Wenn Hände eine Geschichte erzählen
Mit großen Augen schaut der vierjährige Vasco auf den Monitor der Digitalkamera, der ein Bild von ihm zeigt. Er strahlt über sein kleines Gesicht und klopft sich lachend auf die Brust. "Schaut, das bin ich!" Jeder versteht dies, doch Vasco hat diese Worte nicht ausgesprochen - er kann (raus: sich noch) nicht artikulieren, denn er ist taub.
Vasco besucht den Kindergarten von CLaSH, der namibischen Organisation für Kinder mit Hör- und Sprachschwierigkeiten. Gründungsmitglied Heide Beinhauer hat diese Organisation, die zuerst eine Interessengemeinschaft betroffener Eltern war, im Dezember 1989 mit ins Leben gerufen.
Die gebürtige Deutsche, die in Schweden aufgewachsen ist, studierte Pädagogik in Ludwigsburg. Nach dem Studium lehrte sie an der Grund- und Hauptschule in Beilstein/Deutschland. Bald hatte sie jedoch das Gefühl, den Hauptschülern nicht gerecht werden zu können und schaute sich nach Alternativen um. Ein ehemaliger Dozent wies Beinhauer auf die Möglichkeiten der Sonderpädagogik hin und nach reiflicher Überlegung entschied sie sich für schwerhörige Kinder. In Nürtingen unterrichtete sie sechs Jahre in einer Sonderschule für schwerhörige und sprachbehinderte Kinder.
1989 meldete sich dort eine deutschsprachige Mutter aus Windhoek, deren Sohn durch Meningitis (Hirnhautentzündung) sein Gehör verloren hatte. Sie fragte nach entsprechenden Heil- und Therapiemethoden in Deutschland. Beinhauer stellte fest, dass in Namibia keinerlei Hilfe für deutschsprachige Kinder mit Hör- und Sprachbehinderungen angeboten wurde. Auch wurde bei den Kindern keinerlei Differenzierung zwischen Schwerhörig- und Gehörlosigkeit gemacht. Daraufhin ließ sie sich für ein Jahr aus dem Schuldienst beurlauben und zog nach Windhoek. Hier fand sie ein großes Tätigkeitsfeld vor, auf das sie spezialisiert war, und bald entstand eine Interessengemeinschaft aus Eltern, HNO-Ärzten und Sprachtherapeuten. "Am Anfang hatten wir weder ein Büro noch finanzielle Unterstützung. Dafür aber hatten wir alle eine Vision", erinnert sich Beinhauer. Es wurde ein Antrag auf Unterstützung beim CIM, dem Zentrum für internationale Migration und Entwicklung (Personalvermittler der deutschen Entwicklungszusammenarbeit), einer Unterabteilung der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) gestellt und bewilligt. Sechs Jahre arbeitete Beinhauer für dieses Programm, als Fachberater für Hörgeschädigtenpädagogik im Erziehungsministerium. In dieser Zeit wurde die Interessengemeinschaft CLaSH (The Association for Children with Language, Speech and Hearing Impairments of Namibia) weiter ausgebaut und entwickelt. Als das CIM-Programm auslief, verließ sie das Ministerium und wechselte vollständig zu CLaSH.
Es musste viel gelernt werden in dieser Zeit, unter anderem wie Spendenaktionen auf die Beine gestellt oder Partnerorganisationen und Geldgeber gesucht werden. Schließlich konnte CLaSH als Wohltätigkeitsorganisation beim Gesundheitsministerium registriert werden. Erst später wurde klar, dass man aufgrund dieser Registrierung einen Antrag auf staatliche Unterstützung stellen kann, damit zumindest ein Teil der laufenden Kosten gedeckt wird.
Nach wie vor ist CLaSH von Spenden abhängig, denn die Vereinigung bietet ihre Dienste und Leistungen vor allem den Leuten an, die es sich nicht leisten können, ihr hör- oder sprachgeschädigtes Kind von einem Sprachtherapeuten unterrichten zu lassen.
Als die Beurlaubung von Beinhauer nicht länger aufrechterhalten werden konnte, gab sie ihren deutschen Beamtenstatus 2001 völlig auf. "Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich bin sicher, dass es der richtige Weg ist", meint sie zuversichtlich.
