Wertillusion bei DiamantenWie De Beers den Druck mindern will
James Bond kühlte das "Diamantenfieber" eines superreichen Bösewichts und manche Kicker fühlen sich nur mit einem Brillianten im Ohr wichtig. Wie sehr obliegen wir den Einflüsterungen subtilen MarketingsDie härteste Währung der Welt verheißt Wertbeständigkeit und "Diamonds are Girl?s Best Friends" spricht die Emotionen an. Man ist mit Diamanten auf der Gewinnerseite - bei der Ratio und bei der Sinnlichkeit.
Denn diese faszinierende Variante ordinären Kohlenstoffs scheint ja so selten und deshalb so teuer zu sein - wie es die Schaufenster der Juweliere zeigen. Auch die Beratung beim Juwelier ergibtVon kleinen Schwankungen abgesehen, wurden Diamanten immer teurer; deshalb werde auch die Rücknahme eines Diamanten zum Kaufpreis garantiert, aber nur sofern später ein teurerer Stein erworben wird. Sind Diamanten wirklich so selten? Oder ist alles nur eine raffiniert inszenierte Illusion?
Bis zur frühen Neuzeit wurden allein in Indien Diamanten gefördert. Die schönsten Exemplare behielten die örtlichen Potentaten, nur geringe Restbestände gelangten in das Abendland. Dort wurden die kaum bearbeiteten, angeblich mit magischen Kräften gesegneten Rohsteine an die Reichen und Mächtigen verkauft. Erst im 17. Jahrhundert gelangten größere Mengen indischer Diamanten nach Europa. Die Nachfrage stieg aber weit stärker als das Angebot und die Preise für die nun geschliffenen Steine zogen an. Heftige Preisschwankungen bei Rohdiamanten traten ab etwa 1730 auf, als umfangreiche Lagerstätten in Portugiesisch-Brasilien entdeckt wurden. Plötzlich gelangte in Schüben ein Vielfaches der bisher gewohnten Mengen nach Europa, aber aufgrund knapper Schleifkapazitäten stiegen die Preise für geschliffene Steine weiter an.
Eintritt südafrikanischer Diamanten
Ein Angebotsschock trat aber auf, als ab den 1870er Jahren gewaltige Diamantenvorkommen in Südafrika entdeckt wurden. In immer kürzerer Zeit vervielfachten sich nicht nur die jährlichen Fördermengen, sondern natürlich auch die kumulierten Bestände. Die extreme Härte des Diamanten wurde zum bis heute virulenten ProblemDiamanten gehen nicht kaputt und niemand wirft sie weg! Durch die jährlich immer stärker anwachsenden Bestände bildete sich ein Angebotsdruck auf dem Markt, sobald die Nachfrage nicht im gleichen Umfang expandierte. Die südafrikanischen Diamantenförderer und ihre englischen Händler erkannten bereits 1872 dieses ProblemDie Preise durften zumindest beim Endkonsumenten niemals sinken. Denn stark sinkende Preise hätten signalisiert, dass Diamanten eben nun nicht mehr physisch so knapp sind als bisher geglaubt! Billiger werdende Diamanten hätten dann auch ihre wichtigsten Eigenschaften als Gut verloren, nämlich als Statussymbol den Reichtum bis Protz seines Besitzers mitzuteilen und eine langfristig sichere Wertanlage zu sein. Dies hätte den Nimbus dieses exklusiven Gutes und damit den gesamten Markt irreversibel zerstört - niemals durfte es als Massenprodukt verschleudert werden, brauchbar allenfalls als Glasschneider! Aber wie konnte ein Untergang des Marktes verhindert werden, wo doch die Fördermengen förmlich explodierten? Keinesfalls durften sich die vielen einzelnen Diamantenförderer beim Verkauf ihrer Rohsteine gegenseitig im Preis unterbieten. Konkurrenz wäre für den Markt tödlich gewesen. Dies konnte nur ein Monopolanbieter verhindern, der weltweit die Preise und Mengen diktierte. Cecil Rhodes, dem Gründer von De Beers, gelang diesÜber Jahrzehnte bestimmte allein sein Unternehmen das weltweite Angebot und bediente die Nachfrage gemäß der eigenen Gewinninteressen und zum Schutz des Marktes.
