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"Wildes" Kinovergnügen für zwei Wochen
"Wildes" Kinovergnügen für zwei Wochen

"Wildes" Kinovergnügen für zwei Wochen

Am heutigen Freitag beginnt das Wild Cinema Windhoek International Film Festival. Über die Dauer von 15 Tagen werden täglich zwei bis vier Filmvorführungen in FNCC, KCAC, Goethe-Zentrum oder Zoopark angeboten. Alle Vorführungen sind gratis. Mit auf dem Programm für dieses Wochenende: der Semi-Dokumentarfilm "Die Geschichte vom weinenden Kamel".



Wenn bei den Oskar-Verleihungen jemals eine Kategorie für beste Tier-Darsteller eingeführt werden sollte, dann müssten als erste Ingen Temee und ihr Baby Botok diesen Oskar erhalten. Ingen Temee ist eine Kamelstute, und sie und ihr Fohlen Botok sind die Protagonisten in dem rührigen Streifen "Die Geschichte vom weinenden Kamel".

Produziert von der Hochschule für Fernsehen und Film München in Zusammenarbeit mit dem Bayrischen Rundfunk, erzählt dieser Film von einem seltsamen Musikritual in der Gobi-Wüste der Mongolei. Es ist Frühling, die Zeit, in der die Kamele kalben. Eine Stute in der Herde einer nomadischen Familie hat eine besonders schwere Geburt. Sie bringt ein seltenes weißes Fohlen zur Welt. Trotz intensiver Bemühungen der Nomaden will die Kamelstute ihr Neugeborenes jedoch nicht anerkennen und verweigert ihm ihre Milch und mütterliche Liebe.

Als alle Hoffnung für das Kleine verloren scheint, senden die Nomaden zwei ihrer jungen Söhne auf eine Reise durch die Wüste. Sie sollen einen Musiker holen, der ein archaisches Ritual durchführt. Mit Hilfe der Musik wird das erkaltete Herz der Kamelstute erwärmt: Sie bricht in Tränen aus und gewährt ihrem Fohlen schließlich die Muttermilch und -liebe, die es zum Überleben braucht.

Die beiden FilmstudentInnen Luigi Falorni und Byambasuren Davaa haben mit "Die Geschichte vom weinenden Kamel" einen "narrativen" Dokumentarfilm gedreht, der viele Spielfilmelemente und Dramatechniken verwendet, ohne aus dem Genre Dokumentarfilm auszubrechen. Einige Nebengeschichten und Verbindungen zwischen Szenen wurden für die Kamera nachgestellt, dennoch dokumentiert der Film ein tatsächliches Ereignis - eines das in der Gobiwüste der Mongolei eigentlich ein ganz alltägliches ist.

"Die Geschichte vom weinenden Kamel" ist ein Paradebeispiel für das derzeit speziell in Deutschland, aber auch generell in Europa wachsende Interesse an Dokumentarfilmen fürs Kino. Der Streifen hat nicht nur einige Preise in der Dokumentarfilm-Kategorie internationaler Festivals gewonnen, sondern wurde auch mehrmals mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.



Interview mit der Regisseurin*

Andrea Kriegl: Wann haben Sie das erste Mal von dem Musikritual gehört, das in dem Film porträtiert wird?

Byambasure Davaa: Ich bin die erste Generation in einer Familie von Nomaden, die in der Stadt aufgewachsen ist. Meine Großeltern waren Nomaden, aber sie sind in die Stadt gezogen, als meine Mutter etwa 15 oder 16 war. Das Musikritual war etwas völlig normales für meine Großeltern. Das ist wie wenn jemand jeden Morgen eine Tasse Tee trinkt: Wenn das zu deinen täglichen Ritualen gehört, dann erzählst du davon nicht unbedingt deinen Enkelkindern.

Ich habe von diesem Ritual also nicht durch meine Großeltern erfahren, sondern durch einen Film, den ich Anfang der 80er gesehen habe. Er handelte von einer Kamelstute, die ihr Neugeborenes nicht anerkennen wollte. Ich war Mitglied einer Theatergruppe für Kinder. Der Film war so zauberhaft. Viele der Kinder haben bei der Vorführung geweint. Ich glaube ich habe am lautesten geheult: Mir taten die Kamele so leid. Dieser Film ist mir nie mehr aus dem Kopf gegangen.

Kriegl: Waren Sie auf der Suche nach speziell diesem Problemfall von Kamelstute und Fohlen? Was hätten Sie getan wenn dieses Szenario nicht entstanden wäre während Ihrer Drehzeit in der Gobiwüste? Wovon hätte der Film dann gehandelt?

Davaa: Das Musikritual wird in verschiedensten Fällen angewandt. Natürlich hatten wir uns gewünscht, dass das Stute/Fohlen-Problem auftauchen würde. Aber wir konnten uns sicher sein, dass es, wenn nicht diesen, dann einen anderen Vorfall geben würde - entweder eine Kamelstute, die wegen Krankheit stirbt oder ein Fohlen, das von einem Wolf gerissen wird. Gott oder die Natur haben uns jedoch nicht mit einem solch traurigen Fall konfrontiert. Das war pures Glück. Wenn du einen Wunsch hast, dann wird er erhört. Ich bin ein Mensch mit einem tiefen Glauben, wie meine Großmutter. Meine Großmutter hat zum Beispiel immer gesagt: "Meine liebe Tochter, du solltest jeden Morgen an deinen Wunsch denken, nicht an dein Ziel, aber an deinen Wunsch. Wenn dein Wunsch wahr wird, ist es wunderbar, wenn nicht, dann war es nur ein Wunsch. Wenn du an deinen Wunsch denkst, nähern sich deine Seele und dein Geist diesem Wunsch und geben dir die Kraft, dass der Wunsch wahr wird." Wir haben immer daran geglaubt, dass es funktioniert.

