Wo einst der Fuß des Kriegers trat, wächst heut der schönste Kopfsalat (Teil 8)
Endlich am Ziel angelangt. Vor Swakopmund liegen eine Menge Dampfer auf Reede. Die See ist stürmisch. Wer an Land will, muss sich auf ein lebensgefährliches Ausbooten gefasst machen. Die Knochenarbeit der „Kru-Leute“ beginnt. Ihre Aufgabe ist es, Passagiere und Fracht sicher durch die Brandung ans Festland zu bringen.
„Nachdem ich mich von den Offizieren verabschiedet hatte, sollte unsere Ausschiffung vor sich gehen, die bekanntlich hier mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Da mich die Offiziere als furchtlos kannten, baten sie mich, mit gutem Beispiele voranzugehen, denn die anderen Frauen, die gleichfalls an Land sollten, weinten bereits aus Angst vor der starken Brandung.“ Dieser Erlebnisbericht stammt von einem unbekannten Mädchen, im Juni 1900 geschrieben. Rechtsanwalt Georg Wasserfall druckt ihre Erfahrung knapp ein Jahr später in seiner Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung (früher Windhuker Anzeiger) ab und hält damit erneut vor Augen, wie mühsam und gefährlich das Landen an Swakopmunds Strand ist und wie dringend die Küstenstadt ein Hafenbecken braucht. Mit dem Brief will er wohl Baumeister F. W. Ortloff zum Molenbau anspornen. Seit dem 2. September 1899 liegt der Grundstein zwar schon, eine 375 Meter lange Steinmauer mit einem Anlegesteg und Eisenringen an der Kaimauer ist geplant. Die Bauarbeiter sind fleißig am Werk, doch der Molenbau erweist sich als ebenso schwierig wie die Landung mit den Leichtern.
„Ich wurde als erste auf einen Stuhl gesetzt und in das Boot gelassen, wo mich einige Neger in Empfang nahmen“, schreibt das Mädchen. „Als wir endlich alle saßen, ging die Fahrt los. Während ich mich mit den Händen festhielt, tröstete ich die anderen und besonders einen Knaben, der aus vollem Halse schrie. Sechs Neger ruderten, während ein anderer Befehle erteilte.“ Am Ufer habe ebenfalls ein Krumann gestanden und lebhaft gestikuliert, wie und wohin zu fahren sei. „Bald konnte man nichts mehr hören, so mächtig brauste die Brandung; sehen konnte ich auch nichts mehr, denn ich tropfte vor Nässe und die Augen brannten von dem Salzwasser. Das Boot wirbelte im Kreise. So ging es ungefähr zehn Minuten.“ Plötzlich sei sie von zwei Männern umfasst worden. In Panik krallt sie sich in den Haaren ihres Retters fest. „Nachdem ich auf einem Sandhaufen platziert war, streckten sich mir sechs Hände entgegen. Ich gab gerne das Kleingeld, das ich noch hatte, denn diese Neger hatten es wohl verdient. Kein Weißer würde eine so gefährliche Arbeit verrichten.“
Steht jedoch der Mond günstig, ist der Atlantik selbst bei Flut spiegelglatt. Dann schwappen seichte Wellen an den Strand, die Sonne reflektiert im Meer, es glitzert wie tausend Diamanten, und gegen Abend versinkt am Horizont ein feuerroter Ball. Bei so einem idyllischen Anblick kann man sich eine schwierige und lebensbedrohliche Landung kaum vorstellen. Doch diese paradiesischen Momente sind eher selten und immer nur auf gutes Wetter zu hoffen, ist für die wirtschaftliche Entwicklung hinderlich. Hinzu kommt, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, Kru-Männer für die Abwicklung der Löscharbeiten zu beschaffen. Ihnen sind das Klima und das Wasser zu kalt. Sie müssen mit extrem hohen Prämien bei Laune gehalten werden.
Inzwischen geraten aber auch an Land die Entwicklungsmöglichkeiten an ihre Grenzen. Die kleine Küstenstadt liegt völlig planlos da. Es gibt zwar schon seit 1896 einen Stadtplan, jedoch keinen wirklichen Straßenplan. Die vorgefertigten Schuppen gewisser Firmen wandern je nach günstiger Landungsstelle am Strand hin und her, und die Ochsenwagen bahnen sich querfeldein ihren Weg dorthin.
Ein Hafen muss her. Täglich darf sich Gerichtsassessor Dr. Max Rohde, der sich im Herbst 1894 für eine endgültige Festlegung des Hafenplatzes eingesetzt hatte, das Chaos am Strand ansehen und den lauten Ruf nach einer Verbesserung der Landungsverhältnisse anhören. Rohde wohnt ganz prominent in seinem vorgefertigten Holzhaus (von der Wolgaster Aktiengesellschaft) oben auf der Düne südlich der Schlucht. Sein Anwesen ist übrigens für viele Jahre als das „Schweizer Haus“ bekannt, heute steht dort das Hotel „Schweizer Haus“.