Das De Beers-Monopol und die CSO
Doch so zufällig wie die bisherigen Funde, wurden während des 20. Jahrhunderts weitere ergiebige Lagerstätten entdeckt, beispielsweise in Deutsch-Südwestafrika, später dann in der Sowjetunion, in Australien und in vielen weiteren afrikanischen Staaten. Diese Funde verschärften das Problem der Funktionsfähigkeit des Diamantenmarktes. Während der Weltwirtschaftskrise sowie bei Rezessionen in den Staaten mit hoher Nachfrage nach Schmuckdiamanten kamen neue Probleme hinzuzeitweise hielt die Nachfrage nach Schmuckdiamanten zumindest nicht mehr mit der jährlichen Neuförderung mit. Doch nach wie vor galtkonkurrierende Angebote aus nun vielen, souveränen Staaten in aller Welt um die Absatzmärkte hätten die Preise und damit das Gut Diamant "verdorben". Wie konnte das verhindert werden?
De Beers, mittlerweile gelenkt von Sir Ernest Oppenheimer, erkannte als jahrzehntelanger Monopolist die Gefahr für sein Firmenimperium - und für den weltweiten Diamantenmarkt. Solange sich die neuen, unabhängigen Diamantenanbieter aus eigenen Stücken den Vorgaben von De Beers unterwarfen und die Preise nicht verdarben, blieb die Gefahr latent. Dennoch ergriff Oppenheimer die Initiative und gründete die Central Selling Organisation (CSO) als weltweites Vermarktungskartell. Als nach wie vor mächtigster Anbieter von Rohdiamanten führte Oppenheimer die CSO mit eiserner Hand - und damit zum Wohle allerNicht nur De Beers und die anderen Förderländer profitierten vom Kartell, sondern die künstlich hoch gehaltenen Preise entsprachen auch dem Wohle der Diamantenkäufer, die aufgrund der Eigenschaft des teuren Statussymbols oder aus Kapitalanlageüberlegungen heraus auf steigende Preise bei Diamanten Wert legten. Dazu musste mit Marketingmaßnahmen permanent eine steigende Endnachfrage generiert werden und die weltweite Diamantenförderung musste genau dieser Nachfrage entsprechen. Aber was würde passieren, wenn ein neuer Anbieter aus kurzfristigen eigenen Interessen heraus aus den Kartellabsprachen ausschert und über Preissenkungen versucht, einen höheren Absatz für sich zu gewinnen? In diesen Fällen demonstrierte De Beers seine historisch gewachsene Marktmachtwirkten verbale Ankündigungen, etwa in Form erhöhter eigener Förderung oder in Form eines Boykotts von Steinen des abtrünnigen Anbieters durch die CSO nicht mehr, dann warf De Beers aus seinen mittlerweile angehäuften Diamantenreserven strategisch genau die Steinqualitäten auf den Markt, die auch der abtrünnige Anbieter verkaufen wollte. Als ultima ratio konnte De Beers theoretisch sogar damit drohen, alle seine strategischen Diamantenvorräte auf den Markt zu bringen um damit bewusst den Markt irreversibel zu zerstören - was auch den mächtigsten Anbietern nach De Beers irreversibel geschadet hätte und was so zu deren Disziplinierung beitrug. Bei mehreren kurzzeitigen Versuchen durch vom Kartell abgefallene kleinere Outsider-Anbieter funktionierte dieses Sanktionssystem der CSO und von De Beers über JahrzehnteSanktionsmaßnahmen von De Beers kosteten manchen afrikanischen Diktator die Macht und sogar die Sowjetunion lieferte nach mehreren Drohspielen ihre für den Export vorgesehenen Steine bei der CSO ab.