Es kam uns nie in den Sinn, dass es nicht funktionieren würde. Auch die Filmakademie in München, die diesen Film produziert hat, hat an uns geglaubt. Sie hat uns komplette Freiheit gegeben und keinen Druck auf uns ausgeübt, das war unglaublich hilfreich.

Kriegl: Wenn das Ritual nicht stattgefunden hätte oder nicht gewirkt hätte, was wäre dann mit dem Kamelfohlen geschehen?

Davaa: Das Kamelfohlen hätte nicht aufgehört zu weinen. Selbst wenn jemand es mit der Flasche gefüttert hätte. Es ist ein herzzerreißendes Weinen, keiner kann das aushalten. Die Nomaden hätten das niemals zugelassen. Das Kamel hätte sich auch nicht weiter entwickelt. Es wäre wahrscheinlich an Traurigkeit gestorben. Kamele haben es wirklich schwer, über die Mutter-Kind-Trennung hinwegzukommen. Sie müssen das Trauma verarbeiten und die Musik und der Gesang der Nomaden helfen ihnen dabei.

Seit ich mit meiner Recherche über dieses Thema begonnen habe, habe ich nicht von einem einzigen Fall gehört, in dem das Ritual nicht funktioniert hätte. Ich habe mit vielen Nomaden darüber gesprochen, aber mir ist nie ein Fall zu Ohren gekommen, in dem es nicht funktioniert hat. In unserem Fall hat das Ritual einen Tag lang gedauert. Aber ich weiß von alten Nomaden, dass es manchmal mehrere Tage dauert. Das ist vom Charakter jedes einzelnen Tieres abhängig.

Kriegl: Wie lauten die Verse des Liedes, das während des Rituals gesungen wird?

Davaa: Dieses Musikritual hat keinen Text, das Lied besteht nur aus vier Buchstaben. In unserem Fall sind es die vier Buchstaben "HOOS". Es ist eine ständige Wiederholung dieses Wortes. Das Wort hat keine Bedeutung, es hat nur einen Effekt. Es hat keine Melodie oder musikalische Struktur. Jeder macht es so, wie er will oder wie er sich gerade fühlt. Für Schafe würde man beispielsweise die vier Buchstaben "TOIG" benutzen. Man wiederholt die vier Buchstaben immer drei Mal. Jedes Tier hat seine eigene Musik. Vielleicht ist es die Musik, die das Tier dem Menschen näher bringt. Ich weiß nicht, wie sich das entwickelt hat, aber die Nomaden haben es immer so gemacht.

Kriegl: Wie haben Sie die Familie gebeten, Handlungen zu "spielen", die Sie filmen wollten?

Davaa: Ich habe die Nomaden gebeten uns zu erzählen, was sie in ihrem täglichen Leben tun. Sie hätten das nie getan, weil Leute einfach nicht über ihr ganz normales tägliches Leben sprechen. Also habe ich ihnen gesagt, dass wir viele Dinge nicht kennen, die für sie ganz natürlich sind, aber dass wir uns dafür interessieren. Das war etwas, was sie verstehen konnten.

Kriegl: Hat die Familie selbst den Film gesehen?

Davaa: Ich habe den Film kürzlich der Familie gezeigt und ich war nie so aufgeregt in meinem Leben! Die Familie war zu Tränen gerührt und sie haben viel gelacht. Die Urgroßmutter war ein paar Wochen zuvor gestorben und ich habe mich schuldig gefühlt, dass ich mit dem Film nicht früher fertig war, so dass sie ihn noch sehen konnte. Die Vorführung war sehr emotional. Als der kleine Ugna seine Urgroßmutter auf dem Bildschirm sah, wurde er sehr ruhig. Und der Urgroßvater war so traurig über den Tod seiner Frau, dass er nicht mehr weiterleben wollte. Es war alles sehr emotional.

Das Leben in der Mongolei ist so anders. Kein Fernsehen, kein Radio. Man könnte glauben, das Leben ist dort wirklich langsam, aber Worte sind schneller als der Wind. Unterhaltung und Fernsehen passiert in den Köpfen von den Menschen. Wenn beispielsweise jemand Neuigkeiten von einem Zirkuskünstler erzählt, dann fangen die Leute an sich ihn vorzustellen und über ihn zu fantasieren. Diese Menschen können sich noch Dinge ausdenken.

*Interview frei übersetzt aus Pressemappe "Die Geschichte vom weinenden Kamel"



Wild Cinema in der AZ

Die AZ informiert ab nächster Woche täglich über Programmhöhepunkte des Filmfestivals. Nicht alle Filme können besprochen werden, deshalb: Ausführliche Programme mit Kurzbeschreibungen sind erhältlich bei AZ, FNCC, KCAC und Goethe-Zentrum.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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