Heute ist CLaSH eine gut geregelte Organisation und landesweit bekannt. "Trotz der Abhängigkeit von Spendengeldern sind wir stolz darauf, dass wir als zuverlässig gelten und nie negativ in den Schlagzeilen aufgefallen sind", so Beinhauer. "Allerdings haben sich die Schwerpunkte verlagert. CLaSH als reine Elternorganisation hat nur in den Anfangsjahren funktioniert. Eine langfristig engagierte und dauerhaft starke Gruppe namibischer Eltern zu bilden, die CLaSH aus eigener Kraft in die Zukunft führt, ist uns leider nicht gelungen." So hat sich CLaSH von einer Elternhilfsgruppe zu einem spezifischen Dienstleister entwickelt. Die Organisation übernimmt viele Funktionen zum Beispiel:
Öffentlichkeitsarbeit:
- Aufklärungskampagnen und alle zwei Jahre eine "Woche der Gehörlosen"
- Herausgabe des CLaSH Kalenders, der seit über 10 Jahren auf den Markt gebracht wird
- Informationshefte und Poster in sieben Landessprachen
- Lehrvideos und DVDs zum Erlernen der Grundlagen der namibischen Gebärdensprache
- Seminarangebote zu Sprachentwicklung, Sprachstimulation und Früherkennung von Hör- und Sprachstörungen
- Kurse für alle Interessierten aus dem Erziehungs- und Gesundheitsbereich
- Aufklärende Besuche in Schulen und Kindergärten
Individuelle Unterstützung:
- für Kinder, die sich keinen privaten Therapeuten leisten können
- für Kinder, die Hörgeräte brauchen
- für Eltern, deren Kind behindert ist
- durch Patenschaften im In- und Ausland
- durch "Operation Omakutsi", wobei Hals-, Nasen-, Ohrenärzte aus Deutschland in den vergangenen fünf Jahren zirka 120 Kinder unentgeltlich operiert und deren Hörvermögen weitgehend wieder hergestellt haben.
Elternarbeit:
- Eltern gehörloser Kinder werden regelmäßig zu Gebärdensprachkursen und Elternabenden eingeladen.
- Die Elterninitiative in Ohangwena, dank derer es eine zweite Vorschulgruppe, speziell für Gehörlose, in Namibia gibt, wird intensiv von CLaSH unterstützt.
Ein Schwerpunkt von CLaSH ist die Früherkennung von Hörschäden. Diese
können unter anderem durch Meningitis, Malaria oder chronische
Mittelohrentzündung ausgelöst werden. Dabei können Eltern bereits nach der
Geburt des Kindes kleine Tests machen, um eventuelle Hörschäden selbst
festzustellen. "Je früher der Hörverlust entdeckt wird, desto mehr Erfolge
können erzielt werden", so Beinhauer. "Oftmals schlägt die Frustration in
Aggression um, wenn sich die Kinder nicht mitteilen können. Dies
geschieht vor allem in der Pubertät. Dann allerdings ist es meistens zu spät, dem Jugendlichen ein angemessenes Bildungsangebot zu machen, und selbst die Gebärdensprache kann sich nicht in voller Komplexität entwickeln". Das Gehirn eines Neugeborenen ist ähnlich wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Ein ausgewogenes und umfassendes Reizangebot muss während dieser frühen Jahre vorhanden sein, damit sich der Intellekt des Kindes ausbildet. Deshalb bemüht sich CLaSH, mit den relevanten Ministerien vor allem in der Früherkennung zusammenzuarbeiten, auch wenn es sich bislang als sehr zeitaufwändig und mühevoll darstellt. Allerdings unterstützt und ergänzt CLaSH in sinnvoller Weise die Arbeit der Ministerien, v.a. für Gesundheit und Erziehung. "Diese ganze Arbeit braucht eine unglaubliche langfristige Perspektive. Dazu wird eine Generation nicht ausreichen", meint Beinhauer. Was sie sich wünscht? "Dass die Spendenaktionen erfolgreich genug sind, um CLaSH noch lange am Leben zu erhalten!"
Vasco hat Glück, dass er mit der namibischen Gebärdensprache aufwächst, die ihm durch CLaSH vermittelt wird. Er lernt, sich durch gebärden- und schriftsprachliche Kommunikation zu äußern und wird sich so in Zukunft seiner Umwelt mitteilen können.
