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"Wir wollen mit allen Deutschen reden, hier und in Deutschland"
"Wir wollen mit allen Deutschen reden, hier und in Deutschland"

"Wir wollen mit allen Deutschen reden, hier und in Deutschland"

Festus Muundjua, Ovaherero und Ovambanderu-Historiker, im Beruf Mitglied der Zentralen Personalkommission des Staates, hat die Aufforderung der AZ zu einem Beitrag in einem offenen Brief an den Redakteur und die Deutschen abgefasst:



Ich begrüße die Gelegenheit, einen kleinen Beitrag zum Gedenken zur Hinterlassenschaft des Kolonialkrieges von 1904-1907 zu leisten. Meine schlichte Botschaft zu diesem Teil unserer Geschichte, insbesondere an die "Nachfahren beider Seiten und wie sie mit der Überlieferung und dem Gedenken umgehen und was sie mit der Herausforderung anfangen, eine gemeinsame Zukunft in Namibia zu gestalten", ist wie folgt:

Sowohl die Herero als auch die Deutschen von heute müssen sich zuerst bemühen, festzustellen und zu verstehen, warum sie gekämpft haben und aus welchem Grund die Herero 1904 beschlossen haben, in den Krieg zu ziehen. Dazu kann man nicht einfach bei den Schüssen anfangen, die am 11. oder 12. Januar 1904 in Okahandja und in den verschiedenen Kämpfen danach gefallen sind.

Im Gegenteil man muss bis zur Berliner Konferenz von 1884/1885 zurückgehen, die Otto von Bismarck, oder Deutschland, einberufen hat, um den Imperialismus auf dem Kontinent Afrika amtlich zu etablieren, in dem die europäischen Nationen die Kolonien untereinander aufgeteilt haben.

Obwohl andere nichteuropäische Länder wie die USA und das zaristische Russland als "Beobachter" anwesend waren, blieben die Afrikaner total ausgegrenzt. Es ging um sie, aber ohne sie, da ihre Interessen weder zählten noch existierten.

Es war diese Konferenz, die die Enteignung der afrikanischen Länder ohne jegliche Vergütung entschied. Es war keine Konferenz zur Beendigung des Kolonialismus/Imperialismus sondern der Gründung desselben.

Die erste Gruppe der Kolonisten bestand aus Missionaren, die unter dem Vorwand der "Missionierung" und der "Zivilisierung" ankamen, um unter den "Heiden" und "Wilden" Afrikas tätig zu werden.

Dann kamen die Jäger und Händler, die bald verschiedene Kolonial-Administratoren nach sich zogen wie Gouverneure, Soldaten, Polizei und Bezirksamtmänner um - wie in unserem Fall - deutsche Interessen zu schützen.

Sie gingen sofort an den Landerwerb - für Land und mehr Land und Vieh von insbesondere den Herero, die dafür irgendetwas zwischen Nichts und einer mickrigen Abfindung zahlten. Rinder und Ländereien wechselten den Besitzer für Flaschen alkoholischer Getränke und durch List und betrügerische Mittel.

Hererorinder, die in sogenannten "deutschen Gebieten" weideten, wurden beschlagnahmt oder, wenn die Eigentümer das Vieh zurückforderten hatten, sie für jedes Stück zwei oder drei andere Tiere zu zahlen.

Ruchlose deutsche Händler luden ihre Handelsware bei den Heimstätten der Herero ab, ohne dass die letzteren aufgefordert wurden, darüber zu wachen. Wenn die deutschen Besitzer zurückkamen und feststellten, dass die Ware geplündert oder gestohlen war, wurden die Herero der Gehöfte dafür verantwortlich gehalten. Diese Praxis führte mitunter zur Beschlagnahmung gesamter Rinderherden oder eines Teils des Viehs der Herero - als "Schuldentilgung" oder als "Strafe für Diebstahl".

Hererofrauen wurden vergewaltigt oder, sollte diese Schilderung "zu stark" sein, sie wurden "sexuell missbraucht". Das Ergebnis waren viele gemischt-farbige Hererokinder, gezeugt von nymphomanisch gearteten deutschen Männern.

Die Herero hatten all diese und andere Misshandlungen und extreme Provozierung zu erdulden. Daher beschlossen sie, gegen die Deutschen in den Krieg zu ziehen.

Als ein Nachkomme des Hererovolkes, das durch den Vernichtungsbefehl des Generals Von Trotha im Namen der Deutschen des ehemaligen "Deutsch-Südwestafrikas" sowie des deutschen Volkes, leiden musste, lautet meine Botschaft an die Deutschen Namibias und in Deutschland wie folgt:

Wenn Sie mit der hässlichen Geschichte Ihrer Vorfahren nicht ins Reine kommen und versuchen, sich mit den Herero zu versöhnen, indem Sie das Verbrechen des Völkermords gestehen, eine Entschuldigung anbieten und über einen Kompromiss zur Wiedergutmachung für die Verluste der Herero verhandeln, was zu gunsten deutscher Empfänger in diesem hässlichen Krieg an Land, Vieh und so weiter ging, werden die Herero niemals zur Ruhe kommen und ihre legitime Forderung nicht ablegen, selbst wenn es noch 100 Jahre dauern würde, die Forderung zu stellen.

Sollten die Deutschen in Namibia und in Deutschland meinen, dass sie angensichts der relativ schwächeren Position, in der die Herero sich befinden, sich weniger um die Forderungen der Herero zu kümmern hätten, begilngen sie einen großen Fehler, den sie später bedauern würden.

Die Herero sind imstande, den Deutschen das Leben unbequem zu machen, mit der möglichen und prophezeibaren Auswirkung auf den Frieden und die Stabilität unseres Landes.

Da ich als friedliebender namibischer Herero diese Eventualität fürchte, schlage ich stets vor, dass zwischen Vertretern der Herero einerseits und den Deutschen von Deutschland und Namibia andererseits ein Dialog stattfindet.

Auf dem Weg dahin, sollten die Herero ihrerseits noch weitergehen und ihre Sache bis auf die Straße von Deutschland und zur deutschen Wählerschaft bringen, so dass diese Fragen auch Wahlkampfthemen in Deutschland werden, anstatt mit deutschen Botschaftern zu reden, die scheinbar nicht verstehen, was die Herero sagen und ihre eigene Regierung daher schlecht beraten.

Andernfalls müssen die Herero nach einer anderen Plattform Ausschau halten, um ihre Sache vorzutragen, wie wir es zu Zeiten von Chef Hosea Kutako und anderer Bittsteller bei den Vereinten Nationen getan haben.

Menschenrechtsaktivisten und Organisationen können sich in diesem Rahmen auch einbringen.

Das ist vorerst alles und mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Ich hoffe, Sie in Okakarara oder Ohamakari zu sehen.

Mit freundlichem Gruß

Festus U. Muundjua

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-16

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