Eine kultivierte Wertillusion
Aber es gab einen bisher nicht beachteten potentiellen Konkurrenzanbieter, der weit mächtiger sein konnte als De Beers, selbst zusammen mit allen anderen Förderländern. Dieser Konkurrent war der bisherige Erfolg bei der Vermarktung immer größerer Mengen an Diamantendie über Jahrhunderte angesammelten Diamantenbestände in den Händen der früheren Käufer stellen ein gigantisches potentielles Angebot dar. Denn ein Diamant ist unvergänglich. Dieses bisher so erfolgreiche Werbeversprechen drohte nun markttechnisch zur möglicherweise Existenz bedrohenden Falle zu werden, wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Ronald Coase allgemein für den Fall langlebiger Konsumgüter feststellte. Was war dagegen machbar? Jahr für Jahr förderte man so große Mengen an Diamanten, dass trotz zeitweiliger Produktionseinschränkungen De Beers große Kapitalsummen bindende Pufferlager anlegen mussteeinerseits, um bei Nachfrageeinbrüchen Preissenkungen zu verhindern, andererseits um damit Outsider-Anbieter jederzeit disziplinieren zu können. Ökonomie paradoxdie physisch geförderte Angebotsmenge stieg kontinuierlich an und gleichzeitig musste der Preis für die Endkonsumenten möglichst stetig steigen. Denn nur damit konnte bei den Endkonsumenten die Wertillusion aufrecht erhalten werden, dass ein Diamant wegen seiner "Knappheit" teuer war - und nur weil er teuer war und weitere Preissteigerungen erwartet wurden, kauften die Konsumenten Diamanten. Diese Wertillusion durfte niemals enttäuscht werden, weil sie existentiell für den Markt war. Auch schnell und heftig steigende Diamantenpreise wurden, wie aufstrebende Diamantenhändler in Tel Aviv schmerzlich erfahren mussten, von De Beers konsequent unterbunden. Denn schnell steigende Preise konnten bei privaten Diamantenbesitzern Anreize schaffen, ihre "Werte" in cash zu realisieren.
Unerwünschter Sekundärmarkt
Wären private Barverkäufe mit Gewinnen bekannt geworden, drohte schnell ein weder von De Beers noch von der CSO quantitativ kontrollierbarer Sekundärmarkt unter Konkurrenzbedingungen zu entstehen. Größere Barverkäufe aus privater Hand wären dann über kurz oder lang nur zu beträchtlichen Preisabschlägen realisierbar gewesen. Aus diesen Gründen heraus durfte nie ein vom Diamantenkartell unabhängiger "Gebrauchtmarkt" entstehen - die im freien Spiel von Angebot und Nachfrage gebildeten Marktpreise in cash hätten die über Jahrhunderte aufgebaute Wertillusion offenbartein Diamant ist heute nicht mehr selten und deshalb deutlich weniger wert als geglaubt wird.
Vor diesem Hintergrund werden die vielfältigen, oft nicht nachvollziehbaren Praktiken auf dem Diamantenmarkt verständlichDe Beers entwickelte über die vier Merkmale Größe in Karat, Grad der Einschlüsse im Stein, Farbe des Steins und Sauberkeit des Schliffs Tausende von Klassifizierungskombinationen für den "Wert" eines Diamanten - diese vollkommene Intransparenz verhindert einen privaten Sekundärmarkt. Verkäufe ("sights") verschlossener Schachteln mit Diamanten unterschiedlicher Qualität diszipliniert die wenigen Steinhändler
auf der ersten Handelsstufe. Zusammen mit weiteren Maßnahmen kontrollierte so die CSO über die so genannte Diamanten-Pipeline den Vermarktungsweg der Steine von der Förderung bis zum Juwelier. Daneben soll durch emotionale Werbung, beispielsweise für mit Diamanten besetzte Eheringe, gewährleistet werden, dass einmal verkaufte und dann verschenkte Diamanten in "sicheren Händen" bleiben und daher nie mehr auf den Markt kommen. Das Bild fügt sichDiamanten sind nicht so knapp wie es die "offiziellen" Verkaufspreise und deren Entwicklung glauben lassen sollen.
Erlebniswelt und Luxusimage
Ist der ganze Diamantenmarkt also nur eine gigantische Wertblase, die bei den ersten hinreichend umfangreichen Privatverkäufen platzt? De Beers scheint diese Gefahr erkannt zu haben und vollzog einen zunächst unerklärlichen Schwenk in der VermarktungsstrategieNun stehen nicht mehr Diamanten als solche im Zentrum, sondern teure Produkte der Marke "De Beers", verziert mit Diamanten, in denen das Markenlogo integriert wird. Damit soll eine emotionale Erlebniswelt, ein Luxusimage und die Demonstration eines exklusiven Lebensstils verkauft werden. Das Geniale am Marken-Konzept besteht darin, dass trotz hoher Preise diese life-style Güter keine Wertillusion und keine physische Knappheit mehr benötigten.
