Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 19)
1905: Die Schutzherrschaft über Deutsch-Südwestafrika liegt in den Händen des Deutschen Reichs. Das kleine, betriebsame Örtchen Swakopmund genießt einen Aufschwung. ’Zig Dampfer liegen auf Reede, an Land stapeln sich die Güter, überall Schutztruppe, Geschäftsleute, Handwerker, Händler, Arbeiter und Beamte. Die Hotelbesitzer haben Hochkonjunktur.
Friseurmeister Paul Miersch will eigentlich einen schicken, neuen Friseursalon eröffnen. Er erwirbt am 5. Juni 1905 das doppelstöckige Gebäude in der Schluchtstraße (später Post- und heute Daniel-Tjongarero-Straße). Seiner „geneigten Kundschaft“ teilt er per Anzeige mit, dass er sein Geschäft dorthin verlegt habe. Weil er aber in der zweiten Etage so viele Zimmer übrig hat, entschließt sich Miersch, diese zu vermieten. Es dauert nicht lange, da legt der Friseur Schere und Kamm beiseite und wendet sich ganz dem Gastgewerbe zu. Eine gute Wahl, denn in Swakopmund ist die Nachfrage nach Unterkunft groß. Innerhalb eines Jahres war die Einwohnerzahl von 653 auf 1433 Personen angestiegen. Der Aufschwung hält an. 100 Neubauten kommen hinzu, und plötzlich sind es schon 2800 Bürger. Der neue Hotelier baut um, damit er noch mehr Gäste unterbringen kann und nennt sein Gasthaus „Hansa Hotel“, was im übertragenem Sinn so viel wie „Treffpunkt für Reisende im Hafen der Kolonie“ bedeutet.
Mit Miersch als Besitzer „überlebt“ das „Hansa Hotel“ den Ersten Weltkrieg. Lediglich vier Tage bleiben während dieser harten Zeit die Türen für die Öffentlichkeit geschlossen. 1934 verkauft Miersch an einen gewissen Herrn Hebert, der 16 weitere Jahre die Gäste bewirtet. Er hätte bestimmt weitergemacht, wenn ihm nicht nach einer Europareise plötzlich die Einreise verwehrt worden wäre. Ihm wird nachgesagt, eine Vorliebe für Rohdiamanten gehabt zu haben. Zwangsläufig verkauft seine Frau 1950 das Hotel an einen Herrn Schneider. Dieser bleibt nicht lange. Schon vier Jahre später erwirbt das Ehepaar Gustav und Elisabeth Rummel das Hotel. Das Rummel-Ehepaar sorgt für einen gewaltigen Aufschwung. Elisabeth legt besonderen Wert auf die Inneneinrichtung, und Gustavs kulinarischer Gaumen trägt zum Erfolg bei. Das Hotel wird vergrößert und verschönert und erhält einen Luxusstatus.
Es wird erzählt, dass zur gleichen Zeit, als ein frisch verheiratetes Ehepaar seine Flitterwochen im „Hansa Hotel“ verbrachte, ein portugiesischer Kapitän auf demselben Flur wohnte. Es sei zu jener Zeit gewesen, als die Zimmer noch nicht mit eigenem Bad ausgestattet waren und die Gäste sich das Badezimmer auf dem Flur teilten. Eines Abends soll der Ehemann unter Bauchschmerzen gelitten haben. Weil er so im Schlaf stöhnte, wollte seine Frau seine Krämpfe mit einem Klebe-Wärmepflaster lindern. Leise sei sie ins Bad geschlichen, um dort das Pflaster in einem Warmwasserbad zu erhitzen. Zurück im Zimmer tastete sie sich im Dunkeln an den Mann heran, zog ihm sanft die Decke weg, schob ihm den Schlafanzug nach oben und klebte das Pflaster auf den Bauch. Schlaftrunken bedankte sich ihr Patient, allerdings auf Portugiesisch. Erschrocken merkte die Frau, dass sie sich im Zimmer geirrt hatte. Fluchtartig und so leise sie konnte, verließ sie den Raum.
