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Wenn Frauen zu "Rabenmüttern" werden
Wenn Frauen zu "Rabenmüttern" werden

Wenn Frauen zu "Rabenmüttern" werden

"Säugling ausgesetzt - Baby tot in Plastiktüte gefunden - Vergrabener Leichnam eines Neugeborenen geborgen." Derartige Meldungen geistern immer wieder durch die Presse. Die oben genannten Schlagzeilen sind nur ein kleiner Auszug verschiedener namibischer Medienberichte aus jüngster Zeit. Jahr für Jahr sterben in Namibia neugeborene Babys, weil ihre Mütter einfach nicht wissen, wohin mit ihnen.



Entsetzen machte sich dieser Tage wieder in der Gesellschaft breit, als eine junge Mutter in Walvis Bay ihr wenige Stunden altes Baby in eine Plastiktüte steckte und in einem Hausflur aussetzte. Dank wachsamer Passanten konnte der kleine Junge gerettet werden und lebt nun bei Pflegeeltern. Und dennoch bleibt die nagende Frage: "Was wäre passiert, wenn ihn keiner so schnell entdeckt hätte?"

Eine Mutter, die ihr Kind neun Monate unter ihrem Herzen trägt und es dennoch nicht will - das ist nur sehr schwer zu verstehen. "Was treibt eine Mutter zu solch einer Kurzschlusshandlung?" Meistens ist es Angst, der gesellschaftliche Druck oder mangelnde Unterstützung der Familie, die eine junge Frau zu solch einer Tat veranlassen. Das meint auch Margret Richter, die Sozialarbeiterin von der Walvis Bayer Polizei, die auch den jüngsten Fall von Kindesverstoß in der Hafenstadt behandelt. Dennoch sei solch eine Tat keinesfalls zu entschuldigen. "Es gibt definitiv andere, weit menschlichere Auswege, ein ungewolltes Kind ,loszuwerden`. Keine schwangere Frau in Namibia ist dazu gezwungen, ihr Baby auszusetzen oder es gar zu töten", schildert Richter der AZ und meint dann weiter: "Sie hätte einfach nur um Hilfe bitten sollen. Wir vom Sozialamt sind jederzeit für Beratungsgespräche offen und können sogar eine anonyme Adoption regeln. Es gibt so viele Eltern, die bereit sind, Kinder zu adoptieren."

Für Kindesverstoß kennt auch das Namibische Gesetz je nach Schwere der Tat kein Erbarmen und verhängt in schweren Fällen zwei Jahre Freiheitsstrafe.

Auch die soziale Beratungs- und Hilfsstelle "Lifeline/Childline" will verhindern, dass es zu solchen Delikten kommt. "Wir helfen und beraten jeden Anrufer und können auf Wunsch auch persönlich mit den Menschen sprechen. Wir würden ein verzweifeltes Mädchen über verschiedenen Möglichkeiten aufklären. Es gibt immer einen anderen Weg", erklärt die Direktorin von Lifeline, Amanda Kruger.

Abtreibung ist in Namibia zwar weiterhin illegal, doch in Südafrika herrschen freiere Gesetze. "Auch LifeLine befasst sich mit diesem Thema und wir verweisen verzweifelte Frauen, die keinen Ausweg sehen in die ,Mary Stopes Clinic' nach Südafrika. Dort werden sie gründlich über das Thema Abtreibung aufgeklärt und bekommen die nötige Hilfe und Unterstützung, bevor sie sich zu solch einer Handlung entscheiden", erklärt Kruger.

Trotzdem sind viele Namibier der Meinung, es gebe zu wenig Hilfe für schwangere Frauen, die nicht mehr weiter wissen. Gleicher Meinung ist auch die Schulleiterin der Namib-Grundschule in Swakopmud, Rosi Pauly-Kurz. "In unserer Grundschule haben wir eigentlich weniger mit dem Problem schwangerer Schülerinnen zu kämpfen, da unsere ältesten Mädchen gerade erst 13 und 14 Jahre alt sind. Ich weiß aber von meiner Lehrzeit an anderen Schulen, dass es für schwangere Schülerinnen so gut wie keine Beratung, Unterstützung oder sonstige Hilfe gibt. Wie soll ein ängstliches, verzweifeltes Mädchen denn fähig sein, sich selbst zu helfen und die richtige Beratungsstelle allein aufsuchen?", äußert sich die Schulleiterin besorgt.

In Deutschland und anderen Ländern gibt es mittlerweile die so genannten Babyklappen, in die Mütter ihr ungewolltes Kind anonym hineinlegen können, ohne den Säugling dabei in Lebensgefahr zu bringen. Doch auch diese Methode ist weitläufig umstritten, da Gegner meinen, die Babyklappen animierten Mütter dazu, ihre Kinder auszusetzen.

Professor Dr. Andreas Lischka von dem Vorstand einer Kinderklinik in Wien erklärt in einem Bericht über Kindesverstoß einen Drei-Stufen-Plan, mit dem die Zahl der Kindesaussetzungen verringert werden könnte: "Zunächst sollte die Möglichkeit einer anonymen Betreuung von Schwangerschaften bestehen. Dann ist es wichtig, eine stille oder anonyme Geburt zu ermöglichen. Und letztlich ist das Babynest oder die Babyklappe ein Ausweg für verzweifelte Mütter."

Nach zahlreichen Anfragen konnte die AZ in Namibia leider keine der drei Möglichkeiten für verzweifelte, schwangere Frauen ausfindig machen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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