Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 2)

Hauptmann Curt von Francois findet den ersten Brief im September 1892, als er mit seinen Männern einen geeigneten Landeplatz und Hafen für die Kolonie Deutsch-Südwestafrika sucht. Er kommt an einem Holzstamm vorbei, umringt von massenweise Schwemmholz und Walfischrippen. Bei näherer Untersuchung findet er in der Spalte eines hochstehenden Astes ein Stück Papier mit folgender Aufschrift: „Ein deutsches Kriegsschiff, das im Februar 1892 die Landungsmöglichkeit erforschte, hat dem kleinen Landkommando einen Gruß hinterlassen.“ Sieben Monate trotzte dieser Gruß jedem Wetter.„Sie sorgen für zwei Pferde, damit sie morgen in der Früh nach Walvis Bay reiten können“, befiehlt Hauptmann von Francois dem Schutztruppler Heinrich Gathemann noch am selben Tag im September 1892. Gathemann schreibt in sein Tagebuch: „Dann überhändigte er mir eine Menge Post. Es war gerade eine Last für ein Packpferd und er sagte: ‚Die Post wird dem Kaufmann S. persönlich übergeben, er soll dafür sorgen, dass sie mit dem nächsten Boot zum Konsulat nach Kapstadt befördert wird‘.“Von jenem Tag an geht in Swakopmund „die Post ab“. Ab dem 30. Mai 1895 darf sich die stetig wachsende Küstenstadt sogar mit einer eigenen Postagentur rühmen. Kaufmann Otto Erhard von der Firma Erhard & Schulz erklärt sich bereit, neben seiner kaufmännischen Tätigkeit auch noch den Schriftverkehr zu sortieren. Ist die Post geordnet und abholbereit, hisst er am Haus der Siedlungsgesellschaft die Reichsflagge und kündigt die „Schalterstunde“ mit einem Pistolenschuss an.Die Briefe ins Inland befördern die Ochsenwagen. Bis 1893 schaukeln sie sogar auf Kamelrücken die 365 Kilometer nach Windhuk. Eilpost übernimmt ein Postbote. Der damalige Briefträger Deutsch-Südwestafrikas trägt im Dienst einen gespaltenen Ast über der Schulter. An einem Ende klemmt die Post im schwarz-weiß-roten Leinensack. Vorne balanciert er eine Wasserkalebasse. Neben dem rund 17 Kilogramm schweren Postsack muss er seinen Proviant (Fleisch, Reis, Zucker, Kaffee, Tabak und Streichhölzer) mitschleppen. Gute elf bis zwölf Tage dauert sein Dienstlauf von Swakopmund nach Windhuk, den er gewissenhaft und im Dauerlauf zurücklegt. Im Jahr 1894 stationiert man sogar einen Wechselboten in Otjimbingwe, der kleinen Ansiedlung am Swakoprivier (von 1885 bis 1891 Verwaltungssitz und Hauptstadt Deutsch-Südwestafrikas) und verringert somit die Laufzeit auf acht Tage. Verglichen mit dem Ochsenwagen ist das eine Rekordzeit und sogar schneller als heutzutage der Schriftverkehr den Weg mit dem staatlichen Unternehmen Nampost (Namibia Post) in die Postfächer findet, …wenn überhaupt.Freilich erreicht auch damals nicht jeder Brief seinen Adressaten, auch wenn die Post als unantastbar, ja sogar als fast „heilig“ angesehen und dementsprechend behandelt wird. Überall lauern Gefahren. Ist es nicht ein Löwe, der seinen Weg kreuzt, dann ist es während des Krieges ein Gegner, der dem Postboten den Postsack abspenstig macht, weil darin verdächtige Schriftstücke vermutet werden. Wie bedeutungsvoll der Schriftverkehr ist, beschreibt Rechtsanwalt und Redakteur Georg Wasserfall in seiner Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung (früher Windhuker Anzeiger), als er am 13. November 1901 über den Brand im Haus der Siedlungsgesellschaft berichtet. „Da man erwarten durfte, dass die oben lodernden Flammen in kürzester Frist das ganze Haus ergreifen würden, galt es zunächst die Post, wertvolle Apparate für den Telegraphen- und Fernsprechverkehr in Sicherheit zu bringen.