Wissenschaft für die Gesellschaft
Die Situation in Südwestafrika/Namibia
Nachdem das südafrikanische Parlament am 4. September 1939 mit knapper Mehrheit die Neutralität des Landes abgelehnt und stattdessen beschlossen hatte, an der Seite Großbritanniens in den Krieg gegen Deutschland einzutreten, waren vor allem die vielen Deutschen, die im Mandatsgebiet Südwestafrika lebten, bald einer feindseligen Haltung seitens der Regierung in Pretoria ausgesetzt. Schon am 18. und 19. September 1939 wurden infolge der Kriegserklärung die ersten sieben deutschstämmigen Südwester interniert, denen viele weitere folgen sollten.
Das erste von Stacheldraht umzäunte Sammellager, das man im Gebäude der alten deutschen Funkstation in Windhoek einrichtete, erhielt von den dort Untergebrachten die Bezeichnung „Klein Danzig“. Mit dieser Namensgebung wollte man zum Ausdruck bringen, dass man sich wie in einem kleinen „Freistaat“ (entsprechend dem Vorbild der seit 1920 Freien Stadt Danzig) betrachtete, der von Feindesland umgeben war. Doch dieser Zustand dauerte nur bis zum 26. Juni 1940 an, dann wurden die Internierten nach Südafrika verbracht, wo sie mehrheitlich ins Lager Andalusia bei Kimberley kamen.
Die Tatsache, dass man das erste Lager in Windhoek ausgerechnet „Klein Danzig“ nannte, könnte aber auch damit zusammengehangen haben, dass sich unter den internierten Südwestafrika-Deutschen viele Ost- und Westpreußen befanden (etwa 150 von rund 1600 Personen), denn diese Volksgruppe stellte ohnehin einen nicht geringen Anteil an der Gesamtpopulation der deutschen Siedler im Lande.
Die ersten von ihnen kamen bereits Ende des 19. Jahrhunderts, meistens als Angehörige der Schutztruppe, von denen etliche später blieben, oder auch direkt als Farmer. Die nächste Gruppe folgte nach dem Ersten Weltkrieg und stammte zu einem großen Teil aus jenen Gebieten Westpreußens, die 1920 an den neu entstandenen polnischen Nationalstaat abgetreten worden waren. Viele mussten damals ihre Heimat verlassen, andere wollten nicht unter polnischer Herrschaft leben, und so suchten nicht wenige ein neues Zuhause in Übersee, wobei die ehemaligen deutschen Kolonien und hier insbesondere das von einer deutschen Farmerschaft geprägte Südwestafrika geradezu prädestinierte Auswanderungsziele bildeten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten schließlich weitere Ostpreußen, die ihre Heimat verloren hatten, aber im Westen Deutschlands auch keine Zukunft sahen, nach Südwestafrika ein. In jedem größeren Kreis deutschsprachiger Südwester, so hieß es einmal nach 1945, gebe es mindestens einen oder zwei Ostpreußen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen