Weiblich, homosexuell, transgender - na und?
Ein Projekt des Goethe-Instituts hinterfragt Geschlechterstereotypen
Von Andrea Lindner, Windhoek
Eine ganz normale Straße in Namibia. Ein ganz normales Haus mit einer ganz normalen Familie. Das Haus und der Garten sehen nett aus. Gepflegt und freundlich. Die Tür steht offen. Plötzlich ein Schlag, dann ein Schrei und schließlich lautes Schluchzen. Irgendwann nur noch ein Wimmern. Eine wütende Männerstimme, nochmal ein Schlag, wieder ein Schrei und eine schmerzverzerrte Frauenstimme. Die Haustür wird zugeknallt - niemand soll mitbekommen, was hier abläuft. Dabei wissen es alle längst. Trotz Tür und Garten dazwischen hört man die Schmerzen bis zur Straße: Schläge, Schreie, Schluchzen. Immer wieder. Am Ende verlässt er das Haus, mit geballten Fäusten. Fast stolz. Und sie bleibt zurück. Allein. Und keiner hilft.
Gewalt gegen Frauen - Alltag in Namibia?
Liz Frank vom Women`s Leadership Centre sagt ja! Erst vergangenen Sonntag berichtete Polizeisprecher Slogan Matheus wieder von drei Vergewaltigungen. Darunter ein 11-jähriges Mädchen, die von ihrem eigenen Vater vergewaltigt wurde. Die Appelle, Konferenzen und die hohen Strafen scheinen also nicht wirklich zu wirken. Gewalt gegen Frauen ist weiterhin Alltag. „In letzter Zeit häufen sich auch wieder die Morde an Frauen, die den Versuch wagen, sich von ihrem brutalen Partner zu trennen“, sagt Frank. Deshalb macht sich das Women`s Leadership Centre, die Partner des Goethe-Insitut-Projekts sind, für die Rechte von Frauen stark.
Konkret mit mehreren Projekten, die zum Beispiel junge San-Frauen über ihre Rechte aufklären, lesbische Frauen zusammenbringen und stärken oder Mädchen über gefährliche und für sie schädliche kulturelle Praktiken aufklären. Praktiken, die nur dazu dienen, Geschlechtsverkehr für Männer „besser“ und ihm den Körper der Frau jederzeit verfügbar zu machen. Für die Frauen bedeutet das Schmerzen, Erniedrigung, Gewalt und im schlimmsten Fall auch Aids. „Besonders in der Sambesi-Region sind diese Praktiken brutal. Die ganze Kultur dort dreht sich um den Körper junger Mädchen“, erklärt Frauenaktivistin Frank. „Die Mädchen müssen sich zum „dry sex“ Chemikalien einführen, ihre inneren Schamlippen langziehen und viele andere schmerzhafte und erniedrigende Dinge über sich ergehen lassen. Diese Praktiken verstoßen gegen die Menschenrechte!“
Ein Ziel des Projekts „Mindset Dialogues: Questioning genderstereotypes through art“ des Goethe-Instituts ist es daher, über die Rolle von Frauen und Männer in der Gesellschaft und ihre Rechte zu sprechen. Es sollen Probleme und Vorurteile benannt und diskutiert werden. Doch das ist den Organisatoren noch nicht genug: Auf dem Programm stehen auch Homosexualität und Transgender. „Geschlechter und Geschlechterrollen sind weltweit ein wichtiges Thema, eben auch hier bei uns“, so Cecilia Judmann vom Goethe-Institut, die für das Projekt mitverantwortlich ist. „In Namibia hinken wir aber im Vergleich zu anderen Ländern mit den Rechten der Frauen und der Akzeptanz von Homosexuellen und Transgender noch hinterher.“
Diskutieren und ins Gespräch kommen
Deshalb möchte das Goethe-Institut diese Geschlechterrollen und Stereotypen durch Kunst hinterfragen und zum Nachdenken anregen. Außerdem soll viel diskutiert werden: Nach jeder Veranstaltung gibt es die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Besuchern. „Wir haben interessante Filme herausgesucht, die unsere Themen ansprechen und es wurde sogar extra ein Theaterstück für dieses Projekt geschrieben“, sagt Judmann. „Wir haben uns gefragt: Wie kann man diese Themen darstellen? Wie kann man sie vielleicht auch lustig darstellen und ansprechend für junge Menschen? Wir wollten keine langweiligen Vorträge von Experten“, erklärt Judmann das Projekt.
