellschaft so kritisch sehen, während das vor Wochen noch einige anders gesehen haben?“ Mögliche Kritikpunkte seien die gigantischen Ablösesummen, die Gehälter und teilweise auch das Verhalten der Beteiligten. „Ich wünsche mir, dass so etwas nach Corona vielleicht alles wieder ein bisschen zurückgedreht wird“, erklärte der BVB-Boss. Man müsse den Profis verdeutlichen, „was sie für einen privilegierten Beruf haben“.
Frankfurt/Main
Bloß keine Sonderstellung - aber bitte „zügig“ zurück zum Fußball-Spielbetrieb! Im vehementen Werben für eine zeitnahe Rückkehr der Bundesliga hat BVB-Boss Hans-Joachim Watzke düstere Zukunftsszenarien gezeichnet und vor einem Kollaps des ganzen Systems gewarnt. „Wenn wir den Fußball nicht weiterspielen, dann säuft die ganze Bundesliga ab“, sagte Dortmunds Geschäftsführer in der Sendung „Wontorra - allein zu Hause“ bei Sky am Sonntag. Sollte man gar über ein Jahr keinen Fußball spielen können, „dann gehen überall die Lichter aus - auch beim BVB“, fügte Watzke an.
Das von der Deutschen Fußball Liga (DFL) erarbeitete Konzept hält Watzke für tadellos. „Wenn man unser Konzept jetzt ablehnt, wird sich auch in acht Wochen daran nichts ändern“, rief Watzke auch den politischen Entscheidern zu, die nun die Erlaubnis für eine Wiederaufnahme der Bundesliga mit Geisterspielen geben müssen. Doch aus der Politik blieben an diesem Wochenende die Mutmacher für den erhofften Neustart an diesem Wochenende aus.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der jüngst noch einen Start am 9. Mai in Aussicht gestellt hatte, sagte „Focus online“ mit Blick auf die nächste Runde von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am Donnerstag: „Aber ich würde diesmal nicht allzu viel erwarten. Es wäre sinnvoll, wenn wir nächsten Donnerstag ein Update machen, aber keine zusätzlichen überstürzten Aktionen einleiten.“ Die Bundesliga müsse maximale Hygiene-Forderungen erfüllen und könne selbst dann nur „auf Bewährung starten“, betonte Söder.
Auch der ehemalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß lobte die Beteiligten für ihr Management. „Bei der DFL wird in dieser Krisensituation sehr gut gearbeitet, wie gerade die Verhandlungen mit Sky zeigen: Damit wurde die notwendige Liquidität für einige Vereine geschaffen“, sagte Hoeneß dem „Kicker“. Er halte Geisterspiele für „fragwürdig, doch angesichts der wirtschaftlichen Lage einiger Vereine sind sie lebensnotwendig und bedingungslos“.
Watzke mag mit seiner Konzept-Beurteilung „Mehr geht nicht“ womöglich recht haben, doch auch dem 60-Jährigen müsste klar sein: Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Verhältnismäßigkeit von Aufnahme des Profifußballs zu sonstigen Maßnahmen dürften eine maßgebliche Rolle spielen. Werden die Kontaktbeschränkungen am 30. April erneut verlängert, dürften DFL und Clubs das beste Konzept zunächst nichts helfen, da weiterhin nicht mal ein reguläres Training stattfinden könnte. Zwischen Sicherheitskonzept und versprochener Disziplin bei der Isolierung bleibt deshalb nur eins: Geduld.
Ein Zwang, der einige Vereine in existenzielle Nöte bringt, solange die TV-Gelder für die neun ausstehenden Spieltage nicht fest eingeplant werden können. Werder Bremen muss nach eigenen Angaben bereits Schulden aufnehmen und rechnet im schlechtesten Fall mit einem Verlust von 40 Millionen Euro. Diese Fälle sorgen auch Watzke: „Wir wissen, dass Solidarität gefragt ist. Aber wenn wir was verteilen wollen, müssen wir auch mal wieder was einnehmen.“
Er fügte hinzu: „Und jeder weiß, wenn es Insolvenzen gibt, kommen auch die sogenannten Weißen Ritter, die dann sagen, wir geben euch Geld, aber ihr müsst dafür sorgen, dass 50+1 fällt.“ Mit der 50+1-Regel soll verhindert werden, dass Kapitalanleger die Stimmenmehrheit in Profi-Clubs übernehmen.
