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Weihnachtswunder & Weihnachtsflucht: Heiligabend über den Wolken

"Ich bin froh, dass ich weit weg von Zuhause bin", meint Wilson Dik und zieht sich die Weihnachtsmannmütze weit über die Ohren. Der 28-jährige Fotograf aus den Niederlanden hatte in diesem Jahr mal wieder "überhaupt keine Lust auf Weihnachten in der Familie oder mit vielen Leuten". Allein ist er allerdings an diesem 24. Dezember 2005 nicht. Gemeinsam mit mir und über 300 weiteren Passagieren sitzt er an Bord des Air-Namibia-Airbus in Frankfurt und wartet auf den Abflug nach Windhoek. Geschenke? "Nein, die Bescherung ist in diesem Jahr ausgefallen", meint Wilson - er habe sich ja schließlich seinen ersten Namibia-Urlaub geschenkt. Außerdem sei er fast immer an Weihnachten irgendwo auf Reisen.

So richtig mag an diesem Abend im Flieger keine weihnachtliche Stimmung aufkommen. Zwar tragen die Stewardessen penetrant blinkende Weihnachtsmützen und unser Essen ist mit einem winzigen, klebrigen Schokoladen-Nikolaus aufgewertet, aber ansonsten ist alles wie immer. Vielleicht ist die Crew sogar ein wenig genervter als sonst. Überhaupt scheint die Stimmung etwas gereizt. Schon in der Abflughalle herrschte totales Chaos, der Flieger ist bis auf den letzten Platz ausgebucht, allerdings nicht mit den sonst üblichen khaki-gekleideten Namibia-Touristen oder Heimkehrern wie mir, sondern zumeist mit Transitpassagieren, die nach Südafrika wollen und keinen Direktflug mehr nach Kapstadt oder Johannesburg bekommen haben.

"Wir hatten unsere Bescherung schon", erzählt Renate Justus, die mit ihren zwei Schwestern, der Freundin ihres Neffen und deren zwei kleinen Kindern bei Prosecco auf den Abflug wartet. Für die zahlreichen Kinder scheint sich die Reise am Heiligen Abend ohnehin zu lohnen - fast alle haben bereits zu Hause Geschenke bekommen und dürfen sich am nächsten Morgen nochmals über Päckchen freuen. Offensichtlich ist ein heimeliges Weihnachtsfest im Kreise der Familie und unter dem guten deutschen Weihnachtsbaum nicht mehr angesagt - oder ist es die Flucht vor der aufgesetzten Harmonie? Der Frankfurter Flughafen ist genauso voll wie an jedem anderen Tag der Hochsaison - und die meisten Passagiere haben bereits Übung darin, Weihnachten unter sommerlicher Sonne zu feiern. "Allerdings", so gesteht Renate Justus, "gehört für mich eigentlich die Feier in der Familie dazu. Ich bin eher ein sentimentaler Mensch". Trotzdem freut sie sich auf ihren Besuch in Südafrika.

"Wir waren fast jedes Jahr über Weihnachten nicht zu Hause", meint auch Gaby Anscheit aus der Nähe von Erlangen. Eigentlich sei sie mit ihrem Mann und ihren Kindern immer auf die Malediven geflogen - in diesem Jahr sei aber alles anders. Und dann erzählt sie mir ihre ganz persönliche Weihnachtsgeschichte - ein wenig traurig, ein wenig unglaublich und mit einem glücklichen Ende, eine Art Weihnachtsmärchen eben. Vor wenigen Monaten war ihr Mann relativ plötzlich gestorben, jetzt wohnt sie mit ihrer taubstummen Tochter Liesel alleine in einem riesigen Haus. Für Gaby Anscheit stand fest, dass sie Weihnachten dort nicht alleine verbringen würde. Vor einigen Wochen klingelte dann bei ihr das Telefon - am anderen Ende der Leitung war völlig überraschend ein Freund von ihr, den sie seit 30 Jahren nicht mehr gesehen geschweige denn Kontakt zu ihm hatte: Rainer Hillig, der bei Outjo auf der Wildfarm Liebenwerda lebt. Er lud sie und ihre Tochter ganz spontan ein: ",Komm' doch über Weihnachten nach Namibia', hat er gesagt; das fand ich toll!" Anscheit, die bislang noch nie in Namibia war, buchte also spontan einen Flug für sich und ihre Tochter und sitzt jetzt aufgeregt neben mir, weil sie sich auf das neue Land und den alten Freund freut. "Ob ich ihn am Flughafen wohl erkennen werde? Ich weiß ja gar nicht, wie er jetzt aussieht!" Weihnachten als Fest und irgendwelche materiellen Geschenke sind für sie ohnehin nebensächlich, jetzt zählen nur das Wiedersehen und der Urlaub. "Und mein Mann wäre sicher begeistert, dass ich das hier jetzt mache."

Als wir dann endlich in die Maschine einsteigen dürfen, bekommen wir alle dann doch noch ein - wenn auch kleines - Weihnachtsgeschenk: Jeder von uns darf einmal in einen Korb voller Lebkuchen, Mandarinen und Schokolade greifen. Und dann, während der Flieger die dichte regnerische Wolkendecke über Frankfurt durchbricht, werde auch ich ein wenig sentimental und denke an Weihnachtslieder, Weihnachtsbäume, Weihnachtsplätzchen, Geschenke und Familie und fühle mich ein wenig einsam - bis mich Fotograf Wilson nebenan mit seinen Weihnachtsmannmützen-Späßchen wieder aufheitert. "Hätte nie gedacht, dass ich mal mit Dir Weihnachten verbringen werde", meint er, den ich nun seit gerade mal 20 Minuten kenne, angesichts meines trübseligen Gesichtsausdrucks, "das ist doch auch ein schönes Geschenk". Spätestens als der Flieger über Namibia zum Landeanflug ansetzt, ich wieder die rote Erde und die Weite sehen kann und mir später auf dem Hosea-Kutako-Flughafen die Sonne ins Gesicht scheinen lasse und meine Liebsten begrüße, weiß ich, dass ich mir mit dem "verpassten" Weihnachtsfest unterm Baum selber das schönste Geschenk gemacht habe. Gaby und Liesel Anscheit scheint es genauso zu gehen, als ich sie später vor dem Flughafengebäude wiedertreffe und sie auf ihren Abholer warten. Die Weihnachtsfreude in ihren Augen steckt an und plötzlich bin ich mir sicher, dass es nicht darauf ankommt, wo man den Heiligen Abend verbringt - Deutschland, Namibia oder irgendwo dazwischen in der Luft. Wichtig ist nur, dass man bei Menschen und an einem Ort ist, wo man sich wohl und willkommen fühlt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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