Loading svg Please wait while we translate the article
  • Startseite
  • Geschichte
  • Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 15)

Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 15)

Wiebke Schmidt
Stillsitzen und zuhören! Schönschrift auf der Schiefertafel! Eselsmütze! Strenger Blick, Ohrfeige und Prügelstrafe! Vormittags Holzbank, nachmittags Hausaufgaben! Das klingt nicht verlockend, und da Anfang 1900 in Deutsch-Südwestafrika noch keine Schulpflicht herrscht, besucht kein Kind freiwillig in Swakopmund den Unterricht.
Sehr zum Leidwesen der Jugend gibt es immer irgendwo einen Menschen, der die Meinung vertritt, alle Kinder gehören auf die Schulbank. Dorfschullehrerin Lehrke bietet 1901 täglich zwei Stunden Privatunterricht zu 15 Mark pro Kind pro Monat an. Was für die Eltern zu teuer, kommt den Kindern gerade recht; sie schwänzen lieber. Frau Lehrke gibt auf. Lehrer Krause versucht im Jahr 1902 seine Ansicht mit Hilfe des Bezirksamts durchzusetzen. Kostenloser Unterricht soll locken. „Durch eine Bekanntmachung des Bezirksamts waren die Eltern schulpflichtiger Kinder ersucht worden, sich mit den Kindern gestern, am 5. März vormittags 9 Uhr im Schullokal (im Hause der 2. Messe) einzufinden. Bis 10 Uhr vormittags waren neun Kinder (drei Knaben und sechs Mädchen) im Alter von sechs bis 13 Jahren angemeldet. Der Unterricht ist unentgeltlich und es wäre recht zu wünschen, dass kein Kind davon zurückbliebe“, schreibt am 6. März des Jahres die Zeitung. Die Ausbildung liegt allerdings noch ganz im Belieben der Eltern. So dauert es noch eine Weile, bis Lehrer Krause ihre Einsicht gewinnt, dass Kinder nur mit einer guten Schulbildung weiterkommen. Dem Bezirksamt geht es allerdings nicht nur ums Einmaleins. Mit einem regelmäßigen Schulunterricht will man auch das gefährliche Herumtoben der Kinder in der „Schlucht“, dort wo Balken, Schienen und Kisten gestapelt liegen, wenigstens für ein paar Stunden unterbinden.
Richtig Pech hat die herumtollende Kinderschar im Jahr 1906, als sich die Regierung zum Schulzwang durchringt. Vorbei sind nun die unregelmäßig abgehaltenen Unterrichtsstunden. Vorbei sollen nun auch die ereignisreichen Vormittage am Strand sein? Es klappt nur bedingt. Auch in den späteren Jahren bleiben der Strand und besonders die Zollstation magischer Anziehungspunkt abenteuerlustiger Jungen und Mädchen. Trotz Verbots klettern sie weiter zwischen der Löschfracht und auf den Dächern der Zollschuppen umher. Adolf Brock kann ein Lied davon singen. Er ist (1936) mit zwei Kameraden unterwegs. Unter ihm kracht das Dach ein, er saust hinunter und bleibt mit gebrochenem Bein in den Trümmern liegen. „Ich musste recht lange vor Schmerzen die Zähne zusammenbeißen“, erinnert sich Brock, „der Schuppen war abgeschlossen und meine beiden Helden mussten erst Hilfe holen.“ Auf einer Bahre sei er von dort an allen Schaulustigen vorbei ins Antonius Krankenhaus getragen worden. „Sechs Wochen lag ich dort“, moniert Brock, „und das während der Schulferien.“ Was für ein Pech.
Einen Reinfall dürfen ebenfalls die Eltern erleben, denn von der Regierung ist doch nicht so viel zu erwarten wie versprochen. Mit der Pflicht kommt folglich die Notwendigkeit von Klassenzimmern hinzu. Plötzlich sind alle Behelfszimmer zu eng, und auch die Schulklasse am Leuchtturm mit anliegender Lehrerwohnung platzt aus allen Nähten. Anton Herlyn, der von der Regierung angestellte Schulleiter, wünscht dringendst ein stattliches Schulgebäude. Für einen Neubau stehen dem Regierungsbaumeister Otto Ertl als erste Rate 25.000 Mark zur Verfügung. Das war es dann auch, die zweite Rate bleibt aus. Mit der Einführung der Schulpflicht werden parallel Sparmaßnahmen verhängt, und das Kaiserreich lässt plötzlich keine weiteren Gelder mehr zu. Lokale Schulvereine sollen dafür aufkommen, beschließt das Kolonialamt. Weil auch aus Windhuk keine Unterstützung zu erwarten ist, muss auf diversen Bürgervereinstreffen der Hut herumgereicht werden. 30 Mark finden sich im Klingelbeutel wieder.
So verwahrlost der Rohbau – das heutige „Alte Amtsgericht“ –, und die Kinder quetschen sich vorerst weiter auf die Schulbänke in behelfsmäßigen Schullokalen, Beamtenwohnungen oder Militärbaracken der Schutztruppe.
Als dem Gouverneur Bruno von Schuckmann bei einer Durchreise durch Swakopmund die verkommene Ruine auffällt, veranlasst er unverzüglich die Gelder zu nutzen, die für eine Richterwohnung vorgesehen sind. Schulkinder haben jedoch keinen Einzug, das „Alte Amtsgericht“ wird vorerst eine Bezirksamts-Sommerresidenz. Unter der späteren südafrikanischen Mandatsregierung dient das Haus dann als Mädchenschülerheim und wird prompt vom Volksmund in „Jungfernschloss“ umgetauft. Heimliche Besucher nutzen die Feuerleiter an der Außenmauer als günstige Gelegenheit zum „Fensterln“. Erst als der Heimleitung der Besuch dieser gewissen ungebetenen Gäste auffällt, zieht man die Leiter hoch.
Auch wenn es mit dem „Alten Amtsgericht“ als Schule nicht geklappt hat, Bildung ist nun Pflicht, und bis auf die wenigen schulfreien Tage während eines Ostwindsturms im Jahr 1907 wird gebüffelt und Schwänzen getadelt. Leider setzt sich ein erlaubtes Fernbleiben vom Unterricht bei Ostwind in den nachfolgenden Jahren nicht durch. Es heißt, keine Zeit verlieren, schließlich sollen die Kinder ordentlich erzogen und ausgebildet werden. „Ich habe mir barfuß und in Shorts auf dem Weg zur Schule bei Ostwind immer meinen Atlas vor die Knie gehalten“, entsinnt sich Brock, „weil die feinen Sandkörner wie Nadeln auf der Haut gepiekst haben.“ Und wer erinnert sich nicht noch an Prüfungszeiten, an denen erst der Staub vom Papier gepustet werden musste, bevor man weiterschreiben konnte?
Nach der Gründung einer Schulgemeinde mit Schulvorstand werden immer mehr Schüler angemeldet. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder (6 bis 14 Jahre) steigt auf 65, und obwohl Swakopmund eigentlich als Durchreiseort gilt und sich das Schulsystem erheblich langsamer entwickelt als im Inland, trumpft die Küstenstadt im Laufe der Jahre mit verhältnismäßig vielen Schulen und Heimunterkünften auf. „1909 wird von Herrn Langenhorst unter Zugrundlegung des norddeutschen Lehrplans eine Realschule mit den Klassen Sexta, Quinta und Quarta eröffnet“, ruft der ehemalige Bürgermeister Jörg Henrichsen 1988 in Erinnerung. „Eine Untertertia folgt, und um den vollen Lehrplan, der bis zum Abitur führt, in die Tat umzusetzen, ist der Bau einer höheren Schule notwendig geworden.“
Den Ausschreibungswettbewerb gewinnt Heinrich Ziegler von der Firma Metje & Ziegler. Gegenüber des Pastorats und der evangelischen Kirche wird am 22. Februar 1913 der Grundstein gelegt, und unter der Leitung von Dr. E. Wahlberg und Herrn Herlyn wird 1913 die „Swakopmunder Höhere Schule“ vollendet.
Der Erste Weltkrieg zwingt zur „großen Pause“. Rektor Herlyn wird mit seinen Schülern für ein knappes Jahr nach Karibib evakuiert. Erst 1915 kehrt in Swakopmund wieder Leben ein. Zu allem Übel wirft die Mandatsregierung 1922 die Deutschen aus den Klassenräumen. Provisorisch hält erst einmal das Willsche Haus als Schule her (heute Hotel Eberwein), dann werden die ersten drei Klassen in der Kaserne untergebracht. Die deutschsprachigen Einwohner können wegen finanzieller Not ihre Privatschule nicht halten und müssen den Schulverein 1930 der Administration überlassen. Ein langes Gerangel folgt: Mal heißt es ja, mal nein zu Deutsch. Einst städtische Realschule, dann „Primary School“. Von Reformrealgymnasium zur Swakopmund High School. Erneuter Versuch als Deutsche Schule/Oberschule, bis das Gebäude 1997 endgültig den Namen „Namib High School“ bekommt.


