Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 27)
Krieg! Deutschland macht mobil. In Deutsch-Südwestafrika stehen aber nur einige wenige tausend Schutztruppler bereit. Für einen Krieg gegen England ist das zu mager. Gleich aufgeben? Nicht so schnell. Auch das unbesetzte Swakopmund denkt nicht daran. Nach der Kanonade durch die „Armadale Castle“ heißt es, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
In Walvis Bay liegt inzwischen der Hilfskreuzer „Kinfauns Castle“ auf Reede und hat die „Armadale Castle“ abgelöst. Walvis Bay dem Erdboden gleichzumachen geht nicht, denn Swakopmund besitzt kein Kriegsschiff. So wagt sich am 24. September 1914 um zwei Uhr nachts ein kleiner Trupp zu Pferd über die Dünen nach Walvis Bay und treibt vor Ort sein Unwesen. Die Männer zerstören Kabel, sie kapern ein Maschinengewehr und 50 Waffen, bedrohen und inhaftieren Einwohner und setzen einen Leichter in Brand. Den Pier in die Luft zu sprengen, misslingt ihnen.
Erbost über diesen unverschämten Akt dampft der Engländer in den frühen Morgenstunden mit der „Kinfauns Castle“ nach Swakopmund. Jetzt wird abgerechnet. Die Besatzung fackelt nicht lange und schießt. „Man scheint sich dort (Walvis Bay) und auf dem Hilfskreuzer sehr über den Erfolg der kleinen deutschen Schar geärgert zu haben und vergilt uns den Handstreich jetzt mit der Zerstörung der beiden Brücken. Eine ungeheure Heldentat in dem nichtverteidigten Swakopmund vom sicheren Schiffe aus einen solchen Lärm zu machen“, berichtet die Windhuker Kriegsausgabe.
Harry Cecil Gaffney, der Mechaniker der „Kinfauns Castle“, schreibt hingegen in sein Fahrtenbuch: „Nach neun Granaten wurden die deutschen Farben vom Flaggenmast geholt und ein Leichter unter der Fahne der Waffenruhe näherte sich uns. Der Magistrat, der Bürgermeister, ein Mitglied des Stadtrats und der Hafenmeister kamen zum Verhandeln.“
Diese Unterredung verläuft diesmal nicht so förmlich wie vor zehn Tagen auf der „Armadale Castle“. Bis 14 Uhr habe Swakopmund Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, dann werde wieder angegriffen, teilt Kommandant Crampton dem Swakopmunder Bürgermeister Arnold Schad sein Ultimatum mit. „Ihr habt uns attackiert, jetzt muss Eure Jetty dran glauben.“
Die Briten halten Wort. Punkt 14 Uhr eröffnen sie das Feuer und geben weitere 51 Schuss auf Swakopmund ab. „Nur vier Fehlschüsse“, dokumentiert Gaffney. „Wir hissten unsere Parlamentärflagge und dampften zurück nach Walvis Bay.“
Die Küstenstadt büßt an diesem Nachmittag die Holzhäuser am Molenstrand ein, Hauptzollamtschuppen mit Büros und Zollniederlage stehen in Flammen und brennen total nieder. Ein Geräteschuppen der Woermannlinie mit Reserveteilen für die Schlepper brennt aus, mehrere kleinere Schuppen sind futsch, Granatsplitter zertrümmern die Fenster von Wohnhäusern. Einmal wechselt der Kreuzer seine Position mit Ziel auf die Brücke, Grananten schrammen dabei den großen Portalkran, zertrümmern die Führerkabine und die Maschine des zweiten Drehkrans.