Mehr Information erhalten Sie bei:
CLaSH
Frans-Indongo Straße 80
Windhoek
Tel/Fax: 061-233904
Tel: 061-232704
E-Mail: [email protected]
Vasco besucht den Kindergarten von CLaSH, der namibischen Organisation für Kinder mit Hör- und Sprachschwierigkeiten. Gründungsmitglied Heide Beinhauer hat diese Organisation, die zuerst eine Interessengemeinschaft betroffener Eltern war, im Dezember 1989 mit ins Leben gerufen.
Die gebürtige Deutsche, die in Schweden aufgewachsen ist, studierte Pädagogik in Ludwigsburg. Nach dem Studium lehrte sie an der Grund- und Hauptschule in Beilstein/Deutschland. Bald hatte sie jedoch das Gefühl, den Hauptschülern nicht gerecht werden zu können und schaute sich nach Alternativen um. Ein ehemaliger Dozent wies Beinhauer auf die Möglichkeiten der Sonderpädagogik hin und nach reiflicher Überlegung entschied sie sich für schwerhörige Kinder. In Nürtingen unterrichtete sie sechs Jahre in einer Sonderschule für schwerhörige und sprachbehinderte Kinder.
1989 meldete sich dort eine deutschsprachige Mutter aus Windhoek, deren Sohn durch Meningitis (Hirnhautentzündung) sein Gehör verloren hatte. Sie fragte nach entsprechenden Heil- und Therapiemethoden in Deutschland. Beinhauer stellte fest, dass in Namibia keinerlei Hilfe für deutschsprachige Kinder mit Hör- und Sprachbehinderungen angeboten wurde. Auch wurde bei den Kindern keinerlei Differenzierung zwischen Schwerhörig- und Gehörlosigkeit gemacht. Daraufhin ließ sie sich für ein Jahr aus dem Schuldienst beurlauben und zog nach Windhoek. Hier fand sie ein großes Tätigkeitsfeld vor, auf das sie spezialisiert war, und bald entstand eine Interessengemeinschaft aus Eltern, HNO-Ärzten und Sprachtherapeuten. "Am Anfang hatten wir weder ein Büro noch finanzielle Unterstützung. Dafür aber hatten wir alle eine Vision", erinnert sich Beinhauer. Es wurde ein Antrag auf Unterstützung beim CIM, dem Zentrum für internationale Migration und Entwicklung (Personalvermittler der deutschen Entwicklungszusammenarbeit), einer Unterabteilung der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) gestellt und bewilligt. Sechs Jahre arbeitete Beinhauer für dieses Programm, als Fachberater für Hörgeschädigtenpädagogik im Erziehungsministerium. In dieser Zeit wurde die Interessengemeinschaft CLaSH (The Association for Children with Language, Speech and Hearing Impairments of Namibia) weiter ausgebaut und entwickelt. Als das CIM-Programm auslief, verließ sie das Ministerium und wechselte vollständig zu CLaSH.
Es musste viel gelernt werden in dieser Zeit, unter anderem wie Spendenaktionen auf die Beine gestellt oder Partnerorganisationen und Geldgeber gesucht werden. Schließlich konnte CLaSH als Wohltätigkeitsorganisation beim Gesundheitsministerium registriert werden. Erst später wurde klar, dass man aufgrund dieser Registrierung einen Antrag auf staatliche Unterstützung stellen kann, damit zumindest ein Teil der laufenden Kosten gedeckt wird.
Nach wie vor ist CLaSH von Spenden abhängig, denn die Vereinigung bietet ihre Dienste und Leistungen vor allem den Leuten an, die es sich nicht leisten können, ihr hör- oder sprachgeschädigtes Kind von einem Sprachtherapeuten unterrichten zu lassen.
Als die Beurlaubung von Beinhauer nicht länger aufrechterhalten werden konnte, gab sie ihren deutschen Beamtenstatus 2001 völlig auf. "Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich bin sicher, dass es der richtige Weg ist", meint sie zuversichtlich.