Am anderen Morgen hatte sämtliches Hansa-Personal anzutreten. „Wer war das?“ Der Kapitän fluchte und schimpfte, denn das Heilpflaster ließ sich nicht so einfach entfernen. Mit einem heißen Bad versuchte man den Klebstoff aufzuweichen, doch das Pflaster blieb hartnäckig auf der Haut kleben. Plötzlich, ein Schmerzensschrei! Mit einem Ruck sei dem Kapitän das Pflaster vom Bauch gerupft und dabei auch ein Teil seiner Bauchhaare epiliert worden. Was für ein Ärgernis in dem so noblen Hotel. Wer für die Enthaarungskur verantwortlich war, bleibt lange ein Rätsel.
Im Jahr 1968 kommt Gustav Rummel bei einem Flugzeugabsturz bei Windhoek ums Leben. Um den Verlust zu verschmerzen, setzt sich die Witwe jetzt erst recht für die Erfüllung der gemeinsamen Träume ein. Unterstützung erhält sie wenig später von Hans-Joachim Scheithauer. Sie heiraten und gemeinsam macht das Paar aus dem „Hansa Hotel“ ein Domizil besonderer Art. 1988 übernehmen Herr Neubert und das Ehepaar Kühle, und vier Jahre später wechselt das Hotel mit Eric Lang und seiner Frau Gerdi noch einmal seine Hausherren.
Über ein Jahrhundert zieht das „Hansa Hotel“ interessante und illustre Reisegäste an. Jäger, Abenteurer, Siedler, Händler, Missionare und … Paul Graetz, der Erste, der Afrika mit dem Auto durchquert, geben sich dort die Klinke in die Hand. Graetz bekommt an der Rezeption sogar ein Telegramm vom Kaiser überreicht: „Gut gemacht, Paul!“
Viele, die Rang und Namen haben, beehren das Haus. Es tragen sich Prinzen, Könige, Botschafter und Schauspieler wie Walter Giller oder Goetz George ins Gästebuch ein. Der Playboy Gunter Sachs feiert dort Silvester. Die inzwischen verstorbenen Milliardäre Anton Rupert und Aristoteles Onassis lassen sich dort verwöhnen. Bud Spencer bestellt zum Nachtisch „seine Portion Pfirsich Melba“. „Das waren zwölf Kugeln Eis in einer Salatschüssel serviert“, wird vertraulich aus der Küche geplaudert. Und Manfred Krug beschwert sich im Gästebuch schmunzelnd: „Habe in Swakopmund im Hansa zwei Kilo zugenommen; verdammt, bin froh, dass ich langsam wieder wegkomme.“
Ist das Hotel der Luxusklasse nur für gut betuchte und berühmte Kunden reserviert? Eigentlich nicht, dennoch leiden manche unter Schwellenangst. Es wird behauptet, dass sogar manch alteingesessene Swakopmunder das Haus noch nie betreten haben. Zuviel „Chic“? „Der Opa ist da nicht hingegangen, der Vater ist da nicht hingegangen, da geh ich dann auch nicht hin.“
Das ist schade, denn das „Hansa Hotel“ hat sich in all den Jahren in einen Ort der Verzauberung, eine Oase in der Wüste, eine Noblesse alten Adels entwickelt. Sonntags liegt neben dem „Telleressen“ keine Papier-, sondern eine gestärkte weiße Stoffserviette. „Es hat eine Seele“, behauptet der Geschäftsführer Stefan Wacker. Das Haus braucht nicht bescheiden zu sein, allein schon weil es in Swakopmund das einzige in seiner Größe ist, das so viele Jahre auf dem Buckel hat. Hotel Eggers, Hotel zum Fürsten Bismarck, Hotel Germania, Central Hotel, der Hamburger Hof, das Hohenzollernhaus, Kronprinz, Tivoli, Zum kühlen Strande, keines dieser Hotels hat sich bis in die heutige Zeit gehalten. „Der Erfolg beruht auf zwei Faktoren: Ausgewähltes Personal und die exzellente Küche“ wird 2005 bei der 100-Jahrfeier gelobt. Über 40 Jahre hat „Chefe“ Reinhold Mertens die Küche geleitet und mit den jeweiligen Eigentümern das Hotel zu dem gemacht, was es heute ist: Eine vorzügliche Kombination aus historischem Erbe, Schönheit, Stil und vortrefflicher Küche.