Von der Anhöhe kann Rohde das eifrige Treiben und den Kampf „Mensch gegen Mutter Natur“ beobachten. Anfangs läuft das Molebauprojekt noch wie geschmiert. Eine geeignete Stelle für die Entnahme des Steinmaterials, zirka 1 Kilometer nördlich der Baustelle ist gefunden und mit einer Schmalspurbahn verbunden worden. Eine Wasserleitung ist gelegt, Betonblöcke werden gegossen. Bevor sie gesetzt werden, säubert ein Taucher den Meeresgrund von losen Steinen und Klippen, indem er diese zwischen die Arme eines Greifers platziert. Taucher Beirer schafft es sogar, an einem Tag neun Stunden unter Wasser zu arbeiten. Da aber die Betonblöcke nur bei Ebbe gesetzt werden können, wird auch die Nacht genutzt.
Ab 1. Mai 1901 können mitunter schon Post und Passagiere an der Mole landen, doch dann beginnen die rauen Wintermonate, die dem Bauherrn und den Arbeitern zu schaffen machen. Die Flutwellen zeigen kein Erbarmen. Unaufhörlich rollt die Brandung gegen das mühsam vollbrachte Werk und lockert mit jedem Anprall der Wogen die Betonblöcke. „Es war ganz unheimlich anzusehen, wie diese doch immerhin je etwa 300 Zentner schweren festen Steinmassen unter dem Anprall erzitterten und bei besonders starken Stößen ein wenig seitwärts rückten. Zwei Tage hielt die ungünstige See an, dann wurden die beiden verschobenen Blöcke gesprengt und durch neue ersetzt“, schreibt Wasserfall am 24. Dezember 1901.
Auch das Jahr 1902 hat es in sich. „In der Nacht vom 12. zum 13. Januar hat die See den Molearbeiten wieder böse mitgespielt“, so der Bericht. „Sonntag, den zwölften war das Wetter ausgezeichnet schön und ruhig, die Luft klar, die See glatt und dunkelblau und zu verschiedenen Malen verkehrte ein Boot zwischen der Mole und dem auf der Reede liegenden „Ernst Woermann“. Am Montag früh bedeckte dichter Nebel den Strand und ein ungewöhnlich starkes Brausen der Brandung ließ darauf schließen, dass die gestrige Ruhe der See in das Gegenteil verkehrt worden sei.“ Bei näherer Betrachtung habe sich eine unerfreuliche Veränderung an der Spitze der Mole gezeigt. Das Gerüst und die Brücke, von der aus die Steinsbrocken zur Schüttung in die See geworfen werden, sei weggerissen und an der Binnenseite der Mole angeschwemmt worden. Die Wellen rauben der südlichen Molenwand vier Seitenblöcke.
„Ein halber Monat wird durch eine Nacht wohl verloren sein.“
„Nachdem ich mich von den Offizieren verabschiedet hatte, sollte unsere Ausschiffung vor sich gehen, die bekanntlich hier mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Da mich die Offiziere als furchtlos kannten, baten sie mich, mit gutem Beispiele voranzugehen, denn die anderen Frauen, die gleichfalls an Land sollten, weinten bereits aus Angst vor der starken Brandung.“ Dieser Erlebnisbericht stammt von einem unbekannten Mädchen, im Juni 1900 geschrieben. Rechtsanwalt Georg Wasserfall druckt ihre Erfahrung knapp ein Jahr später in seiner Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung (früher Windhuker Anzeiger) ab und hält damit erneut vor Augen, wie mühsam und gefährlich das Landen an Swakopmunds Strand ist und wie dringend die Küstenstadt ein Hafenbecken braucht. Mit dem Brief will er wohl Baumeister F. W. Ortloff zum Molenbau anspornen. Seit dem 2. September 1899 liegt der Grundstein zwar schon, eine 375 Meter lange Steinmauer mit einem Anlegesteg und Eisenringen an der Kaimauer ist geplant. Die Bauarbeiter sind fleißig am Werk, doch der Molenbau erweist sich als ebenso schwierig wie die Landung mit den Leichtern.