Und dass das Projekt alles andere als langweilig ist, zeigt sich direkt am Eröffnungsabend: Bei der Theater-Show „Pink % Blue“ werden die Geschlechts-Stereotypen übertrieben dargestellt. Da musste wirklich jeder einmal schmunzeln. Wenn Frauen Jungs beim Pinkeln spielen oder Männer Frauen beim Flirten nachmachen. Dabei wurde das Publikum aktiv mit eingebunden: Jeder konnte die Stereotypen hinterfragen und dann den Schauspielern Anweisungen geben. So musste man sich selbst mit seinen eigenen persönlichen Schubladen und Vorurteilen auseinandersetzen.
„Wichtig sind uns immer die Diskussion und der Austausch am Ende einer Veranstaltung“, sagt Judmann. „In Namibia wird leider immer noch viel totgeschwiegen: Vergewaltigungen, Gewalt gegen Frauen und Diskriminierung von Menschen die scheinbar anders sind. Anders als ,normal´. Wir wollen, dass Leute nachdenken über diese Themen und die Probleme in unserem Land.“ Und am Ende muss sich jeder an die eigene Nase fassen: Wo verurteile auch ich Menschen? Wann habe ich Vorurteile? Welchen Menschen trete ich abneigend gegenüber?
Die Seele hat kein Geschlecht
Gerade Homosexuelle und Transgender haben es nach wie vor sehr schwer in Namibia. OutRight Namibia, die ebenfalls am Projekt mitwirken, setzt sich für deren Rechte ein. Denn noch immer werden Menschen, die von ihren wahren Gefühlen und ihrer Sexualität erzählen, von der Familie verstoßen, oder es passiert sogar noch Schlimmeres. Immer wieder hört man von corrective rapes, also Vergewaltigungen, die homosexuelle Menschen wieder auf den richtigen Weg bringen sollen. „Da werden dann Mädchen oder junge Frauen vom eigenen Vater oder dem Onkel vergewaltigt. Nach dem Motto: Hier, das sollte dir gefallen!“, berichtet Judmann.
Homosexualität an sich sei legal in Namibia, aber Analverkehr verboten. Judmann erklärt, dass es deshalb gerade für schwule Männer schwer sei, ihre Sexualität auszuleben. OutRight Namibia hat deshalb zum Ziel, das Leben von Menschen zu verbessern, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert oder missbraucht werden.
Das Problem: In Namibia gibt es kaum bekannte Vorbilder, die sich für die Rechte von Frauen, Homosexuellen oder anderen Geschlechter-Randgruppen einsetzen. Sogar das Gegenteil ist oft der Fall: Wenn eine Ministerin behauptet, Schwule und Lesben seien für die Aids-Epidemie verantwortlich, ein Polizeikommissar verkündet, dass Frauen mit Minirock selbst schuld seien, wenn sie vergewaltigt würden, oder Präsident Nujoma sagt: „Homosexualität muss in unserer Gesellschaft verurteilt und abgelehnt werden.“ Das war zwar schon 1997, aber es hat sich noch nicht viel geändert. „Diese Einstellungen teilen immer noch sehr viele Namibier und sie ziehen sich durch alle Gruppen. Egal ob schwarz oder weiß. Arm oder reich“, meint Judmann und sie ist überzeugt, dass sie mit dem Projekt etwas bewirken können: „Auf jeden Fall aufklären und informieren. Und wenn danach zehn Männer weniger ihre Frauen schlagen, haben wir viel erreicht.“
Das Programm gibt es unter www.goethe.de/ins/na/de/ oder als Programmheft im Goethe Institut. Weitere Infos unter Tel. 061-225 700 oder [email protected]. Das Projekt läuft bis 21. Oktober. Alle Veranstaltungen sind kostenlos.
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Allgemeine Zeitung
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