Dr. Helmut Braun
(Der Autor lehrt Wirtschafts- und Technikgeschichte an der Universität Regensburg, Deutschland.)
Denn diese faszinierende Variante ordinären Kohlenstoffs scheint ja so selten und deshalb so teuer zu sein - wie es die Schaufenster der Juweliere zeigen. Auch die Beratung beim Juwelier ergibtVon kleinen Schwankungen abgesehen, wurden Diamanten immer teurer; deshalb werde auch die Rücknahme eines Diamanten zum Kaufpreis garantiert, aber nur sofern später ein teurerer Stein erworben wird. Sind Diamanten wirklich so selten? Oder ist alles nur eine raffiniert inszenierte Illusion?
Bis zur frühen Neuzeit wurden allein in Indien Diamanten gefördert. Die schönsten Exemplare behielten die örtlichen Potentaten, nur geringe Restbestände gelangten in das Abendland. Dort wurden die kaum bearbeiteten, angeblich mit magischen Kräften gesegneten Rohsteine an die Reichen und Mächtigen verkauft. Erst im 17. Jahrhundert gelangten größere Mengen indischer Diamanten nach Europa. Die Nachfrage stieg aber weit stärker als das Angebot und die Preise für die nun geschliffenen Steine zogen an. Heftige Preisschwankungen bei Rohdiamanten traten ab etwa 1730 auf, als umfangreiche Lagerstätten in Portugiesisch-Brasilien entdeckt wurden. Plötzlich gelangte in Schüben ein Vielfaches der bisher gewohnten Mengen nach Europa, aber aufgrund knapper Schleifkapazitäten stiegen die Preise für geschliffene Steine weiter an.
Eintritt südafrikanischer Diamanten
Ein Angebotsschock trat aber auf, als ab den 1870er Jahren gewaltige Diamantenvorkommen in Südafrika entdeckt wurden. In immer kürzerer Zeit vervielfachten sich nicht nur die jährlichen Fördermengen, sondern natürlich auch die kumulierten Bestände. Die extreme Härte des Diamanten wurde zum bis heute virulenten ProblemDiamanten gehen nicht kaputt und niemand wirft sie weg! Durch die jährlich immer stärker anwachsenden Bestände bildete sich ein Angebotsdruck auf dem Markt, sobald die Nachfrage nicht im gleichen Umfang expandierte. Die südafrikanischen Diamantenförderer und ihre englischen Händler erkannten bereits 1872 dieses ProblemDie Preise durften zumindest beim Endkonsumenten niemals sinken. Denn stark sinkende Preise hätten signalisiert, dass Diamanten eben nun nicht mehr physisch so knapp sind als bisher geglaubt! Billiger werdende Diamanten hätten dann auch ihre wichtigsten Eigenschaften als Gut verloren, nämlich als Statussymbol den Reichtum bis Protz seines Besitzers mitzuteilen und eine langfristig sichere Wertanlage zu sein. Dies hätte den Nimbus dieses exklusiven Gutes und damit den gesamten Markt irreversibel zerstört - niemals durfte es als Massenprodukt verschleudert werden, brauchbar allenfalls als Glasschneider! Aber wie konnte ein Untergang des Marktes verhindert werden, wo doch die Fördermengen förmlich explodierten? Keinesfalls durften sich die vielen einzelnen Diamantenförderer beim Verkauf ihrer Rohsteine gegenseitig im Preis unterbieten. Konkurrenz wäre für den Markt tödlich gewesen. Dies konnte nur ein Monopolanbieter verhindern, der weltweit die Preise und Mengen diktierte. Cecil Rhodes, dem Gründer von De Beers, gelang diesÜber Jahrzehnte bestimmte allein sein Unternehmen das weltweite Angebot und bediente die Nachfrage gemäß der eigenen Gewinninteressen und zum Schutz des Marktes.
