Wilde Horde trainiert wieder beim SFC
Von Lukas Kuite, Swakopmund
Am Freitag war der Fußballplatz des SFC mit einer Schar von Kindern übersäht. Durcheinander, kreuz und quer, toben die Sechs- bis 14-Jährigen über den Rasen, als gäbe es kein Morgen mehr. Der eine verkloppt seinen Nebenmann mit dem Ball, der andere jammert herum, weil seine Schnürsenkel nicht zugehen, weitere schießen wie wild aufs Tor. Der Grund für das Chaos: Es ist Pause. „Vorhin gab es Essen, eigentlich ist die Pause dazu da, es sacken zu lassen, damit es gleich weiter gehen kann, aber man sieht ja wie das klappt“, sagt Trainer Wieland Klinger mit einem leichten Schmunzeln auf dem Gesicht. Tief entspannt sitzt der immer noch aktive Fußballer (Deutscher Turn- und Sportverein Windhoek) mit seiner Kollegin Sabine Denker unter dem vom Lokalrestaurant „Spur“ gesponserten Pavillon. Das Trainingscamp für die Kinder findet nun zum 16. Mal im Ort an der Küste statt. Zuvor hatte es einmal im Jahre 1998 in Windhoek stattgefunden. Organisator Georg Engelbauer hatte es dann jedoch als ideal empfunden, den Kindern während der Ferienzeit in Swakopmund die Freude am Kicken zu bereiten.
Um 10 Uhr bat der erfahrene Trainer zum diesjährigen Auftakt, nun ist es 13 Uhr und die Kinder sind außer Rand und Band „Sie haben alle ihren eigenen Ball, auf den sie aufpassen müssen. Sie sind mit einer Nummer signiert, welche auch auf den Händen der Kinder steht“, erwähnt Sabine Denker, die die jüngste Altersgruppe (5-7 Jahre) trainiert. Die Disziplinmaßnahme scheint soweit ganz gut zu funktionieren. Die beiden einzigen teilnehmenden Mädchen, die ungewöhnlicherweise in Strumpfhose, Minirock und T-Shirt trainieren, wollten dieselbe Nummer haben, um ihr freundschaftliches Bündnis zu verdeutlichen.
Schnell schnappt sich der junge Luca Kesselmann ihren Ball und stopft sich ihn unter das rote Bayerntrikot vor seinen Bauch. Er rennt weg. „Ich kann nicht so schnell laufen, wenn ich schwanger bin“, albert der Junge herum, während ihn die Mädels verfolgen. „Der Junge ist total ballverrückt. Trainiert fünf Tage lang und kickt noch am Wochenende ununterbrochen mit Freunden. Er hat auf jeden Fall Talent, ist ‘n Guter“, sagt Klinger, nachdem er lachend die Szenerie beobachtet hatte. Dem Zirkus der Kinder könne er den ganzen Tag zugucken, langweilig würde ihm nie werden. Auch er nahm in jungen Jahren an dem Camp teil. Als Engelbauer im Jahr 2003 bei der Teilnahme von 120 Kindern einen Trainermangel hatte, fragte er den damals 16-jährigen Wieland, ob er nicht Lust hätte, als Trainer zu agieren. „Die Jungs damals waren gut. Wieland und seine Kumpel, die hatten es drauf, das konnte man direkt sehen. Trainieren tut er immer noch, darüber bin ich froh“, sagt Engelbauer.
Als der 74-jährige Fußballlehrer nach der Pause zum Wiederanpfiff auf den Platz marschiert, folgen ihm alle Kinder in die Mitte des Feldes. In kurzer Sporthose, einer dunkelblauen Trainingsjacke und der Mütze tief im Gesicht, weist der sichtlich gut gelaunte Trainer die Kinder in verschiedene Gruppen ein. Dass es ihm nach all den Jahren immer noch Spaß macht, sieht man ihm an. Der Torschuss soll geübt werden. Immer und immer wieder sollen die jungen Fußballer auf das Tor schießen, um ihre Schusstechnik auszufeilen. Die Übung ist simpel: Pass den Ball zum Trainer, er legt ihn dir ab und du musst treffen. „Stopp, das geht so nicht, gleich nochmal“, ermahnt Engelbauer einen jungen Spieler, der meinte, ihm den Ball nur lasch zuspielen zu müssen. Verlegen geht der Junge zurück und wiederholt den Pass. „Ja, genau so. Mit Power muss der kommen. Und jetzt komm!“, feuert er ihn an.
