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"Wir haben in keiner öffentlichen Bibliothek qualifizierte Kräfte"
"Wir haben in keiner öffentlichen Bibliothek qualifizierte Kräfte"

"Wir haben in keiner öffentlichen Bibliothek qualifizierte Kräfte"

WAZon: Frau Tötemeyer, Sie waren seit der Gründung des namibischen Bibliotheksrats (Namibia Library and Information Council) vor drei Jahren ein Vorstandsmitglied desselben. Jetzt wurde der zweite Bibliotheksrat eingesetzt und Sie sind nicht mit dabei - warum?

Tötemeyer: Ich habe mich kein zweites Mal für die Wahl zur Verfügung gestellt, weil ich zu viele andere Projekte habe. Und weil ich enttäuscht bin über einige Dinge, die Priorität hätten haben müssen, aber einfach nicht durchgesetzt werden konnten. Die Änderung der Gehaltsstrukturen für Bibliothekare beispielsweise. Die Ausbildung eines Bibliothekars in Namibia ist genau die gleiche wie die eines Lehrers: vier Jahre Studium nach dem Schulabschluss. Und doch bekommen die Bibliothekare sehr viel weniger bezahlt als Lehrer. So kann man keine guten Leute bekommen und behalten.

Viele meiner Studenten, die ich als Bibliothekare ausgebildet hatte, wurden vom Privatsektor abgeworben. Der bezahlt eben drei Mal so viel. Dadurch sind fast alle Bibliothekarsstellen im Regierungsdienst unbesetzt. Es gibt jetzt nur noch ein paar wenige erfahrene Kräfte in den öffentlichen Bibliotheken, die kurz vor der Pensionierung stehen und sich deshalb nicht verändern wollen. Das sind diejenigen, die im Moment noch die Bibliotheksdienste tragen. Wir haben - mit einer Ausnahme - in keiner der öffentlichen Bibliotheken Namibias qualifizierte Kräfte. Wenn wir die Gehaltsskala nicht verbessern, können wir bald einpacken.

WAZon: Was haben Sie in den drei Jahren als Vorstandsmitglied des Bibliotheksrates erreicht?

Tötemeyer: Ich war nur Öffentlichkeitssprecher und habe getan, was ich konnte. Wir haben die Posterkampagne "Visit your nearest Library" gestartet. Auf einem Poster hat da beispielsweise ein traditioneller Stammesführer gesagt: "Books help me to make informed decisions." Oder es gab das Poster dieser Großmutter, die mit ihren Enkelkindern unter einem Baum sitzt, mit einem Bilderbuch auf dem Schoß. Der Slogan: "Enjoy reading together." Da war auch ein Poster mit Frankie Fredericks und dem Slogan "Win the knowledge race with books."

Die Posterkampagne war mein erstes "Baby" als Sprecherin des Bibliotheksrates. Das zweite war ein 30-minütiger Dokumentarfilm - vier Menschen, die darüber sprechen, wie Lesen ihr Leben verändert hat. Ein junger Mann sagt in diesem Film: "I have become somebody." An dem Tag, als das Video veröffentlicht wurde, haben mir viele Leute gratuliert und gefragt: "Aber was, wenn nun alle in die Bibliotheken strömen und dann sind dort keine professionellen Kräfte, die sie bedienen können? Was haben wir dann erreicht?"

Da dachte ich: Naja. Der Bibliotheksrat soll den Minister beraten - aber wenn sich dort nichts bewegt, dann habe ich bessere Dinge zu tun. Wir haben Gesuch um Gesuch beim Minister eingereicht. Wir haben gefordert, dass die Bibliothekare nicht aus dem allgemeinen Gehaltstopf der Beamten bezahlt werden, dass sie als professionelle Kräfte angesehen werden, wie die Lehrer. Bibliothekar ist ein Beruf!

WAZon: Namibia hat rund 1700 Schulbibliotheken, 53 Öffentliche Büchereien, 17 Fachbibliotheken in Regierungsministerien und neben Nationalbibliothek und -archiv noch über zehn Bibliotheken an den Hochschulen. Ist das eine gute Bilanz?

Tötemeyer: Das hört sich gut an. Aber eigentlich müssten wir doppelt so viele öffentliche Büchereien haben. Doch immerhin: Zur Unabhängigkeit Namibias gab es nur 20, also wurde schon viel geschafft. Nur ist es noch nicht genug. In England gilt die Regel: Kein Mensch soll weiter als zehn Gehminuten zur nächsten Bibliothek haben.

WAZon: Gibt's Statistiken darüber, wie viel Namibias öffentliche Bibliotheken genutzt werden?

Tötemeyer: Ja, das Direktorat für Bibliotheksdienste sammelt und speichert die Statistiken, aber ich kenne sie nicht. Wir haben hier ein typisches Dritte-Welt-Phänomen: An den Nachmittagen sind die meisten Bibliotheken total überfüllt. Aber das sind Kinder, die mit ihren eigenen Schulbüchern reinkommen und mit denselben wieder hinausgehen - weil sie in der Hütte nicht in Ruhe lesen oder lernen können. Viele Kinder fassen die Bibliotheksbücher nicht mal an. Die Bibliothek ist Studierzimmer für viele - das ist keine Bibliotheksbenutzung, wie wir sie kennen.

WAZon: Sie sind eine der Initiatorinnen des jährlichen "Readathon", eines Lese-Marathons für Kinder und Schüler, der immer in der letzten Septemberwoche stattfindet. Was hat dieses Projekt für die Lesekultur Namibias bewirkt?

Tötemeyer: Einiges, glaube ich. Der Readathon wurde vom namibischen Kinderbuchforum initiiert, und zwar schon vor der Unabhängigkeit. Es hat ganz klein angefangen, bis immer mehr Schulen dran teilgenommen haben. Irgendwann wussten wir dann, jetzt können wir das der Regierung anbieten. Der Readathon hatte ein Stadium erreicht, in dem die Regierung nicht mehr hätte Nein sagen können, sonst hätte es einen öffentlichen Aufschrei gegeben. Heute - seit 2002 - ist der Readathon verpflichtend für die staatlichen Schulen, er ist Teil des jährlichen Lehrplanes.

Aber der Readathon ist kein Lesewettbewerb. Er soll Spaß machen. Die Schüler entwerfen Slogans, marschieren im Dorf herum mit Spruchbändern wie "Readers are Leaders", sie komponieren Readathon-Lieder, sie verkleiden sich wie Märchenfiguren, machen Theaterstücke. In dieser Woche können die Schulen auch Gelder sammeln für ihre Bibliotheken. Die bekommen ja sonst nur 20 bis 30 neue Bibliotheksbücher pro Jahr, wenn überhaupt. Wir haben meist tonnenweise Heftchen drucken lassen mit Readathon-Geschichten. Die Schüler sind in die Dörfer gegangen und haben den alten Leuten und Analphabeten vorgelesen und dann um Spenden für die Schulbibliothek gebeten.

Und Freitags, um Punkt zehn Uhr, ist der eigentliche Readathon. Da sitzen alle Kinder in Namibia und lesen. Da kann man in jeder Schule eine Nadel fallen hören können. Selbst die Putzfrauen, der Gärtner und der Schulleiter dürfen in dieser einen Stunde nichts anderes tun, als lesen...

Der Readathon ist ein Projekt, an das ich mit einem sehr guten Gefühl zurückdenke.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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