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Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 11)

Wiebke Schmidt
Arzt und Krankenschwester haben alle Hände voll zu tun. Influenza, Durchfall, Geschlechtskrankheiten, Malaria, Typhus. So wie die Küstenstadt wächst, so schreit der Swakopmunder nach medizinischer Versorgung. Ein Krankenhaus muss her.

Es fängt recht harmlos an: Ein grippaler Infekt, glaubt man. Dann aber steigt das Fieber und auch nach vier Tagen ist keine Besserung in Sicht. Der Patient fühlt sich benommen, sein Pulsschlag verlangsamt sich, die Zunge färbt sich grau-weiß mit gerötetem Zungenrand und Zungenspitze. Ein breiartiger Durchfall kommt hinzu und kleinfleckige Rötungen zeigen sich auf der Bauchhaut. Anfangs diagnostiziert Stabsarzt Dr. Richter noch „Swakopfieber“, auch fällt der Verdacht auf Malaria, weil bei einigen Patienten dieser Krankheitserreger entdeckt wird. Nach weiteren Untersuchungen und Nachforschungen steht fest, es ist Typhus, „etwa durch Eisenbahnarbeiter vom Kap eingeschleppt“, informiert der Windhuker Anzeiger am 5. Januar 1899.

Das erste und zu dem Zeitpunkt einzige Lazarett-Zimmer in Swakopmund ist überbelegt, und auch die später angemieteten Räume reichen nicht mehr aus, die zunehmenden Gesundheitsgefahren bei der fieberhaften Ausbreitung der Stadt zu mindern. Ein ordentliches Krankenhaus fehlt. Der Entwurf im Jugendstil steht zwar bereits seit 1897, doch erst im Jahr 1901/1902 wird für das kaiserliche Gouvernement an der Ecke Lazarettstraße (der heutigen Anton-Lubowski-Straße) und der Bismarckstraße ein Militärlazarett gebaut. Fast schon zu spät. Die Typhus-Epidemie hat um sich gegriffen und fordert inzwischen eine Menge Todesopfer. Die Zeitung meldet am 15. Mai 1902, dass „allein vom 1. Januar bis 15. Mai insgesamt 31 Weiße an Typhus erkrankt waren, von denen zehn Kranke 14 Tage nach Ansteckung an den Begleitfolgen wie Lungenentzündung, Bronchialkatarrh und Bauchfellentzündung starben.“ Diejenigen, die es schaffen, brauchen bis zu acht Wochen, um sich von diesem umnebelten Geisteszustand wieder einigermaßen zu erholen.
Kaum steht das Bauwerk, muss schon erweitert werden. Es kommt ein Operationshaus hinzu, eine Isolierbaracke, weitere Zimmer, Waschküche und Leichenhaus. Sogar eine Badeeinrichtung für die Einheimischen wird gebaut, und Gleise für die Fäkalienabfuhr werden gelegt. Doch auch mit der Erweiterung ist es nicht getan. Sind es nicht Influenza-Epidemien, Lungenentzündungen bei den Molearbeitern, Typhus oder gar Fälle von Skorbut, die Oberarzt Dr. Jacobs zu verzeichnen hat, so notiert er in seinem Notizbuch: „Geschlechtskrankheiten nach wie vor erschreckend häufig.“ Laut Jahresbericht von 1904 leiden zwölf von 22 Krankheitsfällen an Syphilis.

Zurück zum Lazarett. Es gibt ja immer diese drei Lebensarten, die ewig ums Überleben kämpfen: Der Patient, das Krankenhauspersonal und die Bakterie. Während die Bakterie ihr Bestes gibt und gegen jeden Arzteingriff trickst, der Patient matt auf der Matratze liegt und auf den pflegenden Einsatz des Personals hofft, greift 1911 der Fiskus nach dem Grundstück. Nun muss das Personal bangen. Erst im Jahr 1913 kommt endlich die Rettung durch ein Darlehen vom Roten Kreuz, dessen Vorsitz Hildegard Seitz innehat, die Frau des Gouverneurs Dr. Theodor Seitz. Aus dem Militärkrankenhaus wird ein Erholungsheim für Familien und Kinder und erhält zu Ehren der Frau des Prinzen Rupprecht von Bayern den Namen „Maria-Gabriele-Prinzessin-Rupprecht-Heim“.
Kaum sind die Glückwünsche zur Eröffnung versiegt, hagelt es Proteste von den Wirten, die Konkurrenz und Umsatzeinbußen wittern. „Da hat doch das Heim soeben einen Passanten aufgenommen, einen Herrn, der am Montag mit dem „General“ hier ankam, zunächst in einem Hotel wohnte und dann ins Erholungsheim übersiedelte.“ Dabei sei bei der Einweihung ausdrücklich bemerkt worden, das Heim sei als ein Erholungsheim für Leute aus dem Innern gedacht, die sich keine Seereise leisten können und nicht etwa als Hotel für Durchreisende, wettert selbst die Zeitung. Ein Missverständnis wie sich herausstellt. Der Heimschwester sind die getroffenen Vereinbarungen bedauerlicherweise unbekannt geblieben. Sie denkt nichts Böses dabei und hält sich zur Aufnahme des betroffenen Gastes berechtigt.