„Ich wurde als erste auf einen Stuhl gesetzt und in das Boot gelassen, wo mich einige Neger in Empfang nahmen“, schreibt das Mädchen. „Als wir endlich alle saßen, ging die Fahrt los. Während ich mich mit den Händen festhielt, tröstete ich die anderen und besonders einen Knaben, der aus vollem Halse schrie. Sechs Neger ruderten, während ein anderer Befehle erteilte.“ Am Ufer habe ebenfalls ein Krumann gestanden und lebhaft gestikuliert, wie und wohin zu fahren sei. „Bald konnte man nichts mehr hören, so mächtig brauste die Brandung; sehen konnte ich auch nichts mehr, denn ich tropfte vor Nässe und die Augen brannten von dem Salzwasser. Das Boot wirbelte im Kreise. So ging es ungefähr zehn Minuten.“ Plötzlich sei sie von zwei Männern umfasst worden. In Panik krallt sie sich in den Haaren ihres Retters fest. „Nachdem ich auf einem Sandhaufen platziert war, streckten sich mir sechs Hände entgegen. Ich gab gerne das Kleingeld, das ich noch hatte, denn diese Neger hatten es wohl verdient. Kein Weißer würde eine so gefährliche Arbeit verrichten.“
Steht jedoch der Mond günstig, ist der Atlantik selbst bei Flut spiegelglatt. Dann schwappen seichte Wellen an den Strand, die Sonne reflektiert im Meer, es glitzert wie tausend Diamanten, und gegen Abend versinkt am Horizont ein feuerroter Ball. Bei so einem idyllischen Anblick kann man sich eine schwierige und lebensbedrohliche Landung kaum vorstellen. Doch diese paradiesischen Momente sind eher selten und immer nur auf gutes Wetter zu hoffen, ist für die wirtschaftliche Entwicklung hinderlich. Hinzu kommt, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, Kru-Männer für die Abwicklung der Löscharbeiten zu beschaffen. Ihnen sind das Klima und das Wasser zu kalt. Sie müssen mit extrem hohen Prämien bei Laune gehalten werden.
Inzwischen geraten aber auch an Land die Entwicklungsmöglichkeiten an ihre Grenzen. Die kleine Küstenstadt liegt völlig planlos da. Es gibt zwar schon seit 1896 einen Stadtplan, jedoch keinen wirklichen Straßenplan. Die vorgefertigten Schuppen gewisser Firmen wandern je nach günstiger Landungsstelle am Strand hin und her, und die Ochsenwagen bahnen sich querfeldein ihren Weg dorthin.
Ein Hafen muss her. Täglich darf sich Gerichtsassessor Dr. Max Rohde, der sich im Herbst 1894 für eine endgültige Festlegung des Hafenplatzes eingesetzt hatte, das Chaos am Strand ansehen und den lauten Ruf nach einer Verbesserung der Landungsverhältnisse anhören. Rohde wohnt ganz prominent in seinem vorgefertigten Holzhaus (von der Wolgaster Aktiengesellschaft) oben auf der Düne südlich der Schlucht. Sein Anwesen ist übrigens für viele Jahre als das „Schweizer Haus“ bekannt, heute steht dort das Hotel „Schweizer Haus“.
Von der Anhöhe kann Rohde das eifrige Treiben und den Kampf „Mensch gegen Mutter Natur“ beobachten. Anfangs läuft das Molebauprojekt noch wie geschmiert. Eine geeignete Stelle für die Entnahme des Steinmaterials, zirka 1 Kilometer nördlich der Baustelle ist gefunden und mit einer Schmalspurbahn verbunden worden. Eine Wasserleitung ist gelegt, Betonblöcke werden gegossen. Bevor sie gesetzt werden, säubert ein Taucher den Meeresgrund von losen Steinen und Klippen, indem er diese zwischen die Arme eines Greifers platziert. Taucher Beirer schafft es sogar, an einem Tag neun Stunden unter Wasser zu arbeiten. Da aber die Betonblöcke nur bei Ebbe gesetzt werden können, wird auch die Nacht genutzt.
Ab 1. Mai 1901 können mitunter schon Post und Passagiere an der Mole landen, doch dann beginnen die rauen Wintermonate, die dem Bauherrn und den Arbeitern zu schaffen machen. Die Flutwellen zeigen kein Erbarmen. Unaufhörlich rollt die Brandung gegen das mühsam vollbrachte Werk und lockert mit jedem Anprall der Wogen die Betonblöcke. „Es war ganz unheimlich anzusehen, wie diese doch immerhin je etwa 300 Zentner schweren festen Steinmassen unter dem Anprall erzitterten und bei besonders starken Stößen ein wenig seitwärts rückten. Zwei Tage hielt die ungünstige See an, dann wurden die beiden verschobenen Blöcke gesprengt und durch neue ersetzt“, schreibt Wasserfall am 24. Dezember 1901.
Auch das Jahr 1902 hat es in sich. „In der Nacht vom 12. zum 13. Januar hat die See den Molearbeiten wieder böse mitgespielt“, so der Bericht. „Sonntag, den zwölften war das Wetter ausgezeichnet schön und ruhig, die Luft klar, die See glatt und dunkelblau und zu verschiedenen Malen verkehrte ein Boot zwischen der Mole und dem auf der Reede liegenden „Ernst Woermann“. Am Montag früh bedeckte dichter Nebel den Strand und ein ungewöhnlich starkes Brausen der Brandung ließ darauf schließen, dass die gestrige Ruhe der See in das Gegenteil verkehrt worden sei.“ Bei näherer Betrachtung habe sich eine unerfreuliche Veränderung an der Spitze der Mole gezeigt. Das Gerüst und die Brücke, von der aus die Steinsbrocken zur Schüttung in die See geworfen werden, sei weggerissen und an der Binnenseite der Mole angeschwemmt worden. Die Wellen rauben der südlichen Molenwand vier Seitenblöcke.
„Ein halber Monat wird durch eine Nacht wohl verloren sein.“
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Allgemeine Zeitung
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