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Wildumsiedlung in kommunale Hegegebiete

Blutrot geht die Sonne über dem flachen Horizont auf. Ihre sonst goldenen Strahlen können die graue Staub- und Rauchschicht, die über dem Etoscha-Nationalpark liegt, nicht durchdringen. Als sich die rote Scheibe höher schiebt, steigt wenige hundert Meter vom Namutoni-Rastlager knatternd ein zweisitziger Hubschrauber des Typs Hughes 300 auf. Kurz darauf erhebt sich auch der Tierarzt des Ministeriums für Umwelt und Tourismus, Dr. Mark Jago, in einem viersitzigen Flugzeug des Typs Maule in die Luft. Bevor er die ersten größeren Gruppen Giraffen und Zebras in der Nähe der Wasserstellen Klein Namutoni, Koinachas und Chudob aus der Luft orten kann, hat der erfahrene Wildfangpilot Jannie du Preez in seinem Hubschrauber bereits einige Giraffen gefunden und treibt sie in Richtung Boma (mobiles trichterförmiges Fanggehege). Dicke Staubwolken hinter sich herziehend fahren die Speziallastwagen für den Wildtiertransport in Richtung Boma, die im dichten Busch südlich der Hauptstraße zwischen Namutoni und Chudob errichtet worden war.
Dr. Jago informiert Jannie du Preez über Funk, dass er einige größere Gruppen Giraffen mit Jungtieren westlich von Chudob und östlich sowie südlich von Klein Namutoni gesichtet hat, nun landen und sofort zur Boma kommen wird. Der Hubschrauberpilot informiert den Tierarzt, dass er bereits zwei Giraffen in die Boma habe treiben können. Dreimal muss Jago anschließend eine Landung abbrechen und durchstarten, da sich Springböcke oder Zebras auf der Landebahn befinden.
Bei der Boma treffen die Ministerin für Umwelt und Tourismus, Netumbo Nandi-Ndaitwah, und ihr Staatssekretär Dr. Kalumbi Shangula, die EU-Botschafterin in Namibia, Dr. Elisabeth Pape, der Hauptnaturschutzbeamte des Etoscha-Nationalparks, Michael Sibalatani, sowie zahlreiche andere Beamte und Medienvertreter ein. Es ist ein besonderer Tag, denn in den nächsten Stunden sollen mindestens acht Giraffen und knapp 30 Burchells-Zebras gefangen, verladen und anschließend durch den Nationalpark zum kommunalen Hegegebiet Ehirovipuka nördlich von Hobatere transportiert werden. Das Motorengeräusch des Hubschraubers nähert sich der Boma und die Anwesenden drängen sich aufgeregt an die Plas-tikplanen, um einen Schlitz zu finden, durch den sie die Tiere beobachten können. Am anderen Ende der Boma verstecken sich die erfahrenden Männer der privaten Wildfangmannschaft hinter den "Gardinen" an beiden Seiten des breiten Eingangs der Boma. Über den Wipfeln der Mopanebäume bewegt sich der Hubschrauber mal nach vorn, dann wieder rückwärts, nach links oder rechts, fliegt eine Kurve und steigt ein wenig höher. Dann rennen vier Giraffen durch die breite Öffnung in die Boma. Jeweils zwei Männer spurten von beiden Seiten los und ziehen die "Gardinen" zu. Andere treiben laut rufend die Tiere weiter in die Boma. Eine weitere Gardine unterteilt die Boma und schneidet den Weg zurück ab. Verängstigt suchen die Giraffen einen Weg aus der Falle und weg von den schreienden Männern mit Plastik-rohren. Die Tiere werden weiter getrieben, bis sie kurz vor einem Lastwagen im engen Ende der Boma stehen. Hier sind die Plastikplanen mit Wänden aus Stahl und Holz verstärkt und auch der Weg zurück mit einer verschiebbaren Wand verschlossen. Die Männer der Wildfangmannschaft, der inzwischen gelandete Pilot und Leiter des Unternehmens und der Tierarzt klettern auf die Wände hinter den Planen. Vorsichtig wird einer der jungen Giraffen ein Peilsender an einem Halsband über den Kopf gestülpt und am Hals angelegt. Mit Hilfe dieses elektronischen Gerätes soll die Giraffe zusammen mit ihren Artgenossen in ihrer neuen Heimat aufgespürt werden können.

