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Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 22)

Wiebke Schmidt
Wer heutzutage Geschäftsanliegen zu besprechen hat, trifft sich unter anderem vor den Toren Swakopmunds am Rossmund Golfplatz zu einer Partie Golf. In den Anfangsjahren sind Rasenflächen jedoch eine Rarität, dafür bietet die idyllische Küstenstadt jede Menge Holzflächen in Form von Theken. Die Verabredung endet erfahrungsgemäß in der Horizontalen – manchmal sogar im Antonius Krankenhaus.

Swakopmunds Frischwasser, welches mühsam aus dem Swakoprivier in Rollfässern in die Ortschaft gerollt werden muss, ist kostbar, allerdings nicht gerade genießbar. Um den Durst zu stillen, greift man daher lieber zur Flasche. Unzählige Bierkisten werden aus Deutschland importiert. Es sind so viele, dass mit den Kistenbrettern eine ganze Stadt entsteht. Die später gelegte Wasserleitung ändert zwar das Stadtbild, jedoch nicht den Bierdurst. Die städtischen sowie die kleinen Vorgärten beginnen zu grünen, doch es meldet sich auch der Ostwind an. Mit ihm kommen Schwärme von Heuschrecken aus dem Inland, die den mühsam herangezogenen Kopfsalat in ein paar Minuten abfressen. Die Ernte ist hin. Der Frust wird im nächsten Wirtshaus bei einem „Kleines-Kleines“ (ein kleines Bier und dazu ein kleiner Schnaps) hinuntergespült. Schanktische gibt es in der Küstenstadt reichlich. Im Jahr 1902 zählen 50 Prozent aller Betriebe zu Schank-, Gastwirtschaften und Speisehäusern, erwähnt Hulda Rautenberg in ihrem Buch „Das alte Swakopmund“.

Handelsvertreter Emil Henrichsen schiebt zwar keinen Frust, knüpft nach langen, arbeitsreichen Stunden dennoch gern an der Theke weitere freundschaftliche sowie geschäftliche Verbindungen. Es wird erzählt, dass eines Tages – es soll schon recht feuchtfröhlich am Tresen zugegangen sein – ein Bote vom Antonius Krankenhaus zur Bar hereinkam und sich nach Emil Henrichsen erkundigte. Er habe den Geschäftsmann gebeten, ihn ins Krankenhaus zu begleiten. Es eile. Nach einem kurzen Spaziergang an der frischen Luft erreichen Bote und Henrichsen die Notaufnahme.
Nicht nur an der Theke, auch im Krankenhaus sei Henrichsen als Blutspender besonders willkommen gewesen. Erzählungen zufolge habe es sich aber diesmal nicht um eine Blutspende, sondern gleich um eine Bluttransfusion gehandelt. Der Arzt, die Krankenschwestern und auch die Patientin seien vorbereitet gewesen. Lange herumgedoktert und getestet habe man nicht. Henrichsen habe sich – so beschwipst wie er war – auf den OP-Tisch legen und der verunglückten Dame von Ader zu Ader sein Blut spenden dürfen, heißt es. Es wird ferner erzählt, dass ein paar Wochen später Emil Henrichsen eines Morgens auf seinem Schreibtisch eine in Geschenkpapier eingewickelte Flasche Schnaps mit einer Dankeskarte entdeckte. „Vielen herzlichen Dank für Ihre Hilfe und Ihr Blut, Ihren Schnaps möchte ich Ihnen allerdings doch gerne wiedergeben“, habe dort gestanden.

Der Kolonialarchitekt Otto Ertl entwirft 1907 das Antonius Krankenhaus. Am 8. März 1908 weiht die Katholische Mission es ein. Anfangs heißt es „St. Antonius Hospital“. Das Krankenhaus ist bekannt für seine selbstlosen Schwestern – liebevoll die „Pinguine von Swakopmund“ genannt –, die sich aufopfernd um die Kranken und Verletzten kümmern und der Gemeinde jahrzehntelang unschätzbaren Dienst leisten.