„Das ist völkerrechtswidrig, Swakopmund ist nicht verteidigt und nicht befestigt“, beschwert sich das Gouvernement, und die Zeitung gibt an: „Einstweilen sind wir leider dagegen machtlos, doch kommt vielleicht doch noch ein Tag der Vergeltung für diese Freveltat.“
Und der Tag kommt. Die wahrheitsgetreue Schilderung wird am 9. Februar 1915 in der Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung wiedergegeben. Erneut macht sich eine kleine freiwillige Truppe zu Fuß und Pferd auf den Weg. Im Schlepptau eine Karre voll Dynamit. Südlich von Swakopmund, am schmalen Durchgang, wo die Dünen ganz nahe ans Meer herankommen, wollen Theodor Woker sowie die Reiter Baufeld, Rabecki und Schulze ihren Nachbarn einen explosiven Empfang bereiten. Eine enorm anstrengende Zeit beginnt: tagsüber auf Wache liegen, nachts basteln sie an den Minen. „Wir gruben ein tiefes Loch, in dem eine Bohlenwand unter einen Winkel von 45 Grad eingebaut wurde. Hinter diese Bohlenwand kamen fünf Prozent Dynamit, die rückwärts mit schweren Klippen verstemmt waren.“ Und sie basteln weiter: „Vor die Bohlenwand kamen nun eine halbe Karrenladung Bolzen, Schrauben und Muttern, der Rest des Loches wurde mit Kieseln und Klippen ausgefüllt.“ Zwei weitere Minen werden gebaut, um auch den Weg über die Dünen und das Swakoprivier zu versperren. Die Kabel legen sie zum Ausgang des Flussbetts hin. Eine im Sand vergrabene Klavierkiste dient als „Beobachtungsfestung“. Dort stehen auch die Zündmaschine und ein Telefon bereit. Jetzt heißt es abwarten.
Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung, und manchmal wird geduldiges Warten belohnt. Wie einst bei den Briten. Es wird erzählt, wie sie in der Wüste beim Bau ihrer Schützengräben auf einige Metallfässer stoßen. Mit der Angst im Nacken, der Inhalt könne eventuell vergiftet sein, nutzen sie die Fässer lediglich als Rückenlehne bei ihrem nächtelangen Wacheschieben. Etwas frustriert soll ein Soldat wohl mit seinem Bajonett einem Fass einen Stich versetzt haben und siehe da, aus dem Loch sprudelt plötzlich reines deutsches Bier heraus.
Woker wird nicht so belohnt. Er hockt in dynamitgeladener Spannung und wartet. Am 14. Januar 1915, genau vier Monate nach der ersten Beschießung, ist es soweit. Der Feind kommt des Nachts. Die englische Abteilung (150–200 Reiter an der Zahl) befindet sich ganz dicht an der Mine, als Woker das Uhrwerk der Maschine durch einen Hebeldruck auslöst. Im selben Moment erfolgt eine fürchterliche Explosion. Lärm, Geschrei, Gebrüll, ein Chaos von Menschen und Tierleibern, Rauch, Sand und Qualm. „Von allen Seiten hörte man Gewehrgeknatter, doch es war noch zu dunkel, um sicher zu treffen.“ Trotz des Höllenspektakels rückt der Engländer vor, und die kleine deutsche Gruppe muss zurück. Sie können Woker nicht mehr aus dem Klavierkasten holen. Er gilt bei seinen Kumpels als verloren.
Woker kann zwar aus seinem Unterstand verschwinden, doch weit kommt er nicht. „An der ersten Eckdüne lagen die Engländer in Schützenreihen auf der Düne und so war er gezwungen, sich hinzuwerfen und bis zum Dunkelwerden vierzehn Stunden im niederen Gras vom Swakoprivier unter der feindlichen Linien still liegen zu bleiben“, wird der Sachverhalt in der Zeitung wiedergegeben.
Woker schafft es nach Hause und wird direkt zum Unteroffizier befördert. Fazit dieses Spektakels: reiterlose Pferde. Auch das Reitpferd des Major Panchand mit all seinen Karten und Plänen geht ihnen ins Netz. Wie viele Verluste der Feind verzeichnen muss, ist unklar. Nach Aussage eines Briten, der in der Nacht vom 20. Januar bei einem Angriff auf dem Fisker-Gehöft gefangengenommen wird, sollen die Minen schrecklich gewirkt haben. „Stücke von Sätteln, Menschen und Tierleibern lagen herum.“
„Wir haben den Tommies einen Empfang bereitet, der ihnen noch lange in den Knochen liegen wird“, ist sich der unbekannte Berichterstatter sicher.
