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Wrachtach (nich) zugeknöpft

Wir schütteln den Staub von Jahrzehnten ab und schnüffeln in alten Zeitungen. Nix für Oukies mit Allergie für Heuschnupfen. Gute alte Zeit? Das ist ein bleddy Klischee. Es gibt Dinge, die willst Du noch mal erleben, aus der Vergangenheit hervorkramen. Andere willst Du vergessen. Aber das mit dem Vergessen is so 'ne Sache. Dein Gedächtnis speichert auf "Memory" und da lässt sich nicht viel machen, denn Bilder und Empfindungen holen Dich Tag und Nacht ein.

Aber heute geht es um die Männeken, die vor 90 Jahren zur Anzeigenkultur gehörten. Die Zeiten waren ernst, denn schließlich war Orloch. Europäer waren lebensmüde und sind mit Begeisterung in den Krieg gezogen. Hat mindestens zwei Kriege, Tod und Verwüstung gebraucht, bis sie wieder zu sich gekommen sind. Der damalige Orloch im Lande der Braven war vor 91 Jahren schon vorbei, aber die Geschütze in Europa haben noch drei Jahre länger gebrüllt als im Lande der sternklaren Winternächte und dem strahlenden Himmelblau zur Kalten Zeit.

Nachdem sich die Leute 1915 vom ersten Schock der südafrikanischen Besetzung erholt hatten, regten sich der Kommerz und der Hunger nach Nachrichten zu einer Zeit, da Ovenduka und Tsoachaobmund sowie andere Kaffs zwar schon länger Telefone hatten und die Telegraphendrähte den Schienenstrang der Eisenbahn markierten, aber es gab neben den ständig kursierenden Gerüchten eben keine Zeitung. Da kam aus der Stübelstraße der "Kriegsbote", also die (All)Gemeine Zeitung in ihrem ersten Gewand, unter strenger Zensur wegen des Krieges eben, der im Lande der Braven wohl aus war, aber in Europa noch tobte.

Die Zeiten waren ernst, viele Leser interniert und in den Geschäften herrschte mit zwei Währungen (Reichsbanknoten und englische Scheine) sowie durch Umlauf von Coupons oder Kassenscheinen sowie Notgeld viel Verwirrung. Jeder kann sich ausrechnen, dass mit der Vielfalt an Zahlungsmitteln der Tisch für Schlitzohre und Vernührker gedeckt war.

Aber mach kein' Fout, die Leute haben noch ihren Jux gehabt. Die haben in tristen Zeiten vor allem etwas von Anzeigenkultur verstanden. Bei diversen Annoncen im Kriegsboten standen Figuren, die Du nie wieder vergisst. Auf dieser Seite drucken wir heute nur zwei ab. Diese Männeken haben in unterschiedlicher Ausführung auf Roggenbrot, Zigarren und Salzgurken aufmerksam gemacht oder auf das "Künstler-Konzert im Großherzog zu Sachsen" - dort steht heute der Mutual Platz, wo "täglich, auch Sonntagnachmittag" mit "Violine, Piano und Harmonium" aufgespielt wurde. Der südafrikanische Zensor in der Hauptpost oder im Tintenpalast hat die Grafik durchgehen lassen, denn die Reklame-Männeken hat die Kriegsanstrengung der Entente (England und Frankreich) offensichtlich nicht untergraben.

Außerdem haben die Swakopmunder und Windhoeker Bierbrauer unbeirrt vom Weltkrieg in Europa ihren eigenen Orloch ausgefochten. Schon per Sonderhandzettel vor dem ersten Auftritt des Kriegsboten haben sie sich gegenseitig wegen des Wassers beschimpft, das sie damals entweder destilliert oder aus den heißen Quellen von Ovenduka für das Gerstengetränk verwendet haben. Gleich mit dem ersten Erscheinen des Kriegsboten ging es erst recht mit muhrsch-großen Kampfanzeigen weiter. Die werten Leser werden darüber und noch stief mehr aus der Sonderbeilage der (All)Gemeinen Zeitung erfahren, die kurz vor dem Geburtstag schon am nächsten Mittwoch erscheint. Moi aufpasssen, net nich verpassen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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