Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 30)

Die Nacht bricht herein. Gespenstisch steht das Swakopmunder Segelflugzeug „Wolf“ am Startplatz beim Rössingberg östlich von Swakopmund und wartet auf günstigen Ostwind. Um Mitternacht geht es endlich los. Das Auto zieht an und der Segler erhebt sich vom Boden. Das Startseil fällt. Langsam kreisend gewinnt der Flieger an Höhe und wird immer kleiner bis er ganz in der Dunkelheit verschwindet. Mit großer Mühe haben am 18. Juli 1937 ein paar wenige Helfer den getreuen „Wolf“ an seinen Startplatz gebracht. Was allerdings mit Euphorie beginnt, entwickelt sich für die Bodenmannschaft zur bangen Besorgnis. Wo sind sie hin, der „Wolf“ und sein Pilot Georg Ott? „Gegen drei Uhr nachts ist auch der Mond verschwunden, aber die Suche im völligen Dunkeln wird fortgesetzt. An Schlaf ist nicht zu denken. Ist Ott mit dem Flieger abgestürzt, liegt er vielleicht irgendwo verletzt in der Wüste und hofft auf Hilfe?“ Diese Frage stellt die Lüderitzbuchter Zeitung am 26. Juli 1937 in ihrem Bericht. Zum Suchtrupp gehört Adolf Winter, der Erste, der in den 1920er Jahren in Südwestafrika ein Segelflugzeug baute. Der Tischlermeister ist vom Fliegertraum besessen. Obwohl er vorher noch nie geflogen ist und vom Flugzeugbau keine Ahnung hat, wagt er 1925 zusammen mit dem Lehrer Paul Schneider den Versuch, eigenhändig einen Gleiter zu bauen. Sie lassen sich das gesamte Material aus Deutschland kommen. Dem Frachtpaket liegt die handschriftliche Fluganleitung vom „Rhönvater“ bei, dem Luftfahrtpionier Prof. Carl Oscar Ursinus aus Darmstadt. „Immer dafür sorgen, dass einem der Wind um beide Ohren pfeift“, ist deutlich in seiner Gebrauchsanweisung vermerkt.Nach langer Bauzeit mit vielen Rückschlägen steht 1928 endlich das erste Segelflugzeug fertig montiert im Hof. Viel Ähnlichkeit mit den heutigen Fliegern hat die „Erstausstattung“ nicht. Der Rumpf besteht aus Holz und der Sitz ist lediglich ein schmales Brett. Der erste Flugversuch startet von einer Düne aus. 16 Schüler ziehen den Gleiter mit Hilfe von zwei starken Gummiseilen an. Der Holzvogel hebt ab. So wird in Südwestafrika der Segelflugsport geboren. Die Anfangsversuche enden freilich nicht immer sanft auf der Kufe, sondern gelegentlich mit Prellungen und blutigem Mund; Adolf Winters Flugversuch endet sogar im Trümmerhaufen. Ein neuer Flieger muss her und erneut wird Prof. Ursinus um Rat gebeten. Die Technische Hochschule Darmstadt stiftet daraufhin der Deutschen Schule Swakopmund einen neuen Gleiter, den Winter mit tatkräftiger Unterstützung der Schüler zusammenbaut. „Doch nicht nur die Unerfahrenheit wirft den Pionieren Knüppel zwischen die Beine. Zu allem Übel wird 1929 die Deutsche Schule von der südafrikanischen Administration übernommen“, weiß Alt-Segelflieger Hilmar Knupp zu berichten. Vorbei ist es mit dem Segelfliegen als Schulsport, und Schneider muss nach Deutschland zurück. Doch vorher überreicht er Dr. Wilhelm Schwietering für die Gründung eines Vereins alle vorhandenen Werte, auch das Material für den neuen Gleiter genannt „Professor“. Winter und der arbeitslose Techniker Ferdinand Guhl machen sich an die Arbeit, doch das Geld ist knapp und ein Spendenaufruf bringt lediglich 13 Schilling ein. Dennoch geben beide nicht auf.1935 trifft auf Einladung der Segelflieger Harald von Arnim in Swakopmund ein. Fasziniert bewundert er Winters saubere Arbeit und beschließt, eine Weile zu bleiben. Zudem