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Weinende Frauen und ein Liebeslager

Wenn der Besucher des Namutoni-Rastlagers auf dem Deck des Swimmingpools ein Sonnenbad nimmt, dann fällt sein himmelwärts gerichteter Blick auf eine steile Holzsäule. Sie lädt zum Träumen ein, so jedenfalls wünscht es sich ihr Schöpfer Jost Kirsten.

Nicht weit davon entfernt begegnet ihm eine ganze Gruppen von Säulen-artigen Figuren. Diese sind aus Salzblöcken geformt. Künstlerin Imke Rust nennt sie "Die weinenden Frauen", doch was sie damit meint, wird sich erst zeigen, wenn der erste Regen fällt. Dann wird sich das Salz fast unmerklich auflösen, sie werden "weinen", diese zu Salzsäulen erstarrten Frauengestalten - und sie werden an die uralte Legende von der Entstehung der Etoschapfanne erinnern. Die Mythologie der hier einst beheimateten Hai /kum-Buschleute erzählt von einer Mutter, die ihr Kind verlor - aus ihre getrockneten Tränen soll sich das riesige Salzmeer geformt haben, das einen Großteil der Fläche der Etoschapfanne ausmacht.

Eines der Kunstwerke lädt zum Spielen ein: Unam-Student Kleopas Nghikefelwa hat neben einem der neuen Holzstege, die die Gehwege im frisch renovierten Rastlager markieren, ein Himmel- und Hölle-Spiel kreiert. Hier sieht man mitunter Kinder von Stein zu Stein hüpfen, ihre Füße treten dabei in die Spuren und Hufabdrücke von Wildkatzen und Antilopen.

"expressing.etosha" nennt Initiatorin Imke Rust das Landart-Projekt, für das sie sieben weitere namibische Künstler an Bord geholt hat. Ihre Idee für Kunst im öffentlichen Raum entstand ursprünglich aus der Frustration über das mangelnde Interesse des einheimischen Publikums an Galeriebesuchen. "Das ist wie mit der Geschichte von Mohammed und dem Berg", erklärt die junge Windhoekerin. "Wenn die Leute nicht zu Ausstellungen kommen, habe ich mir gedacht, dann muss ich die Kunst eben direkt an sie herantragen."

Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, um Sponsoren für ihre Vision zu begeistern. Zuerst einmal konnte keiner etwas mit dem Begriff "Landart" anfangen. Als sie dem Management von Namibia Wildlife Resorts (NWR), der staatlichen Betreiber-Organisation öffentlicher Rastlager in Namibia, das Konzept in einer Powerpoint-Präsentation vorstellte, wurde die Idee jedoch gleich begrüßt. "Das ist sehr mutig von NWR, schließlich hat es solch ein Projekt in Namibia noch nie gegeben", freut sich Rust. Die Künstlerin gewann außerdem das Bank Windhoek Arts Festival sowie die Firma B-Mobile Car Rental als Sponsoren.

Nach einem Inspirations-Wochenende im Namutoni-Rastlager im Juni entwickeln die acht teilnehmenden Künstler ihre individuellen Ideen und Konzepte. Mit Hercules Viljoen, Jost Kirsten, Shiya Karuseb und Wiebke Volkmann hat sich Projektleiterin Imke Rust ein kreatives Team ausgesucht, das durch drei vielversprechende Kunststudenten der Universität von Namibia vervollständigt wird: Kleopas Nghikefelwa, Lionel Pietersen und Helena Iitembu.

Die acht kreativen Köpfe sind das Thema "expressing.etosha" auf ganz unterschiedliche Weise angegangen. Shiya Karuseb hat für seine Installation "Path of Reconciliation" (Pfad der Versöhnung) mit großen Kalksteinblöcken, die bei der Renovierung des Forts von Namutoni aus abgerissenen Mauern abfielen, eine Art Weg gepflastert. Der Pfad aus rot und weiß gefärbten Steinen soll symbolisch in eine bessere Zukunft führen. Unam-Studentin Helena Iitembu ließ in der Nähe des Schwimmbads halbkreisförmige Zementstrukturen in den Boden ein. Mit ihren unterschiedlichen Blautönen sollen die Halbkreise die Bewegtheit einer Wasseroberfläche darstellen. Das Werk wiederspiegelt die Vision einer Etoschapfanne nach gutem Regenfall, seine Platzierung neben dem Schwimmbad ergibt ein weiteres ästhetisches Spiegelbild.

Kunstprofessor Hercules Viljoen hat sich dem Thema historisch genähert. In einem winzigen Raum des Forts von Namutoni, der einst wohl als Gefängniszelle genutzt wurde, hat er ein surrealistisches Werk installiert, das der Besucher nur durch einen kleinen Mauerspalt betrachten kann. Von schwarzem Disco-Licht angestrahlt erkennt er schemenhaft die blauen Gestalten von Hai /kum-Buschleuten, den einstigen Bewohnern der Etoscha-Region.

Künstlerin Wiebke Volkmann hat auf dem Campingplatz von Namutoni ein poetisches Liebeslager aufgeschlagen: ein Bett aus natürlichen und Recycling-Materialien, das für ganz viele Dinge steht: Erotik, Träume, Krankheit, Tod - und für den Wunsch, dass der Mensch intimer werden sollte mit der Natur. Das ästhetische Schlaflager ist inmitten eines Teppichs aus zusammengenähten Gummi-Autoreifen gebettet. Die Matte hat die Form eines Tierfell-Bettvorlegers, die Gummireifen symbolisieren für Wiebke Volkmann ein Stück traurige Etoscha-Realität: Man kann das Wildschutzgebiet ausschließlich aus dem Auto heraus erleben, nie aber intim zu Fuß.

Hier setzt die subtile Umwelt-Kritik der Künstlerin an - Kritik nicht so sehr am Etoscha-Nationalpark als vielmehr am praktizierten Naturschutz im Allgemeinen. "Mir ist aufgefallen wie unglaublich staubig die Etoscha ist", sagt Volkmann. "Es wachsen dort kaum noch mehrjährige Gräser." Auf ihrem Liebeslager, so die Idee der Künstlerin, soll die Natur sich regenerieren können: In einem ausgesparten Rechteck inmitten der schwarzen Gummimatte hat sie ein Bett aufgeschlagen. Der Deckenbezug, genäht aus weißen Bettlaken, wird zur offiziellen Neueröffnung von Namutoni Ende September mit Erde, Mist und Grassamen gefüllt - und dann dem Laufe der Natur überlassen. "Dann kann die Sonne drauf knallen, der Regen einsickern, und die Perlhühner, Warzenschweine und Mangusten in dem Bett herumwühlen", sagt Volkmann. "Ich bin selbst gespannt, was mit der Zeit aus diesem Viereck entsteht - auf der Gummimatte drum herum jedenfalls wird gar nichts wachsen."

Am 28. September sollen die Kunstinstallationen erstmals einem großen Publikum präsentiert werden, wenn bei Namutoni die offizielle 100-Jahr-Feier zum Etoscha-Jubiläum steigt. Für alle, die das Landart-Pilotprojekt nicht direkt vor Ort besuchen können, ist eine Ausstellung in Windhoek geplant. Ab dem 20. November zeigt die Nationalgalerie in Windhoek im Rahmen ihrer Kunstausstellung zum Jubiläum eine Fotodokumentation über "expressing.etosha".

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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