Kritik an der schnellen zuschauerlosen Bundesliga-Fortsetzung gibt es von vielen Seiten: von einzelnen Politikern, von Fan-Organisationen - und auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die vor möglichen Fan-Ansammlungen vor den Stadien warnt. „Geisterspiele sind eine Gefahr, auch wenn der Veranstalter im Stadion alles tut, damit Hygienevorschriften eingehalten werden, um das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich zu halten“, sagte GdP-Vize Jörg Radek in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Wenn das Stadion zu einem potenziellen Ziel von Fans werde, sei dies „verheerend“, fügte Radek an. „Es darf während dieser Pandemie nicht zu großen Menschenansammlungen vor den Stadiontoren kommen. Das ist nicht nur verboten, es wäre unverantwortlich.“ Beim bisher einzigen Geisterspiel Gladbach gegen Köln war es zu einer Zusammenkunft vor dem Stadion gekommen - allerdings in einer Phase, in der drei Tage zuvor ein volles Stadion noch der Normalzustand war. Herbert Reul, Innenminister in Nordrhein-Westfalen, hält Geisterspiele für möglich und sagte der Tageszeitung „Die Welt“: „Wir bereiten uns in der Polizei intensiv darauf vor, weil es Probleme geben könnte.“
Watzke sagte, er kenne keine Gruppierung, die so etwas angekündigt habe. „Den Fußball unter Generalverdacht zu stellen, ist auch nicht in Ordnung.“ Auch ein Vertreter des Fan-Bündnisses „Unsere Kurve“ widersprach den Befürchtungen der Polizei. Aus Sicht der Fans sei es in der aktuellen Lage „völlig irrsinnig, vor die Stadien zu gehen“, sagte Thomas Kessen in der TV-Sendung „Doppelpass“ von Sport1. „Das ist ein Ablauf, der da konstruiert wird, den halte ich für annähernd ausgeschlossen“, fügte der Fan-Sprecher hinzu.
Zumal viele Fans und Fangruppen die Geisterspiele gar nicht sehen wollen. Das Bündnis ProFans sowie „Unsere Kurve“ hatten sich erst gegen die Fortsetzung der Saison ohne Zuschauer ausgesprochen. „Unsere Kurve“-Sprecherin Helen Breit kritisierte nun zu den derzeitigen Club-Sorgen in der „Süddeutschen Zeitung“: „Im Fußball werden jedes Jahr Umsatzrekorde verkündet. Jetzt bringen neun Spieltage, die auszufallen drohen, nicht wenige Vereine in eine existenzbedrohende Situation. Die Vereine sind gefragt, offen zuzugeben, dass nicht Corona sie in eine prekäre Situation gebracht hat - durch Corona wurde die Situation erst sichtbar.“
Das Bild von der nimmersatten Milliardenbranche, die trotz immer höherer Summen so schnell vor dem Ruin steht, polarisiert das Meinungsbild zum Fußball derzeit noch mehr als sonst. Über die zahlreichen Kritiker und die zum Teil drastische Ablehnung für die Hygiene-Pläne hatte DFL-Boss Christian Seifert schon am Donnerstag gesagt, er spüre „eine Missgunst, die mich schon überrascht“ und „wenig good will“.
Auch Watzke fragte nun: „Wie kommt das, dass uns Teile der Gesellschaft so kritisch sehen, während das vor Wochen noch einige anders gesehen haben?“ Mögliche Kritikpunkte seien die gigantischen Ablösesummen, die Gehälter und teilweise auch das Verhalten der Beteiligten. „Ich wünsche mir, dass so etwas nach Corona vielleicht alles wieder ein bisschen zurückgedreht wird“, erklärte der BVB-Boss. Man müsse den Profis verdeutlichen, „was sie für einen privilegierten Beruf haben“.
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Allgemeine Zeitung
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