steht der Jungfernflug mit dem Professor an. Beim „Sahler Heim“ in der Gegend der heutigen Swakopmund Secondary School findet am 12. Mai 1935 das große Ereignis statt. Von Arnim macht mehrere Flüge von kurzer Dauer, und Winter sowie die Zaungäste sind begeistert. „Nie zuvor hatte man so einen eleganten Vogel mit so einem flachen Gleitwinkel fliegen sehen“, schreibt Knupp in seiner Chronologie. „Für die Enttäuschungen der letzten Jahre wurde Winter jetzt entschädigt. Dieser Start war der Erste in einem Flugbuch registrierter Segelflug in Südwestafrika.“ Dem nicht genug. Sie wollen Zeitrekorde aufstellen und einen Versuch an der Dünenkette starten. Von Armin schreibt: „Am 19. Mai 1935 fährt bei Ebbe ein seltsames Gefährt, ein Lastwagen mit einem 16 Meter spannenden schwankendem Flugzeug darauf, hart am überspülten Meeresufer entlang, dort wo der Sand hart genug ist, um bei schneller Fahrt den Lastwagen zu tragen. Wehe, er käme ins Stocken, oder zu weit aufs Trockene, das nachgibt, der Strand ist doch nicht gerade, läuft im Zickzack, ist von Felsrinden durchsetzt, (…).“ So erreicht der Transporter die als Startplatz vorgesehene „Brummdüne“. Eine Stunde und sieben Minuten fliegt von Arnim. Der zweite Flug wird schon rekordverdächtig: Sieben Stunden hält sich der „Professor“ in der Luft.Als von Arnim 1936 nach Deutschland zurückkehrt, übernimmt Georg Ott die Ausbildungsleitung des Vereins. Und so sitzt er auch in besagter Nacht im „Wolf“ und lässt sich bei Dunkelheit durch die Luft tragen. „Als ich den nördlichen Hang erreichte, erfasste mich ein Aufwind, so gewaltig, dass ich in kurzer Zeit 1400 Meter Höhe erreichte. Die Luft wurde sehr unruhig und ich versuchte, den Aufwind zu verlassen. Die Maschine stieg noch eine ganze Weile, bevor mir dieses gelang“, protokolliert er. Ott fliegt in Richtung Rosenquarzmine, dabei stellt er fest, dass er trotz ruhiger Luft die Höhe behält. Er fliegt und fliegt. Am Boden sorgen sich derweil die Begleiter Adolf Winter, Arnold Koestens, Dieter Kratzenstein und Ferdinand Guhl um Otts Befinden. Schlucht für Schlucht suchen sie nachts das Gebiet um den Rössingberg ab. Vergeblich. „Als der Morgen graut und die Augen endlich wieder besser wahrnehmen können, wird die Suche nach dem Fluglehrer weitergeführt. Keine Spur von Ott – auch gegen 10 Uhr noch nicht, als in der Wüste die Sonne heiß vom Himmel brennt. Vor lauter Suchen am Boden wird der Himmel vergessen, sonst hätte man ja sehen können wie sich am östlichen Horizont langsam ein großer Vogel näherte“, berichtet die Zeitung. Nach knapp zehn Stunden Flugzeit und einer geschätzten Strecke von 160 Kilometern setzt Ott nur wenige Meter von der Startstelle entfernt wieder auf. Als Arnold Koestens völlig erschöpft von der Suche zum Lager zurückkehrt, steht Georg Ott gesund und wohlbehalten neben dem Segler.Im Zweiten Weltkrieg werden alle Flugzeuge beschlagnahmt und der südafrikanischen Luftwaffe zur Verfügung gestellt – und nach dem Krieg leider einbehalten. Schwietering, Hermann Pruter und Winter setzen sich hartnäckig für eine Entschädigungszahlung ein. Mit dem Gesamtvermögen in Höhe von 913,19 Pfund bestellen sie aus England von der Firma Sligsby ein neues Segelflugzeug, nehmen den Segelflugsport wieder auf und lassen den Verein 1951 wieder aufleben.

Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 30)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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