Bilder
S. 70 (oben) Der Grundstein der neuen Schule wird 1913 gelegt. Anfangs heißt sie Swakopmunder Höhere Schule, dann wird sie die städtische Realschule, später Primary School, Swakopmund High School, Deutsche Oberschule und nach der Unabhängigkeit bekommt sie den Namen „Namib High School“. (Foto: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft)
S. 70 (unten) Das Alte Amtsgericht sollte die erste Schule werden. Die Postkarte erinnert spöttisch daran, dass die zweite Rate für den Weiterbau ausblieb. „Auskunft erteilt kostenlos der hohe Reichstag in Berlin“, steht umgekehrt geschrieben. (Foto: Wissenschaftliche Gesellschaft Swakopmund)
S. 71 Mit der Schulpflicht entsteht auch die Sorge um die Betreuung der Kleinkinder. Der Georg Ludwig Kindergarten wird gegründet. Gespielt wird am Strand im größten Sandkasten der Welt. (Foto: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft)
S. 73 Der erste Schulleiter, Anton Herlyn, mit seiner Schülerschar. (Foto: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft)


Kirsten Kraft, Kopfsalat, Padlangs Publication, Swakopmund, History, Stories


Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

Katima Mulilo: 23° | 38° Rundu: 24° | 35° Eenhana: 23° | 35° Oshakati: 25° | 34° Ruacana: 24° | 35° Tsumeb: 22° | 33° Otjiwarongo: 20° | 32° Omaruru: 22° | 36° Windhoek: 21° | 33° Gobabis: 23° | 34° Henties Bay: 15° | 19° Swakopmund: 15° | 16° Walvis Bay: 14° | 23° Rehoboth: 21° | 34° Mariental: 21° | 36° Keetmanshoop: 18° | 36° Aranos: 22° | 36° Lüderitz: 15° | 26° Ariamsvlei: 18° | 36° Oranjemund: 14° | 22° Luanda: 24° | 25° Gaborone: 22° | 36° Lubumbashi: 17° | 34° Mbabane: 18° | 32° Maseru: 15° | 32° Antananarivo: 17° | 29° Lilongwe: 22° | 35° Maputo: 22° | 36° Windhoek: 21° | 33° Cape Town: 16° | 23° Durban: 20° | 26° Johannesburg: 18° | 33° Dar es Salaam: 26° | 32° Lusaka: 22° | 36° Harare: 20° | 31° #REF! #REF!