Nach Klärung dieser Meinungsverschiedenheit läuft alles erstmal gut, bis sich die Besatzungsmacht 1915 zum „Plündern“ anmeldet. Mit einer Unterstützung seitens Deutschland kann nicht mehr gerechnet werden, doch Oberin Marie Douglas will dieses „Einsacken“ nicht kampflos hinnehmen. Die energische Krankenschwester fährt durch Swakopmund und fordert und sammelt die aus dem Heim entwendeten Möbel und das Inventar so gut sie kann wieder ein. 27 requirierte Betten rettet sie,… ohne Inhalt! 1917 wehrt sie sich gegen die Beschlagnahmung des Gebäudes und erhält dabei die hilfreiche Unterstützung des Ex-Gouverneurs Dr. Theodor Seitz, obwohl dieser eigentlich seit der Kapitulation bei Khorab im Jahr 1915 nichts mehr zu melden hat. Oberin Douglas schafft es und macht das Heim wieder funktionsfähig.

Neben Typhus, drohendem Pestausbruch und den Alliierten sorgt ein weiteres Übel beharrlich für bedrückte Gemütslagen. So alt wie Swakopmund selbst und schon damals im Lazarett ein übler Fall: der „Swakopmunder“! Dabei handelt es sich nicht etwa um einen hartnäckig zu pflegenden Einwohner, sondern um Durchfall. Vom brackigen Wasser aus dem Swakopflussbett verursacht, sorgt er für wiederkehrende Berichterstattung: „Große Anzahl der Erkrankung bei den Verdauungsorganen der Weißen.“

Auch Pastor Reimar Zeller habe angeblich ein Lied davon singen, bzw. beten können. Der Gemeindepfarrer für Swakopmund und Walvis Bay kommt 1956 nach Swakopmund. Es wird erzählt, die Gemeindemitglieder hätten ihm gleich nach seiner Ankunft geraten, das brackige Wasser nicht zu trinken, sondern lieber das köstliche Nass aus den Bohrlöchern des Kuisebriviers zu einem Tikkie die Galone zu kaufen. Die Eisenbahn bringt das Wasser per Tankwagen nach Swakopmund und stellt ihn am Endgleis ab. Dort holen die Swakopmunder sich ihre Wasserration. „Man musste sich allerdings beeilen, damit man nicht als Letzter in der Reihe stand und den Rest aus dem Tank bekam“, erinnert sich der Swakopmunder Adolf Brock, „der schmeckte nämlich fast genauso unappetitlich wie unser Brackwasser.“

Gaby Tirronen-Henrichsen erinnert sich, wie sie als Kind mit dem Bollerwagen Wasser holen muss. „Zuerst ging es zur Stadtverwaltung, dort holten wir Kinder uns für den Tikkie einen Coupon“, berichtet sie, „dann zogen wir den Bollerwagen durch den dicken Sand zum Tankwagen, wo wir gegen den Coupon die Kannen mit Wasser füllen ließen.“ Der Nachhauseweg entpuppt sich als besonders schwierig. „Nach Ostwind, wenn überall neu angewehte Sanddünen den Weg versperrten und wir völlig erschöpft zu Hause ankamen, durften wir uns noch eine Predigt anhören, weil zuviel Wasser aus der Kanne geschwappt war.“

Die Mahnrede an Pastor Zeller stößt auf taube Ohren. Zu mühselig? Zu teuer? So schlimm kann das Wasser nicht sein, wo doch die Münder der Kinder ständig an den Wasserhähnen hängen. Seine erste Amtshandlung soll eine Beerdigung gewesen sein. „Der Friedhof war noch karg, es wuchs ein bisschen Eiskraut und hier und da standen ein paar Tamarisken und kümmerlich wachsende Büsche. Auch die Pflanzen schienen das Brakwasser nicht sonderlich zu mögen“, teilt Gaby Tirronen-Henrichsen mit. „Als der Pastor am Grab seine Predigt hielt und feierlich des Verstorbenen gedachte, meldete sich plötzlich sein Magen und der Darm.“ Der Pastor sei immer unruhiger geworden, habe immer schneller und schneller das Vater Unser gesprochen. „Beim Amen flog der Talar und der Pastor floh hinter die nächste Tamariske.“

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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