Nun müssen die Tiere auf einen Spezialanhänger verladen werden. Gutes Zureden und Rufen hilft nichts. Ein Seil um das Hinterteil der Giraffen und etliche starke Männer sorgen aber schließlich dafür, dass jedes Tier einzeln in den Anhänger verfrachtet wird. Kurz darauf bringt Jannie du Preez die nächsten Tiere. Gegen 10 Uhr rollt der Lkw in Richtung Westen los.
Für die anwesenden Gäste ist die Fangaktion aber noch nicht abgeschlossen. Schnell bauen die Wildfänger die Laderampe um, da ein höherer Lastwagen vorgefahren wurde, der Zebras aufnehmen soll. Wieder erhebt sich der Hubschrauber in die Lüfte und treibt eine Familie von Burchells-Zebras über fünf Kilometer in die Boma. Wieder schließen sich die Gardinen, dann werden die Tiere weiter durch die sich verengende Boma in Richtung Laderampe getrieben. Die hinter ihnen schreienden Männer lassen die Zebras ohne großes Zögern direkt auf den Lkw laufen. Die Stahltüren schließen sich hinter den Tieren, die in kleinen Gruppen von vier bis sechs Zebras in den verschiedenen Abteilungen untergebracht werden. Nach der ersten Gruppe wird eine Stute wieder aus der Abgrenzung herausgeholt und von Tierarzt Dr. Jago mit Hilfe eines Pfeils betäubt. Knapp sieben Minuten dauert es, dann schläft das Tier und ihm kann ein Halsband mit Peilsender umgelegt werden. Dann wird ein Gegenmittel gespritzt, 70 Sekunden später steht die Stute wieder auf den Beinen.
Im Rahmen eines Projektes, bei dem die Wirtschaft in ländlichen Gebieten durch die nachhaltige Nutzung von Wildtieren angekurbelt werden soll, wurden in den vergangenen Monaten etwa 2500 Wildtiere von kommerziellen Wildfarmen und aus dem Etoscha-Nationalpark in kommunale Hegegebiete umgesiedelt. Zu diesem Zweck hatte die EU elf Millionen Namibia-Dollar zur Verfügung gestellt. Private Wildfänger hatten nach Ausschreibungen die Zuschläge erhalten, um Tiere auf kommerziellen Farmen zu fangen, die Wildfarmer zu vergüten und die Tiere in 23 verschiedene kommunalen Hegegebiete im ganzen Land zu bringen und dort auszusetzen. Das Ministerium für Umwelt und Tourismus stellte für einige Hegegebiete westlich des Etoscha-Nationalparks, die nördlich der roten Linie, dem Veterinärzaun liegen, 50 Giraffen und 300 Burchells-Zebras zur Verfügung. Ein Teil der Tiere wurde am 10. September dieses Jahres im Beisein vieler geladener Gäste gefangen und abtransportiert. 275 Elenantilopen, 535 Oryxantilopen, 280 Kuhantilopen, 275 Kudus und 880 Springböcke sollen zusammen mit den Giraffen und den Zebras bis Ende der Fangsaison Ende September umgesiedelt sein. Ministerin Nandi-Ndaitwah zufolge sind weitere Wildtranslokationen im nächsten Jahr geplant.
Etliche Einwohner von Ehirovipuka und alle Schüler der örtlichen Grundschule stehen am frühen Morgen des 11. Septembers auf einem Erdhügel, knapp 30 Meter von einem Speziallastwagen entfernt und warten aufgeregt, dass "ihre" Zebras freigelassen werden. Als das ers-te schwarzweißgestreifte Tier seinen Kopf aus dem Heck des Lkw steckt und argwöhnisch die neue Umgebung beobachtet, wagt fast niemand der Anwesenden zu atmen. Endlich läuft das erste Zebra die Rampe hinunter, gefolgt von den restlichen der ersten Gruppe. Unter lautem Jubel verschwinden die Tiere im Busch. Stammesführer Langman Muzuma ruft den Tieren in Oshiherero zu, dass sie sich zu dem in der Nähe gelegenen Wasser begeben sollen, da sie bestimmt durstig seien. In kürzester Zeit sind alle 27 Einhufer abgeladen und der Lastwagen macht sich umgehend wieder auf den Weg, um die restlichen 23 zu holen. Die acht Giraffen hatten die Nacht in einem aus Holzpfählen und Plastikplanen errichteten Gehege verbracht. Als der Ausgang geöffnet wird und die Wildfänger die Giraffen antreiben, stürmen sie an der langen Reihe Menschen vorbei in die Freiheit.

Umweltministerin Nandi-Ndaitwah und die EU-Botschafterin Dr. Pape ermahten die Gemeinschaft von Ehirovipuka, auf die Tiere zu achten, sie zu schützen und schließlich zu nutzen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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