Am 9. Juli 1915 kapitulieren die Deutschen in Khorab bei Otavi. Der Krieg in Deutsch-Südwestafrika ist aus. Jetzt hat die Besatzungsmacht das Sagen.
In Walvis Bay liegt inzwischen der Hilfskreuzer „Kinfauns Castle“ auf Reede und hat die „Armadale Castle“ abgelöst. Walvis Bay dem Erdboden gleichzumachen geht nicht, denn Swakopmund besitzt kein Kriegsschiff. So wagt sich am 24. September 1914 um zwei Uhr nachts ein kleiner Trupp zu Pferd über die Dünen nach Walvis Bay und treibt vor Ort sein Unwesen. Die Männer zerstören Kabel, sie kapern ein Maschinengewehr und 50 Waffen, bedrohen und inhaftieren Einwohner und setzen einen Leichter in Brand. Den Pier in die Luft zu sprengen, misslingt ihnen.
Erbost über diesen unverschämten Akt dampft der Engländer in den frühen Morgenstunden mit der „Kinfauns Castle“ nach Swakopmund. Jetzt wird abgerechnet. Die Besatzung fackelt nicht lange und schießt. „Man scheint sich dort (Walvis Bay) und auf dem Hilfskreuzer sehr über den Erfolg der kleinen deutschen Schar geärgert zu haben und vergilt uns den Handstreich jetzt mit der Zerstörung der beiden Brücken. Eine ungeheure Heldentat in dem nichtverteidigten Swakopmund vom sicheren Schiffe aus einen solchen Lärm zu machen“, berichtet die Windhuker Kriegsausgabe.
Harry Cecil Gaffney, der Mechaniker der „Kinfauns Castle“, schreibt hingegen in sein Fahrtenbuch: „Nach neun Granaten wurden die deutschen Farben vom Flaggenmast geholt und ein Leichter unter der Fahne der Waffenruhe näherte sich uns. Der Magistrat, der Bürgermeister, ein Mitglied des Stadtrats und der Hafenmeister kamen zum Verhandeln.“
Diese Unterredung verläuft diesmal nicht so förmlich wie vor zehn Tagen auf der „Armadale Castle“. Bis 14 Uhr habe Swakopmund Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, dann werde wieder angegriffen, teilt Kommandant Crampton dem Swakopmunder Bürgermeister Arnold Schad sein Ultimatum mit. „Ihr habt uns attackiert, jetzt muss Eure Jetty dran glauben.“
Die Briten halten Wort. Punkt 14 Uhr eröffnen sie das Feuer und geben weitere 51 Schuss auf Swakopmund ab. „Nur vier Fehlschüsse“, dokumentiert Gaffney. „Wir hissten unsere Parlamentärflagge und dampften zurück nach Walvis Bay.“
Die Küstenstadt büßt an diesem Nachmittag die Holzhäuser am Molenstrand ein, Hauptzollamtschuppen mit Büros und Zollniederlage stehen in Flammen und brennen total nieder. Ein Geräteschuppen der Woermannlinie mit Reserveteilen für die Schlepper brennt aus, mehrere kleinere Schuppen sind futsch, Granatsplitter zertrümmern die Fenster von Wohnhäusern. Einmal wechselt der Kreuzer seine Position mit Ziel auf die Brücke, Grananten schrammen dabei den großen Portalkran, zertrümmern die Führerkabine und die Maschine des zweiten Drehkrans.