Heute ist CLaSH eine gut geregelte Organisation und landesweit bekannt. "Trotz der Abhängigkeit von Spendengeldern sind wir stolz darauf, dass wir als zuverlässig gelten und nie negativ in den Schlagzeilen aufgefallen sind", so Beinhauer. "Allerdings haben sich die Schwerpunkte verlagert. CLaSH als reine Elternorganisation hat nur in den Anfangsjahren funktioniert. Eine langfristig engagierte und dauerhaft starke Gruppe namibischer Eltern zu bilden, die CLaSH aus eigener Kraft in die Zukunft führt, ist uns leider nicht gelungen." So hat sich CLaSH von einer Elternhilfsgruppe zu einem spezifischen Dienstleister entwickelt. Die Organisation übernimmt viele Funktionen zum Beispiel:
Öffentlichkeitsarbeit:
- Aufklärungskampagnen und alle zwei Jahre eine "Woche der Gehörlosen"
- Herausgabe des CLaSH Kalenders, der seit über 10 Jahren auf den Markt gebracht wird
- Informationshefte und Poster in sieben Landessprachen
- Lehrvideos und DVDs zum Erlernen der Grundlagen der namibischen Gebärdensprache
- Seminarangebote zu Sprachentwicklung, Sprachstimulation und Früherkennung von Hör- und Sprachstörungen
- Kurse für alle Interessierten aus dem Erziehungs- und Gesundheitsbereich
- Aufklärende Besuche in Schulen und Kindergärten
Individuelle Unterstützung:
- für Kinder, die sich keinen privaten Therapeuten leisten können
- für Kinder, die Hörgeräte brauchen
- für Eltern, deren Kind behindert ist
- durch Patenschaften im In- und Ausland
- durch "Operation Omakutsi", wobei Hals-, Nasen-, Ohrenärzte aus Deutschland in den vergangenen fünf Jahren zirka 120 Kinder unentgeltlich operiert und deren Hörvermögen weitgehend wieder hergestellt haben.
Elternarbeit:
- Eltern gehörloser Kinder werden regelmäßig zu Gebärdensprachkursen und Elternabenden eingeladen.
- Die Elterninitiative in Ohangwena, dank derer es eine zweite Vorschulgruppe, speziell für Gehörlose, in Namibia gibt, wird intensiv von CLaSH unterstützt.
Ein Schwerpunkt von CLaSH ist die Früherkennung von Hörschäden. Diese
können unter anderem durch Meningitis, Malaria oder chronische
Mittelohrentzündung ausgelöst werden. Dabei können Eltern bereits nach der
Geburt des Kindes kleine Tests machen, um eventuelle Hörschäden selbst
festzustellen. "Je früher der Hörverlust entdeckt wird, desto mehr Erfolge
können erzielt werden", so Beinhauer. "Oftmals schlägt die Frustration in
Aggression um, wenn sich die Kinder nicht mitteilen können. Dies
geschieht vor allem in der Pubertät. Dann allerdings ist es meistens zu spät, dem Jugendlichen ein angemessenes Bildungsangebot zu machen, und selbst die Gebärdensprache kann sich nicht in voller Komplexität entwickeln". Das Gehirn eines Neugeborenen ist ähnlich wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Ein ausgewogenes und umfassendes Reizangebot muss während dieser frühen Jahre vorhanden sein, damit sich der Intellekt des Kindes ausbildet. Deshalb bemüht sich CLaSH, mit den relevanten Ministerien vor allem in der Früherkennung zusammenzuarbeiten, auch wenn es sich bislang als sehr zeitaufwändig und mühevoll darstellt. Allerdings unterstützt und ergänzt CLaSH in sinnvoller Weise die Arbeit der Ministerien, v.a. für Gesundheit und Erziehung. "Diese ganze Arbeit braucht eine unglaubliche langfristige Perspektive. Dazu wird eine Generation nicht ausreichen", meint Beinhauer. Was sie sich wünscht? "Dass die Spendenaktionen erfolgreich genug sind, um CLaSH noch lange am Leben zu erhalten!"
Vasco hat Glück, dass er mit der namibischen Gebärdensprache aufwächst, die ihm durch CLaSH vermittelt wird. Er lernt, sich durch gebärden- und schriftsprachliche Kommunikation zu äußern und wird sich so in Zukunft seiner Umwelt mitteilen können.
Mehr Information erhalten Sie bei:
CLaSH
Frans-Indongo Straße 80
Windhoek
Tel/Fax: 061-233904
Tel: 061-232704
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Allgemeine Zeitung
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