Das De Beers-Monopol und die CSO
Doch so zufällig wie die bisherigen Funde, wurden während des 20. Jahrhunderts weitere ergiebige Lagerstätten entdeckt, beispielsweise in Deutsch-Südwestafrika, später dann in der Sowjetunion, in Australien und in vielen weiteren afrikanischen Staaten. Diese Funde verschärften das Problem der Funktionsfähigkeit des Diamantenmarktes. Während der Weltwirtschaftskrise sowie bei Rezessionen in den Staaten mit hoher Nachfrage nach Schmuckdiamanten kamen neue Probleme hinzuzeitweise hielt die Nachfrage nach Schmuckdiamanten zumindest nicht mehr mit der jährlichen Neuförderung mit. Doch nach wie vor galtkonkurrierende Angebote aus nun vielen, souveränen Staaten in aller Welt um die Absatzmärkte hätten die Preise und damit das Gut Diamant "verdorben". Wie konnte das verhindert werden?
De Beers, mittlerweile gelenkt von Sir Ernest Oppenheimer, erkannte als jahrzehntelanger Monopolist die Gefahr für sein Firmenimperium - und für den weltweiten Diamantenmarkt. Solange sich die neuen, unabhängigen Diamantenanbieter aus eigenen Stücken den Vorgaben von De Beers unterwarfen und die Preise nicht verdarben, blieb die Gefahr latent. Dennoch ergriff Oppenheimer die Initiative und gründete die Central Selling Organisation (CSO) als weltweites Vermarktungskartell. Als nach wie vor mächtigster Anbieter von Rohdiamanten führte Oppenheimer die CSO mit eiserner Hand - und damit zum Wohle allerNicht nur De Beers und die anderen Förderländer profitierten vom Kartell, sondern die künstlich hoch gehaltenen Preise entsprachen auch dem Wohle der Diamantenkäufer, die aufgrund der Eigenschaft des teuren Statussymbols oder aus Kapitalanlageüberlegungen heraus auf steigende Preise bei Diamanten Wert legten. Dazu musste mit Marketingmaßnahmen permanent eine steigende Endnachfrage generiert werden und die weltweite Diamantenförderung musste genau dieser Nachfrage entsprechen. Aber was würde passieren, wenn ein neuer Anbieter aus kurzfristigen eigenen Interessen heraus aus den Kartellabsprachen ausschert und über Preissenkungen versucht, einen höheren Absatz für sich zu gewinnen? In diesen Fällen demonstrierte De Beers seine historisch gewachsene Marktmachtwirkten verbale Ankündigungen, etwa in Form erhöhter eigener Förderung oder in Form eines Boykotts von Steinen des abtrünnigen Anbieters durch die CSO nicht mehr, dann warf De Beers aus seinen mittlerweile angehäuften Diamantenreserven strategisch genau die Steinqualitäten auf den Markt, die auch der abtrünnige Anbieter verkaufen wollte. Als ultima ratio konnte De Beers theoretisch sogar damit drohen, alle seine strategischen Diamantenvorräte auf den Markt zu bringen um damit bewusst den Markt irreversibel zu zerstören - was auch den mächtigsten Anbietern nach De Beers irreversibel geschadet hätte und was so zu deren Disziplinierung beitrug. Bei mehreren kurzzeitigen Versuchen durch vom Kartell abgefallene kleinere Outsider-Anbieter funktionierte dieses Sanktionssystem der CSO und von De Beers über JahrzehnteSanktionsmaßnahmen von De Beers kosteten manchen afrikanischen Diktator die Macht und sogar die Sowjetunion lieferte nach mehreren Drohspielen ihre für den Export vorgesehenen Steine bei der CSO ab.