„Das ist völkerrechtswidrig, Swakopmund ist nicht verteidigt und nicht befestigt“, beschwert sich das Gouvernement, und die Zeitung gibt an: „Einstweilen sind wir leider dagegen machtlos, doch kommt vielleicht doch noch ein Tag der Vergeltung für diese Freveltat.“
Und der Tag kommt. Die wahrheitsgetreue Schilderung wird am 9. Februar 1915 in der Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung wiedergegeben. Erneut macht sich eine kleine freiwillige Truppe zu Fuß und Pferd auf den Weg. Im Schlepptau eine Karre voll Dynamit. Südlich von Swakopmund, am schmalen Durchgang, wo die Dünen ganz nahe ans Meer herankommen, wollen Theodor Woker sowie die Reiter Baufeld, Rabecki und Schulze ihren Nachbarn einen explosiven Empfang bereiten. Eine enorm anstrengende Zeit beginnt: tagsüber auf Wache liegen, nachts basteln sie an den Minen. „Wir gruben ein tiefes Loch, in dem eine Bohlenwand unter einen Winkel von 45 Grad eingebaut wurde. Hinter diese Bohlenwand kamen fünf Prozent Dynamit, die rückwärts mit schweren Klippen verstemmt waren.“ Und sie basteln weiter: „Vor die Bohlenwand kamen nun eine halbe Karrenladung Bolzen, Schrauben und Muttern, der Rest des Loches wurde mit Kieseln und Klippen ausgefüllt.“ Zwei weitere Minen werden gebaut, um auch den Weg über die Dünen und das Swakoprivier zu versperren. Die Kabel legen sie zum Ausgang des Flussbetts hin. Eine im Sand vergrabene Klavierkiste dient als „Beobachtungsfestung“. Dort stehen auch die Zündmaschine und ein Telefon bereit. Jetzt heißt es abwarten.
Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung, und manchmal wird geduldiges Warten belohnt. Wie einst bei den Briten. Es wird erzählt, wie sie in der Wüste beim Bau ihrer Schützengräben auf einige Metallfässer stoßen. Mit der Angst im Nacken, der Inhalt könne eventuell vergiftet sein, nutzen sie die Fässer lediglich als Rückenlehne bei ihrem nächtelangen Wacheschieben. Etwas frustriert soll ein Soldat wohl mit seinem Bajonett einem Fass einen Stich versetzt haben und siehe da, aus dem Loch sprudelt plötzlich reines deutsches Bier heraus.
Woker wird nicht so belohnt. Er hockt in dynamitgeladener Spannung und wartet. Am 14. Januar 1915, genau vier Monate nach der ersten Beschießung, ist es soweit. Der Feind kommt des Nachts. Die englische Abteilung (150–200 Reiter an der Zahl) befindet sich ganz dicht an der Mine, als Woker das Uhrwerk der Maschine durch einen Hebeldruck auslöst. Im selben Moment erfolgt eine fürchterliche Explosion. Lärm, Geschrei, Gebrüll, ein Chaos von Menschen und Tierleibern, Rauch, Sand und Qualm. „Von allen Seiten hörte man Gewehrgeknatter, doch es war noch zu dunkel, um sicher zu treffen.“ Trotz des Höllenspektakels rückt der Engländer vor, und die kleine deutsche Gruppe muss zurück. Sie können Woker nicht mehr aus dem Klavierkasten holen. Er gilt bei seinen Kumpels als verloren.
Woker kann zwar aus seinem Unterstand verschwinden, doch weit kommt er nicht. „An der ersten Eckdüne lagen die Engländer in Schützenreihen auf der Düne und so war er gezwungen, sich hinzuwerfen und bis zum Dunkelwerden vierzehn Stunden im niederen Gras vom Swakoprivier unter der feindlichen Linien still liegen zu bleiben“, wird der Sachverhalt in der Zeitung wiedergegeben.
Woker schafft es nach Hause und wird direkt zum Unteroffizier befördert. Fazit dieses Spektakels: reiterlose Pferde. Auch das Reitpferd des Major Panchand mit all seinen Karten und Plänen geht ihnen ins Netz. Wie viele Verluste der Feind verzeichnen muss, ist unklar. Nach Aussage eines Briten, der in der Nacht vom 20. Januar bei einem Angriff auf dem Fisker-Gehöft gefangengenommen wird, sollen die Minen schrecklich gewirkt haben. „Stücke von Sätteln, Menschen und Tierleibern lagen herum.“
„Wir haben den Tommies einen Empfang bereitet, der ihnen noch lange in den Knochen liegen wird“, ist sich der unbekannte Berichterstatter sicher.
Am 9. Juli 1915 kapitulieren die Deutschen in Khorab bei Otavi. Der Krieg in Deutsch-Südwestafrika ist aus. Jetzt hat die Besatzungsmacht das Sagen.
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Allgemeine Zeitung
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