Auf der anderen Seite, beim Slalom- und Torschusstraining unter der Aufsicht von Wieland Klinger, versenkt der kleine Maurizio January die Kugel eiskalt in den Winkel. „Manche haben schon in jungen Jahren eine enorme Kraft. Da kann man schon früh sehen, wer es drauf hat und wer nicht“, sagt Wieland, während er die Spieler akribisch bei ihrem Slalomdribbling beobachtet. „Nein Leo, erst warten bis der andere durch ist“, ermahnt er den kleinen Bruder von Luca Kesselmann. Leo hatte sich zuvor schmollend ins Gras gesetzt, weil seine Schnürsenkel offen waren und ihm sie niemand zugemacht hatte. Wieland Klinger kam ihm kurz darauf zur Hilfe und band sie ihm, ein Mann für alles eben.
In einer hinteren Ecke des Feldes kämpft sich die 25-jährige Sabine Denker mit den Fünf- bis Siebenjährigen herum. Lauthals feuert sie die kleinen Kinder an, während sie mit noch durchaus beschränkten Fähigkeiten versuchen, den großen Ball durch die Slalomhütchen zu befördern. „Ja, super Jason, komm Jason!“, hallt es über den Rasenplatz. Ihr Trainerkollege Terrance kniet im Tor, um einen Torhüter abzugeben, der den kleinen Kindern von der Größe her annähernd gleich kommt. Als der kleine Jason kurz vor der Schussmarkierung droht, mit dem Ball einzuschlafen, rennt sie duckend auf ihn zu. „So, ich bin der Verteidiger, was machst du, was machst du“, ruft sie. Auf einmal rennt der kleine Jason los und kickt mit aller Kraft gegen das Leder. Auch wenn der Ball nicht reingeht, Einsatz ist Einsatz.
Genau das will Georg Engelbauer sehen: Einsatz und Wille. „Das Trainingscamp dient den Kindern natürlich in erster Linie dazu, Spaß zu haben. Sie haben Ferien, sind mit ihren Familien hier an der Küste und wollen Fußball spielen. Aber trotzdem wollen wir den Kleinen was beibringen. Sie sollen was lernen.“ Dafür brauche und habe man gute Trainer und bekomme auch immer mal wieder prominenten Besuch aus Deutschland. Im Jahr 1999 kam Peter Hyballa, der neben den ersten Profi-Mannschaften von Sturm Graz und Alemannia Aachen auch die U19 von Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen trainiert hatte. 2003 und 2004 kam die Golden Goal-Siegtorschützin für Deutschland im WM-Finale 2003, Nia Künzer, vorbei, um ihr Wissen zu teilen. Engelbauer hatte sie auf einen Tipp von einem Freund am Flughafen aufgespürt und sie kurz vor ihrem Abflug nach Deutschland gefragt, was sie von der Idee hielte, kleinen Kindern das Kicken beizubringen. Sie fand die Idee gut und willigte ein. Wer weiß, wen der jung gehaltene Fußballlehrer als nächstes in die Stadt an der Küste lotsen wird.
Die Kinder braucht er nicht mehr großartig zu locken, die kommen jedes Jahr aufs Neue. Als er den ersten Trainingstag beendet, ist es vier Uhr am Nachmittag. Der Tross versammelt sich auf seine Bitte nochmal am Pavillon. Während die Eltern am Spielfeldrand stehen, um ihre Schützlinge abzuholen, verhalten sich diese auffällig ruhig. Zu anstrengend muss der Trainingstag wohl gewesen sein. Artig halten sie ihre Bälle in die Luft, damit Sabine Denker sie zählen kann. Nicht nur für die Kinder war es ein anstrengender Tag, das steht fest. Über sechs Stunden dirigierten die vier Trainer in der prallen Sonne die wilde Horde. Und das jetzt noch vier Mal. Na dann, viel Erfolg!
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Allgemeine Zeitung
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