Friseurmeister Paul Miersch will eigentlich einen schicken, neuen Friseursalon eröffnen. Er erwirbt am 5. Juni 1905 das doppelstöckige Gebäude in der Schluchtstraße (später Post- und heute Daniel-Tjongarero-Straße). Seiner „geneigten Kundschaft“ teilt er per Anzeige mit, dass er sein Geschäft dorthin verlegt habe. Weil er aber in der zweiten Etage so viele Zimmer übrig hat, entschließt sich Miersch, diese zu vermieten. Es dauert nicht lange, da legt der Friseur Schere und Kamm beiseite und wendet sich ganz dem Gastgewerbe zu. Eine gute Wahl, denn in Swakopmund ist die Nachfrage nach Unterkunft groß. Innerhalb eines Jahres war die Einwohnerzahl von 653 auf 1433 Personen angestiegen. Der Aufschwung hält an. 100 Neubauten kommen hinzu, und plötzlich sind es schon 2800 Bürger. Der neue Hotelier baut um, damit er noch mehr Gäste unterbringen kann und nennt sein Gasthaus „Hansa Hotel“, was im übertragenem Sinn so viel wie „Treffpunkt für Reisende im Hafen der Kolonie“ bedeutet.
Mit Miersch als Besitzer „überlebt“ das „Hansa Hotel“ den Ersten Weltkrieg. Lediglich vier Tage bleiben während dieser harten Zeit die Türen für die Öffentlichkeit geschlossen. 1934 verkauft Miersch an einen gewissen Herrn Hebert, der 16 weitere Jahre die Gäste bewirtet. Er hätte bestimmt weitergemacht, wenn ihm nicht nach einer Europareise plötzlich die Einreise verwehrt worden wäre. Ihm wird nachgesagt, eine Vorliebe für Rohdiamanten gehabt zu haben. Zwangsläufig verkauft seine Frau 1950 das Hotel an einen Herrn Schneider. Dieser bleibt nicht lange. Schon vier Jahre später erwirbt das Ehepaar Gustav und Elisabeth Rummel das Hotel. Das Rummel-Ehepaar sorgt für einen gewaltigen Aufschwung. Elisabeth legt besonderen Wert auf die Inneneinrichtung, und Gustavs kulinarischer Gaumen trägt zum Erfolg bei. Das Hotel wird vergrößert und verschönert und erhält einen Luxusstatus.
Es wird erzählt, dass zur gleichen Zeit, als ein frisch verheiratetes Ehepaar seine Flitterwochen im „Hansa Hotel“ verbrachte, ein portugiesischer Kapitän auf demselben Flur wohnte. Es sei zu jener Zeit gewesen, als die Zimmer noch nicht mit eigenem Bad ausgestattet waren und die Gäste sich das Badezimmer auf dem Flur teilten. Eines Abends soll der Ehemann unter Bauchschmerzen gelitten haben. Weil er so im Schlaf stöhnte, wollte seine Frau seine Krämpfe mit einem Klebe-Wärmepflaster lindern. Leise sei sie ins Bad geschlichen, um dort das Pflaster in einem Warmwasserbad zu erhitzen. Zurück im Zimmer tastete sie sich im Dunkeln an den Mann heran, zog ihm sanft die Decke weg, schob ihm den Schlafanzug nach oben und klebte das Pflaster auf den Bauch. Schlaftrunken bedankte sich ihr Patient, allerdings auf Portugiesisch. Erschrocken merkte die Frau, dass sie sich im Zimmer geirrt hatte. Fluchtartig und so leise sie konnte, verließ sie den Raum.