Ein inzwischen geschichtlich bekannter Mann hat leider nicht so viel Glück, das Antonius Spital, trotz der fürsorglichen Pflege der Nonnen, gesund wieder zu verlassen: Wilhelm Mattenklodt. Der ehemalige Schutztruppler, Farmer und Großwildjäger gerät nach dem Ersten Weltkrieg in die Mühlen der südafrikanischen Militärgerichtsbarkeit, wird verfolgt und gejagt und hat bei Verhaftung mit Tod durch Erschießen zu rechnen. Mattenklodt flieht zusammen mit Karl Alfred Feuerstein und Georg Voswinkel nach Angola. Sie legen auf ihrer Flucht über 3000 Kilometer zu Fuß zurück, bevor sie von den Portugiesen verhaftet und eingesperrt werden. Doch das Trio kommt frei und darf nach Deutschland zurückkehren. Mattenklodt zieht es jedoch erneut nach Afrika. Als er sich um 1929 in Angola auf einer Jagdreise in Richtung Nordrhodesien befindet, erkrankt er an der Schlafkrankheit. Ein Freund findet ihn und bringt ihn nach Swakopmund ins Antonius Krankenhaus. Wilhelm Mattenklodt stirbt am 4. Juni 1931. Er liegt auf dem Swakopmunder Friedhof begraben.

Nach den beiden Weltkriegen und unter südafrikanischer Regierung wird auch im Antonius Hospital die Apartheid eingeführt. Es wird wieder zu einem „weißen“ Krankenhaus gemacht, obwohl es seit 1909 im Innenhof eine Abteilung für 50 eingeborene Patienten hatte. Die Krankenschwestern dürfen nun nur noch notdürftig „nicht-weiße Patienten“ behandeln und diese auch nur solange, bis Transport nach Walvis Bay möglich ist.

Über einen „nicht-weißen Patienten“ auf dem OP-Tisch sind die Nonnen nicht erbaut: Pavian Bobby. Es muss so um 1963 gewesen sein. Bobbys Armknochen war durch eine Falle zersplittert worden. Als die tierliebe Brigitte Wenk davon hört, tauscht sie fünf Hühner gegen den verletzten Affen ein. Sofort macht sie sich mit ihrem Schützling auf den Weg ins Antonius Krankenhaus zu Dr. Werner Zöllner. Anfangs versperren die Nonnen ihr den Weg und auch die OP-Schwester zetert: „So einen Pavian bringt ihr mir nicht in meinen Operationssaal.” Doch Dr. Zöllner schiebt die vehement protestierende Nonne zur Seite und gewährt dem ungewöhnlichen Patienten Einlass. „Ich saß zusammen mit dem Affen auf dem OP-Tisch und die Schwester erhielt den Auftrag warmes Wasser, Schiene und Verbandszeug zu holen“, erzählt die Tierfreundin. „Dr. Zöllner wagte sich nicht an Bobby heran, erklärte mir aber, wie ich Bobby zu behandeln habe.“ Zur Erleichterung der Schwestern braucht Bobby nicht im Spital zu übernachten. „Zu Hause hat dann eine rüstige Rentnerin, die bei uns zur Miete wohnte, den Auftrag erhalten, einen Armstrumpf als Stütze zu nähen, weil sich Bobby ständig seinen Verband abriss.“ Über ein Jahr habe die Genesung gedauert.

1977 sieht sich die Katholische Kirche nicht mehr imstande, das Krankenhaus alleine zu leiten. Es gibt kaum noch „Nachwuchs“ unter den Nonnen. Eine holländische Hilfsorganisation übernimmt die Leitung. Das Personal hat allerdings mehr „Politisches“ im Sinn, als sich um die Krankenpflege zu kümmern. Als nach etwa einem Jahr die Krankenhausleitung Druck auf die Regierung ausüben will und mit der Schließung des Krankenhauses droht, übernimmt der Gesundheitsdienst der Mandatsregierung am Folgemorgen ganz unangemeldet bei Schichtwechsel die Führung und betreibt das Hospital solange, bis 1980 das Staatskrankenhaus gebaut wird. Das Antonius Hospital wird vernachlässigt. 1999 läuft der Vertrag zwischen der Regierung und der Katholischen Kirche aus. Was tun mit dem ehemaligen Franziskaner-Krankenhaus? Heute ist das Gebäude ein begehrtes Seniorenheim.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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