Eine kultivierte Wertillusion
Aber es gab einen bisher nicht beachteten potentiellen Konkurrenzanbieter, der weit mächtiger sein konnte als De Beers, selbst zusammen mit allen anderen Förderländern. Dieser Konkurrent war der bisherige Erfolg bei der Vermarktung immer größerer Mengen an Diamantendie über Jahrhunderte angesammelten Diamantenbestände in den Händen der früheren Käufer stellen ein gigantisches potentielles Angebot dar. Denn ein Diamant ist unvergänglich. Dieses bisher so erfolgreiche Werbeversprechen drohte nun markttechnisch zur möglicherweise Existenz bedrohenden Falle zu werden, wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Ronald Coase allgemein für den Fall langlebiger Konsumgüter feststellte. Was war dagegen machbar? Jahr für Jahr förderte man so große Mengen an Diamanten, dass trotz zeitweiliger Produktionseinschränkungen De Beers große Kapitalsummen bindende Pufferlager anlegen mussteeinerseits, um bei Nachfrageeinbrüchen Preissenkungen zu verhindern, andererseits um damit Outsider-Anbieter jederzeit disziplinieren zu können. Ökonomie paradoxdie physisch geförderte Angebotsmenge stieg kontinuierlich an und gleichzeitig musste der Preis für die Endkonsumenten möglichst stetig steigen. Denn nur damit konnte bei den Endkonsumenten die Wertillusion aufrecht erhalten werden, dass ein Diamant wegen seiner "Knappheit" teuer war - und nur weil er teuer war und weitere Preissteigerungen erwartet wurden, kauften die Konsumenten Diamanten. Diese Wertillusion durfte niemals enttäuscht werden, weil sie existentiell für den Markt war. Auch schnell und heftig steigende Diamantenpreise wurden, wie aufstrebende Diamantenhändler in Tel Aviv schmerzlich erfahren mussten, von De Beers konsequent unterbunden. Denn schnell steigende Preise konnten bei privaten Diamantenbesitzern Anreize schaffen, ihre "Werte" in cash zu realisieren.
Unerwünschter Sekundärmarkt
Wären private Barverkäufe mit Gewinnen bekannt geworden, drohte schnell ein weder von De Beers noch von der CSO quantitativ kontrollierbarer Sekundärmarkt unter Konkurrenzbedingungen zu entstehen. Größere Barverkäufe aus privater Hand wären dann über kurz oder lang nur zu beträchtlichen Preisabschlägen realisierbar gewesen. Aus diesen Gründen heraus durfte nie ein vom Diamantenkartell unabhängiger "Gebrauchtmarkt" entstehen - die im freien Spiel von Angebot und Nachfrage gebildeten Marktpreise in cash hätten die über Jahrhunderte aufgebaute Wertillusion offenbartein Diamant ist heute nicht mehr selten und deshalb deutlich weniger wert als geglaubt wird.
Vor diesem Hintergrund werden die vielfältigen, oft nicht nachvollziehbaren Praktiken auf dem Diamantenmarkt verständlichDe Beers entwickelte über die vier Merkmale Größe in Karat, Grad der Einschlüsse im Stein, Farbe des Steins und Sauberkeit des Schliffs Tausende von Klassifizierungskombinationen für den "Wert" eines Diamanten - diese vollkommene Intransparenz verhindert einen privaten Sekundärmarkt. Verkäufe ("sights") verschlossener Schachteln mit Diamanten unterschiedlicher Qualität diszipliniert die wenigen Steinhändler
auf der ersten Handelsstufe. Zusammen mit weiteren Maßnahmen kontrollierte so die CSO über die so genannte Diamanten-Pipeline den Vermarktungsweg der Steine von der Förderung bis zum Juwelier. Daneben soll durch emotionale Werbung, beispielsweise für mit Diamanten besetzte Eheringe, gewährleistet werden, dass einmal verkaufte und dann verschenkte Diamanten in "sicheren Händen" bleiben und daher nie mehr auf den Markt kommen. Das Bild fügt sichDiamanten sind nicht so knapp wie es die "offiziellen" Verkaufspreise und deren Entwicklung glauben lassen sollen.
Erlebniswelt und Luxusimage
Ist der ganze Diamantenmarkt also nur eine gigantische Wertblase, die bei den ersten hinreichend umfangreichen Privatverkäufen platzt? De Beers scheint diese Gefahr erkannt zu haben und vollzog einen zunächst unerklärlichen Schwenk in der VermarktungsstrategieNun stehen nicht mehr Diamanten als solche im Zentrum, sondern teure Produkte der Marke "De Beers", verziert mit Diamanten, in denen das Markenlogo integriert wird. Damit soll eine emotionale Erlebniswelt, ein Luxusimage und die Demonstration eines exklusiven Lebensstils verkauft werden. Das Geniale am Marken-Konzept besteht darin, dass trotz hoher Preise diese life-style Güter keine Wertillusion und keine physische Knappheit mehr benötigten.
Dr. Helmut Braun
(Der Autor lehrt Wirtschafts- und Technikgeschichte an der Universität Regensburg, Deutschland.)
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Allgemeine Zeitung
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