Am anderen Morgen hatte sämtliches Hansa-Personal anzutreten. „Wer war das?“ Der Kapitän fluchte und schimpfte, denn das Heilpflaster ließ sich nicht so einfach entfernen. Mit einem heißen Bad versuchte man den Klebstoff aufzuweichen, doch das Pflaster blieb hartnäckig auf der Haut kleben. Plötzlich, ein Schmerzensschrei! Mit einem Ruck sei dem Kapitän das Pflaster vom Bauch gerupft und dabei auch ein Teil seiner Bauchhaare epiliert worden. Was für ein Ärgernis in dem so noblen Hotel. Wer für die Enthaarungskur verantwortlich war, bleibt lange ein Rätsel.
Im Jahr 1968 kommt Gustav Rummel bei einem Flugzeugabsturz bei Windhoek ums Leben. Um den Verlust zu verschmerzen, setzt sich die Witwe jetzt erst recht für die Erfüllung der gemeinsamen Träume ein. Unterstützung erhält sie wenig später von Hans-Joachim Scheithauer. Sie heiraten und gemeinsam macht das Paar aus dem „Hansa Hotel“ ein Domizil besonderer Art. 1988 übernehmen Herr Neubert und das Ehepaar Kühle, und vier Jahre später wechselt das Hotel mit Eric Lang und seiner Frau Gerdi noch einmal seine Hausherren.
Über ein Jahrhundert zieht das „Hansa Hotel“ interessante und illustre Reisegäste an. Jäger, Abenteurer, Siedler, Händler, Missionare und … Paul Graetz, der Erste, der Afrika mit dem Auto durchquert, geben sich dort die Klinke in die Hand. Graetz bekommt an der Rezeption sogar ein Telegramm vom Kaiser überreicht: „Gut gemacht, Paul!“
Viele, die Rang und Namen haben, beehren das Haus. Es tragen sich Prinzen, Könige, Botschafter und Schauspieler wie Walter Giller oder Goetz George ins Gästebuch ein. Der Playboy Gunter Sachs feiert dort Silvester. Die inzwischen verstorbenen Milliardäre Anton Rupert und Aristoteles Onassis lassen sich dort verwöhnen. Bud Spencer bestellt zum Nachtisch „seine Portion Pfirsich Melba“. „Das waren zwölf Kugeln Eis in einer Salatschüssel serviert“, wird vertraulich aus der Küche geplaudert. Und Manfred Krug beschwert sich im Gästebuch schmunzelnd: „Habe in Swakopmund im Hansa zwei Kilo zugenommen; verdammt, bin froh, dass ich langsam wieder wegkomme.“
Ist das Hotel der Luxusklasse nur für gut betuchte und berühmte Kunden reserviert? Eigentlich nicht, dennoch leiden manche unter Schwellenangst. Es wird behauptet, dass sogar manch alteingesessene Swakopmunder das Haus noch nie betreten haben. Zuviel „Chic“? „Der Opa ist da nicht hingegangen, der Vater ist da nicht hingegangen, da geh ich dann auch nicht hin.“
Das ist schade, denn das „Hansa Hotel“ hat sich in all den Jahren in einen Ort der Verzauberung, eine Oase in der Wüste, eine Noblesse alten Adels entwickelt. Sonntags liegt neben dem „Telleressen“ keine Papier-, sondern eine gestärkte weiße Stoffserviette. „Es hat eine Seele“, behauptet der Geschäftsführer Stefan Wacker. Das Haus braucht nicht bescheiden zu sein, allein schon weil es in Swakopmund das einzige in seiner Größe ist, das so viele Jahre auf dem Buckel hat. Hotel Eggers, Hotel zum Fürsten Bismarck, Hotel Germania, Central Hotel, der Hamburger Hof, das Hohenzollernhaus, Kronprinz, Tivoli, Zum kühlen Strande, keines dieser Hotels hat sich bis in die heutige Zeit gehalten. „Der Erfolg beruht auf zwei Faktoren: Ausgewähltes Personal und die exzellente Küche“ wird 2005 bei der 100-Jahrfeier gelobt. Über 40 Jahre hat „Chefe“ Reinhold Mertens die Küche geleitet und mit den jeweiligen Eigentümern das Hotel zu dem gemacht, was es heute ist: Eine vorzügliche Kombination aus historischem Erbe, Schönheit, Stil und vortrefflicher Küche.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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