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Wissenschaft, die Wissen schafft
Wissenschaft, die Wissen schafft

Wissenschaft, die Wissen schafft

Stefan Fischer
Das Kreuz-Kap ist jetzt nicht mehr dauernd bewohnt, wie früher, als hier in Massen Guano abgebaut wurde. Eine Reihe von Wellblechbuden, zum Teil „aus dem Leime“ gegangen, zeugt von der vergangenen Pracht. Jetzt wohnen nur noch, in dürftigen Pontoks untergebracht, einigen Eingeborene hier. Nur zur Zeit das Robbenschlags ist Leben hier, aber damals war Schonzeit, und so konnten wir glücklicherweise nicht Zeugen dieser - allerdings recht einträglichen - Schlächterei werden.

Der Strand ist überaus öde. Walfischknochen, Barten, namentlich Robbenskelette liegen in Massen herum. Letztere in immer größerer Anzahl, je mehr wir uns dem Kap nähern. Allen ist der Schädel am Ansatz des Nasenbeins zerschlagen. Die meisten sind unter den Strahlen der Sonne blütenweiß gebleicht, ein Zeichen, daß sie schon lange dort liegen mögen. Von Pflanzen ist kaum etwas zu spüren. Einige trockene Flechten an den umherliegenden Steinen, wie sie überall in der Namib zu finden sind, scheinen dieses Reich allein zu vertreten.

Etwa eine Stunde gingen wir, bis wir in die Nähe des Kaps gelangten. Hier schiebt sich der Fels weit hinaus ins Meer und fällt steil ab. Die Höhe wird kaum mehr als 15 m betragen. Der Abfall ist überall zerklüftet, und noch weit hinaus dehnen sich Reihen von Klippen. Hier sahen wir schon von weitem eine Menge dunkler unruhiger Punkte im Meer - die Köpfe der spielenden Robben. Beim Näherkommen stach uns ein Duft in die Nase, der lebhaft an den Zoologischen Garten erinnerte, und gleichzeitig erfüllte sich die Luft mit einem zitternden Geräusche, das aus Summen, Brummen, Blöken und Meckern zusammengesetzt schien. Und da, auf der Höhe der nächsten Bodenwelle, da sahen wir sie vor uns liegen, zu Tausenden auf dem Sande sich sonnend. Alte und Junge aller Größen.

Wir wandten uns nun etwas der landeinwärts gelegenen Höhe zu und fanden dort neben einem sehr rohen und hohen Holzkreuze eine Steinsäule mit einem viereckigen Kopfe und auf diesem ein schwarzes Steinkreuz mit schwer leserlicher altertümlicher Inschrift. Sie meldet in lateinischer Sprache unter Gebrauch vieler Abkürzungen, daß Diego Cao im Jahre 1485 diese Säule zu Ehren seines erhabenen und glorreichen Königs D. Joao II. von Portugal errichtete. Die Säule ist nicht mehr das stark verwitterte Original, sondern eine getreue Nachbildung, die unser Kaiser im Jahre 1894 an seiner Stelle hat aufstellen lassen. Die alte Säule befindet sich jetzt, vor völligem Untergang geschützt, in der Marine-Akademie in Kiel. Noch etwas weiter nach dem Lande zu steht die hohe Bake, die mit ihren riesigen beiden hölzernen Buchstaben „KK“ weiterhin den Seefahrern das Kreuz-Kap kenntlich macht.

Die Robben sind harmlose Tiere, die hier hingeschlachtet werden. Aber sie liefern ein ausgezeichnetes Fell. An die 1600 bis 1700 mögen jährlich solcher Felle ausgeführt werden. Es werden nur junge Exemplare geschlagen, die aber mindestens 0,5 m groß sein müssen. Die abgezogenen Felle werden an Ort und Stelle eingesalzen - das Salz wird aus einer Salzpfanne in der Nähe gewonnen - und dann gegen einen mäßigen Ausfuhrzoll verschickt, um zu Hause gespalten und präpariert zu werden. Der Wert der jährlich ausgeführten, rohen Felle beträgt etwas über 40000 Mark.

Als wir wieder an die Landungsstelle kamen, war es mittlerweile 3 Uhr geworden. Wir sahen eben ein Boot sich fertigmachen zur Abfahrt, aber kamen nicht mehr rechtzeitig. Und das war ein großes Glück. Der Wind war schärfer, die Brandung höher geworden. Und gerade diesem abgehenden Boote gelang es nicht, die Brecher zu vermeiden. Er geriet in den Hohlraum einer solchen enormen Brandungswoge, wurde wie ein Spielzeug umgedreht und unter der Flut vergraben. Nur unter äußerster Anstrengung aller am Lande sich befindlichen Leute war es möglich, das Boot umzukehren und die sich noch darunter befindlichen Leute hervorzuziehen. Das war besonders deshalb nicht so leicht, weil auf ihnen der ganze Bodenbelag des Bootes lastete und die immer von neuem heranrollenden Brecher das Boot immer wieder von neuem niederschlugen. Aber endlich gelang es doch, die Leute, zum Teil schon besinnungslos und mehr tot als lebendig, herauszuholen. Ich kann nicht gerade sagen, daß dieses Erlebnis uns besondern Mut gemacht hätte zur Rückfahrt. Aber was half’s? Hinüber mußten wir doch wieder! Und wir kamen auch, vorzüglich gesteuert, ohne jede Unbill wieder an Bord.

Dort feierten wir bei trefflichem Essen und einigen Flaschen Burgunder das Osterfest. Am Ostermontag blieben wir an Bord. Es war schwere See und überdies hatten ich furchtbar viel zu tun, mir die zur Seefahrt nötigen Instrumente, Seekarten usw. anzusehen. Dazu hatte ich im Kartenhaus reichlich Gelegenheit, Platz und freundliche Unterweisung. Und im übrigen feierten wir auch den zweiten Osterfeiertag mit Hühnerfrikassé, gutem Wein und anderen schönen Sachen. Abends stiftete der Kapitän ein Fäßchen frischen deutschen Bieres.

Den ganzen Tag wurde währenddessen noch Proviant gelöscht und am nächsten Morgen auch noch. Am Dienstagvormittag gegen 10 Uhr wurden die Anker gelichtet, und nach ruhiger Fahrt lagen wir gegen 5 Uhr auf der Reede vor Swakopmund.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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