“ Kurz darauf sorgt ein weiteres Ereignis im Posttransport für Aufsehen. Wasserfall berichtet Anfang Dezember 1901, dass „ein leichtbeschwingter Fußgänger ganz außer Atem die Postagentur in Swakopmund erreichte“. Er habe sich mit seinem Postsack auf dem Weg nach Cape Cross befunden, als plötzlich ein Unbekannter auf ihn geschossen habe. In Panik sei er geflohen und habe aus Angst seine Fracht zurückgelassen. In dem Postsack sei eine Geldsendung von circa 1000 Mark gewesen. Eine Patrouille macht den unversehrten Postsack ausfindig und stellt einen europäischen Frevler. Dieser Vorfall sorgt für so viel Aufregung, dass Wasserfall sich am 20. Februar 1902 in seiner Zeitung gesondert und recht intensiv mit dem Gerichtsfall unter der Überschrift „Weiß oder Schwarz“ befasst. Zurück zu den Schalterstunden. Emil Henrichsen, ebenfalls bei Erhard & Schulz tätig, versieht nebenbei auch ehrenamtlich den Postdienst. Er hat alle Hände voll zu tun und muss eine Menge Überstunden machen; allein im Mai 1905 gehen 137000 Briefe über seinen Tisch. Kaum ist die Ladung vom Schiff gelöscht, nerven die Einwohner den beschäftigten Mann mit der ständigen Frage: „Ist ein Brief für mich dabei?“ Wie soll man sich da noch auf die Arbeit konzentrieren?Henrichsen eröffnet seine Schalterstunde nicht mit einem Pistolenschuss. Es wird erzählt, dass der Kaufmann gegen Nachmittag die Post sortierte, dann den Damaraturm am Woermannhaus hochkletterte und mit seiner Trompete ein Ständchen blies. Die Post sei abholbereit und könne gegenüber im Hotel zum Fürsten Bismarck „begossen“ werden. Denn ob gute, schlechte oder gar keine Nachricht, die Trompete habe gleichzeitig eine feuchtfröhliche Runde an der Theke angekündigt. Endlich Feierabend.1906 unterzeichnen der Gouverneur und die Gebrüder Adolf und Heinrich Bause den Bauvertrag für das neue Postgebäude, angeblich mit der Bedingung, nicht vom Plan abzuweichen. Nur gesundes, trockenes Holz dürfe verwendet werden, und nur qualifizierte Fachleute dürften die Arbeiten an dem Prunkbau ausführen. Da soll es angeblich nachträglich Ärger gegeben haben, als der Ostwind einen Teil des Daches abhebt. Man sagt, weder die Regierung noch die Post habe die Verantwortung für die Reparatur tragen wollen.Aber am 1. April 1907 ist das Gebäude dennoch einzugsbereit. Die Post zieht in das stattlichste Gebäude im ganzen Schutzgebiet. Eine Vorzeigevilla mit wahrhaft tüchtiger Dienstleistung. Swakopmunds Post darf sogar mit der Verschickung des ersten Luftpostbriefes prahlen. Den nimmt am 14. Mai 1914 der Flieger Büchner mit einem Doppeldecker der Firma Rudolph Hertzog (Berlin) nach Usakos mit.Im Jahr 1967 siedelt die Post nach nebenan in ein moderneres Gebäude über. Trotzdem wird bis 2011 immer noch in dem alten feudalen Gebäude die Post sortiert, allerdings nur noch der ein- und ausgehende Schriftverkehr der Swakopmunder Stadtverwaltung. Was in Zukunft mit dem eindrucksvollen Bauwerk geschieht, steht in den Sternen. Die Stadtverwaltung sucht einen Käufer und bis dieser gefunden wird, verkommt das Gebäude trotz eines städtischen „Ästhetik-Komitees“ langsam.

Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 2)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-15

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Allgemeine Zeitung 2024-11-15

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